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vom Felsen herab grauenvolle Schreie, aber so arg

       war es seit Menschengedenken nicht, wie im Jahre

       1831. Damals hörte man in dieser Gegend ein jämmerliches

       Winseln und Heulen von den höchsten

       Wänden herunter, welches gegen vierzehn Tage sich

       vernehmen ließ und zu keiner Stunde des Tages oder

       der Nacht verstummte. Endlich hat sich der Brunnenwärter

       vom Nesselgraben aufgemacht, um in den Bergen

       oben umzusehen, woher das Winseln käme. Als

       er auf den höchsten Matten sich befunden, mußt' er

       wahrnehmen, daß dasselbe nicht aus dieser Gegend,

       sondern gerade unter ihm aus den Klüften der Wand

       hervordringe, wo sie am steilsten abschließt, so daß

       sich keine Gemse da halten kann. Er verwunderte sich

       höchlich, erachtet es aber zu gefährlich, den Laut weiter

       zu verfolgen, und begab sich unverrichteter Dinge

       wieder bergabwärts. Nun kam aber der Kreuzer von

       Helmbach, ein muthiger Bergsteiger von den besten,

       der seine Schafe suchte, dieses Weges, und als er von

       dem Andern den Hergang gehört, bedachte er sich,

       dem Abenteuer nachzugehen; legte also seine Joppe

       und seinen Hut ab, kletterte mit äußerster Gefahr seines

       Lebens, was keiner glauben möchte der die Wand

       betrachtet, durch die Schrunden auf den Ort zu, woher

       das Winseln kam, und sah da ein uraltes

       zusammengehocktes Weiblein in einer Felsenspalte

       sitzen, so zu winseln fortfuhr und auf seine Fragen,

       wie sie um Gotteswillen an diesen Ort gekommen,

       keinerlei Antwort gab, vielmehr mit den dürren Händen

       ihm geradenwegs in's Gesicht fahren wollte. Hierauf

       hat sie der Kreuzer ohne Umstände herausgerissen

       und mit sich zu gehen gezwungen, was sie gleichwohl

       ganz sichern Trittes that. So kam er mit ihr wieder auf

       die Matte, wo er seine Joppe und seinen Hut niedergelegt,

       und bückte sich nach diesen und zog sie wieder

       an. Als er sich nun aber nach dem Weiblein umdrehte,

       war dasselbe verschwunden, und konnte von ihm trotz

       alles Suchens da herum nicht mehr gefunden werden.

       Jetzt kam aber auch das ganze Ding dem Kreuzer

       nicht mehr geheuer vor, vielmehr erfaßte ihn ein jähes

       Grauen, also daß er mühselig nach Hause kam und

       eine Woche krank lag vom Schrecken. Selbigen Tages

       ist das Weiblein noch bei dem Bauern am See gesehen

       worden, wo sie sich auf die Bank vor die Hausthüre

       setzte. Die Bäuerin gab ihr einen Krapfen, erhielt

       aber keinen Dank dafür und auch keine Antwort

       auf die Fragen, die sie ihr stellte. Gleich darauf saß

       sie unten am Kaitl auf der Sommerbank, erhielt eine

       Nudel, gab aber auch kein Wort von sich, sondern nur

       ein leises, unverständliches Flüstern. Das Winseln

       wurde von diesem Tage an nicht mehr gehört, das

       Weiblein aber auch in der ganzen Gegend nicht mehr

       erkundet. Es wird aber dieses Weiblein von denen,

       die es gesehen, übereinstimmend als ein kleines Mütterlein

       beschrieben, von uraltem Gesichtchen mit vielen

       hundert Fältchen darin, übrigens im Anzuge recht

       reinlich und sauber, aber ganz altmodisch. Sie hatte

       auf dem Kopf ein schwarzes Häubchen mit schmalem

       schwarzem Pelzbräm, das fast bis auf die Augen hereinging;

       ein rothes Corsett von älterem Schnitte, als

       man sich erinnern kann, mit ganz langen Schößen auf

       dem Rücken, ein blaues Schürzchen und schwarzes

       Röcklein.

       63. Das Edelweiß.

       Sage von der M o r d a u , erzählt von F r a n z

       E n g l e r t .

       Auf dem Grenzgebirge Berchtesgadens gegen Reichenhall,

       liegt die Alpe Mordau.

       Im Jahre 1382 bezog Kathei, das schönste Diendl

       im Berchtesgadner Land, dieselbe als Sennerin.

       Manch stattlicher Bua stieg hinan zur Alpe, um Kathei

       zu besuchen, allein die Aelplerin hatte gar früh

       schon ihr Herzchen an Lenzei verschenkt, der, ein

       treuherziger Gebirgssohn, kein anderes Madl anschaute.

       So machte es freilich Kathei nicht, denn es

       schien ihr gar lustig, von allen Aelplerinnen weit und

       breit die schönste zu heißen, und sah es gerne, wenn

       manch schmucker Bua in Sonntagsjoppe, mit Goldquaste

       und Spielhahnfeder auf dem Hut, zu ihr heraufstieg.

       Leider war der arme Lenzei eben so eifersüchtig

       als Kathei schön, und das verbitterte ihm gar viele

       Stunden.

       Es war auch der Kathei nicht mehr so recht ernst

       mit dem Lenzei, denn ein »Jager« gefiel ihr jetzt besser,

       der sie gar oft auf der Alm heimsuchte.

       Das merkte denn Lenzei bald und krämte sich sehr.

       Kathei aber sann darauf, wie sie den Bua sich vom

       Hals schaffen könne. Und wie sie einmal wieder dar-

       über nachsann, da hörte sie den »Jager« am Fenster,

       der juchzte ihr zu und sang:

       Steig' i' aufi auf d' Alma,

       Ja da werd' ma's Herz weit – und

       Sich i' d' Senndrinn geh',

       Thuat's mi grüß'n schö',

       Ko's nit sag'n, wie's mi' freut.

       Als der Jäger in den Kaser trat, erzählte sie ihm,

       worüber sie nachgedacht. Der Jäger wußte bald Rath,

       meinte, Kathei sollte ihn nur ausschicken, um ein

       schönes Edelweiß1 von den Felswänden zu pflücken

       und das könne ihm schon einmal den Hals kosten. Da

       schauderte freilich Kathei zusammen, aber sie ging

       doch darauf ein und schickte den Lenzei, als er wieder

       kam, auf den hohen Göhl, um das schönste Edelweiß

       zu pflücken, das er finde, und je größer und schöner

       es sei, desto mehr sei es ein Zeichen seiner treuen

       Liebe.

       Lenzei war heute gekommen, um Kathei zu sagen,

       daß Herzog Friedrich von Bayern, vom Propsten Ullrich

      

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