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Die Vorgesetzte. Martin Danders
Читать онлайн.Название Die Vorgesetzte
Год выпуска 0
isbn 9783847605836
Автор произведения Martin Danders
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
In einem Salzbergwerk wird auf Stützen und Streben verzichtet, stattdessen wird es so konstruiert, dass das verbleibende Grubengebäude sich selber trägt. Dadurch bauen sich erhebliche mechanische Spannungen auf, unter denen sich das Salzgerüst plastisch verformt. Dieses Nachgeben setzt sich im Deckgebirge oberhalb des Salzdiapirs fort, sodass sich dieses um ca. 15 Zentimeter im Jahr absenkt. Das unter Spannung stehende Salz verliert allmählich an Festigkeit, aufgrund des hohen Durchbauungsgrades und der jahrzehntelangen Offenhaltung. Das Institut für Gebirgsmechanik (IfG), das seit 1996 die Situation überwacht, prognostizierte 2007, dass es ab 2014 zu einer Zunahme des Tragfähigkeitsverlustes und damit zu verstärkten Verschiebungen im Deckgebirge kommen wird. Dieses Szenario führt zu einer unkontrollierbaren Zunahme des Wasserzuflusses. Bereits 1979 haben andere Fachleute auf einen unkontrollierten Lösungszufluss aus dem Deckgebirge im Bereich der Südflanke mit nachfolgendem Tragfähigkeitsverlust des Grubengebäudes hingewiesen.
Das Grundwasser dringt in ein Salzbergwerk ein, wenn die Salzbarriere zerstört wird oder wenn sich durch tektonische Belastungen Verwerfungen bilden. Die Asse II ist besonders durch Wasser gefährdet, weil die Salzbarriere zum Teil nur wenige Meter mächtig ist. In der Zeit von 1906 bis 1988 sind 29 Salzlösungszuflüsse dokumentiert. Zwischen 1988 und 2008 wurden 32 neue Zutrittsstellen entdeckt, insbesondere aus dem Deckgebirge der Südflanke. Die Zuflüsse werden auf den Sohlen 658, 725 und 750 aufgefangen und betrugen 2008 ca. 11,8 m³/Tag. Die aufgefangene Lauge wird auf Radioaktivität überprüft, bei Einhaltung der Grenzwerte nach übertage verbracht, in Tanklaster gepumpt, zu stillgelegten Kalibergwerken gebracht und dort zur Flutung eingesetzt. Die Grundwasserzuflüsse stammen aus den zahlreichen Verwerfungen, die sich im Deckgebirge, aufgrund der Absenkung des Salzdiapirs, gebildet haben. Eine Abdichtung dieser Zuflüsse ist nicht möglich.
Am 11.06.2008 berichtete die Braunschweiger Zeitung, dass Lauge in der Asse mit Caesium-137 (137Cs; Halbwertszeit 30 Jahre) belastet sei. Das niedersächsische Umweltministerium konnte Rückfragen nicht beantworten, weil sie nichts von einer solchen Kontamination wusste. Der Landtag und der Bundesumweltminister forderten vom niedersächsischen Umweltminister einen Statusbericht, der im September 2008 veröffentlicht wurde. Aufgrund einer parlamentarischen Anfrage wurde den politischen Verantwortlichen erst im Juli 2008 bekannt, dass jahrelang Lauge aus Asse II zu stillgelegten Kalibergwerken der K+S AG verbracht wurde.
Gemäß dem Statusbericht vom September 2008 wurde seit Anfang der 90er Jahre festgestellt, dass Lauge, die sich in Bohrlöchern am Boden der 750-Meter-Sohle sammelte, eine erhöhte Konzentration des radioaktiven Isotops 137Cs aufwies. Im September 1995 wurde erstmals eine kontaminierte Laugentropfstelle im Firstbereich der 775-Meter-Sohle festgestellt. Nach einer Änderung der Strahlenschutzverordnung im Jahr 2001 lag die 137Cs–Aktivität an einigen Messpunkten über den Freigrenzen. Im Einvernehmen mit der Aufsichtsbehörde wurde die kontaminierte Lauge von 2001 bis 2008 auf die nicht mehr als Verkehrsweg offenstehende 900-Meter-Sohle abgeleitet. Später versiegte der Zustrom weitgehend.
Zur Erstellung des Statusberichtes wurden Gutachter herangezogen, die sich nicht mit der Erklärung des Betreibers zufrieden gaben, dass die Kontaminationen Rückstände des Einlagerungsunfalls von 1973 seien. Innerhalb weniger Tage fanden sie vielmehr deutliche Hinweise, dass die Lauge aus der Einlagerungskammer 12 aussickert. Ursprung der Lauge ist letztlich Altversatz aus einer nur 30 Meter entfernten Kammer, aus dem in den Jahrzehnten vor der Einlagerung Feuchtigkeit in Kammer 12 migriert ist. Bei der Einlagerung im Jahr 1974 war der Boden der Kammer 12 laugendurchtränkt. Diese Lauge ist in Kontakt mit den eingelagerten Stoffen gekommen und diffundiert nun in die Verkehrsflächen in der unmittelbaren Umgebung der Einlagerungskammer 12.
Im April 2011 fand das Bundesamt für Strahlenschutz erneut verstrahlte Lauge unweit der Einlagerungskammer 12. In einem Bohrloch seien bei Proben 240.000 Becquerel pro Liter des radioaktiven Isotops 137Cs gemessen worden. Nach Angaben der Behörde handelt es sich dabei um den bislang höchsten Wert an 137Cs, der seit dem Ende der Einlagerung im Jahr 1978 gemessen wurde. Der Wert liegt um das 24-fache über der Freigrenze.
Die Feuchtigkeit und die zutretenden Lösungen und Wässer im Salzstock führen zu verstärkter Korrosion an den eingelagerten Stahlfässern, dadurch entsteht das Gas Wasserstoff. Außerdem hat sich wegen der organischen Verrottung (Putzlappen, Tierkadaver etc.) in großen Mengen Methan gebildet. Damit könnte ein unbeherrschbarer Zustand auftreten, wenn aus dem Deckgebirge zu einem derzeit unkalkulierbaren Zeitpunkt plötzlich weitere und unter Umständen weitaus größere Mengen an Wasser oder Lauge durchbrechen würden. Die zuströmende Lösung würde weitere Salze im Grubengebäude auflösen, wodurch die Standsicherheit des Bergwerks weiter abnehmen würde. Darüber hinaus wäre bei Flüssigkeitszutritt auch mit einer massiven Zunahme der Korrosion und somit einer damit verbundenen verstärkten Entstehung von Wasserstoff zu rechnen. In Verbindung mit dem ebenfalls vorhandenen Methan könnte dies bereits nach 50 Jahren zu einem sogenannten „Blow-Out“ führen, bei dem die Gase durch den entstandenen hohen Gasdruck unkontrolliert an die Oberfläche strömen könnten, wobei sie radioaktiv kontaminierte Flüssigkeiten und Schlämme mit sich führen könnten. Die freiwerdenden Gase und Flüssigkeiten würden in kurzer Zeit in die Biosphäre austreten und dort zu radioaktiver Belastung führen. Diese Problematik wird auch nicht durch die Flutung der Grube durch das sogenannte Schutzfluid verhindert, im Gegenteil, die beim Scheitern der Müllrückholung vorgesehene und bereits für Teilverfüllungen angewendete Magnesiumchlorid-Lösung beschleunigt die Korrosion der Metalle zusätzlich massiv.
Der Antrag zur Schließung des Bergwerks wurde im Januar 2007 beim Landesbergamt eingereicht. Dieser Antrag beinhaltete einen Abschlussbetriebsplan sowie einen Langzeitsicherheitsnachweis. Nach einer ersten Prüfung beschied die Genehmigungsbehörde die eingereichten Unterlagen als nicht ausreichend und forderte weitere Nachweise an. Gemäß dem Plan sollte der Salzstock durch die Verfüllung von Hohlräumen mechanisch stabilisiert werden. Das Einblasen von Salzgrus führte zwar zu einer Beruhigung im Gebirge, für eine dauerhafte Stabilisierung reicht der dadurch zu erreichende Gegendruck aber nicht aus. Um das Restporenvolumen im Füllmaterial weiter zu minimieren und dadurch zum Abbau mechanischer Spannungen beizutragen, sollte ein Schutzfluid eingebracht werden. Vorgesehen war dafür eine MgCl-Lösung, mit deren Hilfe einer Zersetzung des Carnallitits durch zutretende NaCl-Lösung entgegengewirkt werden sollte. Das Schließungskonzept beinhaltete auch den Bau von Strömungsbarrieren.
Die Flutung der Asse mit einem Schutzfluid ist problematisch, weil es nicht mit den Anforderungen des Strahlenschutzes vereinbar ist. Entsprechend der Grundregel, Entsorgungsprobleme nicht durch Verdünnung zu lösen, ist es internationaler Standard, radioaktiven Abfall trocken einzulagern. Wenn die Einlagerungskammern geflutet werden, ist damit zu rechnen, dass ein Teil des radioaktiven Inventars gelöst wird und im Verlauf von Jahrhunderten durch die porös verfüllten Hohlräume des verschlossenen Bergwerks diffundiert. Um diese Diffusion zu begrenzen, sollten Strömungsbarrieren gebaut werden. Der Betreiber versuchte, durch Modellrechnungen den Nachweis zu führen, dass dauerhaft ein radiologisches Schutzziel erreicht wird, das jegliche Beeinträchtigung der Biosphäre ausschließt. Ein weiterer Einwand ist, dass der Zement, in dem viele Abfälle gebunden sind, mit dem zutretenden Wasser chemisch reagieren könnte. Dies würde Gas freisetzen, das explodieren könnte.
Von August 1995 bis April 2004 wurden fast vollständig die alten Abbauhohlräume zwischen der 725- und der 490-Meter-Sohle mit Rückstandssalzen verfüllt. Insgesamt wurden etwa 2,15 Millionen Tonnen in die Abbaue der Südflanke der Asse II eingebracht. Zurzeit werden Strömungsbarrieren eingebaut, Hohlräume unterhalb der 800-Meter-Sohle verfüllt, seit Dezember 2004 wird MgCl-Lösung eingespeist, die Schächte Asse II und Asse IV werden rückgebaut und Arbeiten zur Aufrechterhaltung der Grubensicherheit werden durchgeführt.
Nach dem Betreiberwechsel im Januar 2009 ist das Schließungskonzept zurückgestellt worden. Zunächst wurden verschiedene Schließungsoptionen geprüft, doch im Januar 2010 schlug das Bundesamt für Strahlenschutz vor, den Atommüll komplett aus dem maroden Lager zu bergen. Der radioaktive Abfall soll nun im Schacht Konrad, einem stillgelegten Eisenerzbergwerk in Salzgitter, endgelagert werden. Die Optionen einer Einbetonierung der Fässer oder ein Umlagern der Fässer in tiefere Schichten waren zuvor verworfen worden. Für die