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Sagenbuch der Bayrischen Lande. Alexander Schöppner
Читать онлайн.Название Sagenbuch der Bayrischen Lande
Год выпуска 0
isbn 9783742772664
Автор произведения Alexander Schöppner
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
war es seit Menschengedenken nicht, wie im Jahre
1831. Damals hörte man in dieser Gegend ein jämmerliches
Winseln und Heulen von den höchsten
Wänden herunter, welches gegen vierzehn Tage sich
vernehmen ließ und zu keiner Stunde des Tages oder
der Nacht verstummte. Endlich hat sich der Brunnenwärter
vom Nesselgraben aufgemacht, um in den Bergen
oben umzusehen, woher das Winseln käme. Als
er auf den höchsten Matten sich befunden, mußt' er
wahrnehmen, daß dasselbe nicht aus dieser Gegend,
sondern gerade unter ihm aus den Klüften der Wand
hervordringe, wo sie am steilsten abschließt, so daß
sich keine Gemse da halten kann. Er verwunderte sich
höchlich, erachtet es aber zu gefährlich, den Laut weiter
zu verfolgen, und begab sich unverrichteter Dinge
wieder bergabwärts. Nun kam aber der Kreuzer von
Helmbach, ein muthiger Bergsteiger von den besten,
der seine Schafe suchte, dieses Weges, und als er von
dem Andern den Hergang gehört, bedachte er sich,
dem Abenteuer nachzugehen; legte also seine Joppe
und seinen Hut ab, kletterte mit äußerster Gefahr seines
Lebens, was keiner glauben möchte der die Wand
betrachtet, durch die Schrunden auf den Ort zu, woher
das Winseln kam, und sah da ein uraltes
zusammengehocktes Weiblein in einer Felsenspalte
sitzen, so zu winseln fortfuhr und auf seine Fragen,
wie sie um Gotteswillen an diesen Ort gekommen,
keinerlei Antwort gab, vielmehr mit den dürren Händen
ihm geradenwegs in's Gesicht fahren wollte. Hierauf
hat sie der Kreuzer ohne Umstände herausgerissen
und mit sich zu gehen gezwungen, was sie gleichwohl
ganz sichern Trittes that. So kam er mit ihr wieder auf
die Matte, wo er seine Joppe und seinen Hut niedergelegt,
und bückte sich nach diesen und zog sie wieder
an. Als er sich nun aber nach dem Weiblein umdrehte,
war dasselbe verschwunden, und konnte von ihm trotz
alles Suchens da herum nicht mehr gefunden werden.
Jetzt kam aber auch das ganze Ding dem Kreuzer
nicht mehr geheuer vor, vielmehr erfaßte ihn ein jähes
Grauen, also daß er mühselig nach Hause kam und
eine Woche krank lag vom Schrecken. Selbigen Tages
ist das Weiblein noch bei dem Bauern am See gesehen
worden, wo sie sich auf die Bank vor die Hausthüre
setzte. Die Bäuerin gab ihr einen Krapfen, erhielt
aber keinen Dank dafür und auch keine Antwort
auf die Fragen, die sie ihr stellte. Gleich darauf saß
sie unten am Kaitl auf der Sommerbank, erhielt eine
Nudel, gab aber auch kein Wort von sich, sondern nur
ein leises, unverständliches Flüstern. Das Winseln
wurde von diesem Tage an nicht mehr gehört, das
Weiblein aber auch in der ganzen Gegend nicht mehr
erkundet. Es wird aber dieses Weiblein von denen,
die es gesehen, übereinstimmend als ein kleines Mütterlein
beschrieben, von uraltem Gesichtchen mit vielen
hundert Fältchen darin, übrigens im Anzuge recht
reinlich und sauber, aber ganz altmodisch. Sie hatte
auf dem Kopf ein schwarzes Häubchen mit schmalem
schwarzem Pelzbräm, das fast bis auf die Augen hereinging;
ein rothes Corsett von älterem Schnitte, als
man sich erinnern kann, mit ganz langen Schößen auf
dem Rücken, ein blaues Schürzchen und schwarzes
Röcklein.
63. Das Edelweiß.
Sage von der M o r d a u , erzählt von F r a n z
E n g l e r t .
Auf dem Grenzgebirge Berchtesgadens gegen Reichenhall,
liegt die Alpe Mordau.
Im Jahre 1382 bezog Kathei, das schönste Diendl
im Berchtesgadner Land, dieselbe als Sennerin.
Manch stattlicher Bua stieg hinan zur Alpe, um Kathei
zu besuchen, allein die Aelplerin hatte gar früh
schon ihr Herzchen an Lenzei verschenkt, der, ein
treuherziger Gebirgssohn, kein anderes Madl anschaute.
So machte es freilich Kathei nicht, denn es
schien ihr gar lustig, von allen Aelplerinnen weit und
breit die schönste zu heißen, und sah es gerne, wenn
manch schmucker Bua in Sonntagsjoppe, mit Goldquaste
und Spielhahnfeder auf dem Hut, zu ihr heraufstieg.
Leider war der arme Lenzei eben so eifersüchtig
als Kathei schön, und das verbitterte ihm gar viele
Stunden.
Es war auch der Kathei nicht mehr so recht ernst
mit dem Lenzei, denn ein »Jager« gefiel ihr jetzt besser,
der sie gar oft auf der Alm heimsuchte.
Das merkte denn Lenzei bald und krämte sich sehr.
Kathei aber sann darauf, wie sie den Bua sich vom
Hals schaffen könne. Und wie sie einmal wieder dar-
über nachsann, da hörte sie den »Jager« am Fenster,
der juchzte ihr zu und sang:
Steig' i' aufi auf d' Alma,
Ja da werd' ma's Herz weit – und
Sich i' d' Senndrinn geh',
Thuat's mi grüß'n schö',
Ko's nit sag'n, wie's mi' freut.
Als der Jäger in den Kaser trat, erzählte sie ihm,
worüber sie nachgedacht. Der Jäger wußte bald Rath,
meinte, Kathei sollte ihn nur ausschicken, um ein
schönes Edelweiß1 von den Felswänden zu pflücken
und das könne ihm schon einmal den Hals kosten. Da
schauderte freilich Kathei zusammen, aber sie ging
doch darauf ein und schickte den Lenzei, als er wieder
kam, auf den hohen Göhl, um das schönste Edelweiß
zu pflücken, das er finde, und je größer und schöner
es sei, desto mehr sei es ein Zeichen seiner treuen
Liebe.
Lenzei war heute gekommen, um Kathei zu sagen,
daß Herzog Friedrich von Bayern, vom Propsten Ullrich