ТОП просматриваемых книг сайта:
Kartell Compliance. Max Schwerdtfeger
Читать онлайн.Название Kartell Compliance
Год выпуска 0
isbn 9783811453098
Автор произведения Max Schwerdtfeger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
c) Bußgeldrechtliche Folgen
43
Vorsätzliche oder fahrlässige Verstöße gegen das Kartellverbot können von der Kommission und dem Bundeskartellamt mit Bußgeldern geahndet werden (Art. 23 VO 1/2003; § 81 GWB). Bei der Festsetzung der Bußgelder ist sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen. Zu den besonders schweren Verstößen zählen horizontale Beschränkungen, wie z.B. Preisabsprachen, und die Aufteilung von Märkten oder Kunden. Während die Kommission nur gegen die den Verstoß begehenden Unternehmen Bußgelder verhängen kann, können im deutschen Kartellrecht auch die Organe eines Unternehmens und sonstige Mitarbeiter wegen Zuwiderhandlungen gegen das Kartellverbot bebußt werden. Anders als etwa in den USA stellen Verstöße gegen das deutsche und europäische Kartellverbot grundsätzlich keine Straftaten dar. Eine Ausnahme gilt im deutschen Recht für Submissionsabsprachen (§ 298 StGB). Wegen der Einzelheiten sei auf das 14. Kap. (Bußgelder bei Kartellverstößen) dieses Buches verwiesen.
1. Verkaufskooperationen
44
Kooperationen beim Verkauf bzw. Vertrieb oder der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen gehören zu den kartellrechtlich riskantesten Kooperationsformen zwischen Wettbewerbern. Derartige Verkaufsvereinbarungen kommen in unterschiedlichen Formen in Betracht. Denkbar sind nicht nur ein arbeitsteiliges Vorgehen im Rahmen eines gemeinsamen Teams, eines Gemeinschaftsunternehmens (Joint Venture) oder durch Verteilung der Aufgaben zwischen den kooperierenden Unternehmen, sondern auch die Übernahme des Vertriebs oder der Vermarktung durch eines der beteiligten Unternehmen oder die gemeinsame Bestimmung eines Vertriebspartners.[80]
45
Verkaufsvereinbarungen betreffen unmittelbar den Absatz an Kunden und somit einen zentralen Wettbewerbsaspekt. Sie können zu besonders schwerwiegenden Wettbewerbsbeschränkungen (sog. Kernbeschränkungen), wie z.B. einer Abstimmung der Verkaufspreise, einer Koordinierung von Produktions- oder Absatzmengen oder einer Markt-/Kundenaufteilung führen, und werfen daher grundlegende kartellrechtliche Bedenken auf.[81]
46
Die mit Verkaufsvereinbarungen verbundenen kartellrechtlichen Risiken lassen sich auch nicht dadurch ausschließen, dass eine ausdrückliche Abstimmung über Preise, Mengen, Märkte, Kunden oder andere wettbewerbsrelevante Gesichtspunkte vermieden wird. Verkaufskooperationen begünstigen in besonderer Weise den Austausch wettbewerbsrelevanter Informationen zwischen den kooperierenden Unternehmen, was im Ergebnis ebenso zu Wettbewerbsbeschränkungen führen kann wie eine ausdrückliche Abstimmung.[82] Vor allem bei vertriebs- oder marketingintensiven Produkten kann zudem schon der bloße Umstand, dass beim Vertrieb bzw. der Vermarktung kooperiert wird, zu einer Angleichung der Kosten der kooperierenden Unternehmen führen. Im Ergebnis kann das auf eine Koordinierung der Verkaufspreise hinauslaufen, weil sich mit den Kosten häufig auch die Verkaufspreise angleichen werden.[83] Wettbewerbsbeschränkungen können sich bei Verkaufskooperationen außerdem aus einer Andienungspflicht ergeben, bei der sich die beteiligten Unternehmen verpflichten, ausschließlich die gemeinsame Vertriebsorganisation zu nutzen und auf einen eigenen unabhängigen Vertrieb ganz zu verzichten.[84]
47
Aufgrund der besonderen Nähe zum Kunden werden sich Verkaufskooperationen nur in Ausnahmefällen wettbewerbsneutral gestalten lassen.[85] Denkbar ist dies insbesondere in Fällen, in denen einer der Kooperationspartner auf die Verkaufskooperation objektiv angewiesen ist, um in den Markt eintreten oder sich auf diesem behaupten zu können.[86] Wie bei Arbeitsgemeinschaften ist die Kooperation als solche schon nicht wettbewerbsbeschränkend, wenn und soweit sie die Aufnahme von Wettbewerb auf dem relevanten Markt erst ermöglicht, z.B. weil ein Markteintritt unter wirtschaftlichen oder technologischen Gesichtspunkten allein nicht möglich wäre.[87]
48
Als im Grundsatz nicht wettbewerbsbeschränkend wird auch die bloße gemeinsame Werbung angesehen,[88] sofern die beteiligen Unternehmen weiterhin frei sind, individuelle Werbung zu schalten, und die gemeinsame Werbung auch nicht z.B. durch gemeinsame Preisempfehlungen oder über eine Angleichung der Kosten (bei marketingintensiven Produkten) zu anderweitigen Wettbewerbsbeschränkungen führt.[89] Grundsätzlich unbedenklich ist insbesondere die kollektive Werbung zur Bedarfsweckung für bestimmte Branchen, Regionen oder gemeinsame Marken.[90]
49
Sind mit der Verkaufskooperation Wettbewerbsbeschränkungen verbunden, wird auch eine Freistellung vom Kartellverbot nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Die Europäische Kommission sieht es im Rahmen ihrer Verwaltungspraxis immerhin als wahrscheinlich an, dass Verkaufskooperationen die Voraussetzungen einer Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV (§ 2 Abs. 1 GWB) erfüllen, wenn der gemeinsame Marktanteil der Kooperationspartner nicht über 15 % liegt.[91] Das ändert aber nichts daran, dass der Nachweis der Freistellungsvoraussetzungen von den beteiligten Unternehmen zu erbringen und schwierig zu führen ist.
50
Einen verlässlichen Rechtsrahmen für eine Freistellung von Verkaufskooperationen bieten somit i.d.R. nur die Gruppenfreistellungsverordnungen der Europäischen Kommission, die über § 2 Abs. 2 GWB auch in das deutsche Recht einfließen. Diese ermöglichen den gemeinsamen Vertrieb bzw. die gemeinsame Vermarktung unter engen Voraussetzungen, insbesondere verhältnismäßig geringen gemeinsamen Marktanteilen, z.B. im Rahmen von Forschungs- und Entwicklungskooperationen,[92] bei der Spezialisierung von Unternehmen und der gemeinsamen Produktion[93] sowie im Bereich der Seeschifffahrt (sog. Linienkonferenzen)[94]. Im deutschen Kartellrecht kommt eine Freistellung zudem unter dem Gesichtspunkt des „Mittelstandskartells“ nach § 3 GWB in Betracht, wenn der Wettbewerb auf dem relevanten Markt durch die Verkaufskooperation nicht wesentlich beeinträchtigt wird und sie gerade dazu dient, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern.[95]
2. Einkaufskooperationen
51
Kooperationen von Wettbewerbern beim Einkauf von Waren oder Dienstleistungen sind wettbewerblich ambivalent. Vor allem auf Märkten mit einem hohen Konzentrationsgrad auf der Anbieterseite und einer von kleinen und mittleren Unternehmen geprägten Nachfrage können Kooperationen von Nachfragern beim Einkauf den Wettbewerb beleben. Nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs bilden Einkaufskooperationen in derartigen Fällen ein bedeutsames Gegengewicht zur Verhandlungsmacht großer Anbieter und können sich somit in Form niedrigerer Preise zum Vorteil der Verbraucher auswirken.[96] Auch Kartellbehörden und nationale Gerichte stehen Einkaufskooperationen, vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen, aufgrund der hiermit häufig einhergehenden Effizienzvorteile grundsätzlich positiv gegenüber.[97]
52
Insbesondere im umgekehrten Fall, in dem große Nachfrager einer mittelständisch geprägten Anbieterseite gegenüberstehen, können Einkaufskooperationen aber auch schädlich für den Wettbewerb sein. Einkaufskooperationen können sich in solchen Fällen beispielsweise negativ auf die Angebotsvielfalt auswirken, indem sie übermäßigen Kostendruck erzeugen, der Investitions- und Innovationsanreize auf der Anbieterseite verringert oder sogar zum Ausscheiden von Anbietern aus dem Markt führt, wenn sie mit dem Kostendruck nicht mithalten können.[98] Zudem sinkt mit steigender Konzentration auf der Nachfrageseite die Wahrscheinlichkeit, dass die durch Einkaufskooperationen erzielten Einsparungen bei den Einkaufspreisen an die Verbraucher weitergegeben werden.[99] Das Bundeskartellamt beobachtet nach eigenen Angaben eine zunehmende Konzentration bei Einkaufskooperationen und greift Einkaufskooperationen in letzter Zeit auch verstärkt auf.[100]