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Kartell Compliance. Max Schwerdtfeger
Читать онлайн.Название Kartell Compliance
Год выпуска 0
isbn 9783811453098
Автор произведения Max Schwerdtfeger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
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Das wichtigste Mittel der Verhaltensabstimmung ist in der Praxis der gegenseitige Austausch von unternehmensrelevanten Informationen zwischen Wettbewerbern, weil hierdurch die für unternehmerisches Verhalten unter Wettbewerbsbedingungen kennzeichnende Unsicherheit über die Reaktionen der Konkurrenten beseitigt wird.[35] Eine solche Koordinierung kann auch über Dritte oder unter Beteiligung Dritter erfolgen, insbesondere auf gemeinsamen Sitzungen von Unternehmensvertretern mit ihren Abnehmern oder Lieferanten oder auch unter Einschaltung von Verbänden oder Beratern, denen die Sammlung und der Austausch der Informationen übertragen wird. Eine abgestimmte Verhaltensweise erfordert über die Abstimmung hinaus auch ein dieser entsprechendes Marktverhalten sowie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden.[36] Allerdings besteht nach der Rechtsprechung des EuGH eine widerlegliche Vermutung dafür, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens auch berücksichtigen werden.[37] Dementsprechend obliegt es den an der abgestimmten Verhaltensweise beteiligten Unternehmen nachzuweisen, dass ihre Abstimmung keine negativen Auswirkungen auf den Markt hatte.
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Den Gegensatz zu einer Verhaltensabstimmung bilden einseitige Maßnahmen, die von Unternehmen aufgrund eines autonomen Willensentschlusses und ohne Einflussnahme Dritter umgesetzt werden. Keine abgestimmte Verhaltensweise liegt daher in einem bewussten Parallelverhalten, d.h. dem Nachahmen des Verhaltens anderer Unternehmen aufgrund eigener Marktbeobachtungen und einer selbstständigen Entscheidung.[38] Ungeklärt ist bislang, unter welchen Voraussetzungen einseitige Maßnahmen wie öffentliche Ankündigungen von Preiserhöhungen dem Kartellverbot unterfallen, die in der erkennbaren Erwartung getätigt werden, dass sich die Konkurrenten der Preiserhöhung anschließen werden (sog. Koordinierung über den Markt).[39]
c) Die Wettbewerbsbeschränkung
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Vereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen sind nach Art. 101 Abs. 1 AEUV nur dann verboten, wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Das deutsche Kartellverbot des § 1 GWB ist im Kern seines Wortlauts mit dem europäischen Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV identisch und hat nach dem Willen des Gesetzgebers auch den gleichen Regelungsgehalt wie diese Norm. Die drei Begriffe „Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung“ sind gleich gestellt und werden in der Rechtspraxis zumeist nicht streng voneinander getrennt, sondern gehen in dem umfassenden Begriff der Wettbewerbsbeschränkung auf.
Eine abstrakt-generelle Definition des Begriffs Wettbewerb findet sich weder im deutschen noch im europäischen Kartellrecht. Der Gesetzgeber hat zu Recht hierauf verzichtet, da es selbst der Wettbewerbstheorie bislang noch nicht gelungen ist, eine allseits akzeptierte Definition des Wettbewerbs als Objekt der Beschränkung zu entwickeln. Die Praxis setzt deshalb nicht am Begriff des Wettbewerbs, sondern am Begriff der Wettbewerbsbeschränkung an und versucht allgemeine Kriterien zu definieren, die typischerweise für eine Beschränkung des Wettbewerbs kennzeichnend sind. Fest steht jedoch, dass das Kartellverbot nur den rechtmäßigen Wettbewerb schützt, so dass Abmachungen, die lediglich rechtswidrige (z.B. unlautere) Handlungen unterbinden sollen, keine Wettbewerbsbeschränkung darstellen.
aa) Der Begriff der Wettbewerbsbeschränkung
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Die herkömmliche Praxis, versteht, z.T. unter Bezugnahme auf das vom EuGH aufgestellte Selbstständigkeitspostulat, unter dem Begriff der Wettbewerbsbeschränkung jede Einschränkung der wettbewerbsbezogenen Handlungsfreiheit der an der Vereinbarung beteiligten Unternehmen in Bezug auf den zwischen ihnen bestehenden Wettbewerb.[40] Sowohl die wechselseitige als auch die einseitige Beschränkung eines oder mehrerer wettbewerblicher Aktionsparameter wird danach unabhängig von ihrer Außenwirkung als Verstoß gegen das Kartellverbot angesehen. Die neuere Kartellrechtspraxis sieht dieses formalistische Verständnis der Wettbewerbsbeschränkung dagegen als nicht (mehr) sachgerecht an. Unter dem Begriff des „more economic approach“ setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass der Schutz des Wettbewerbs nur Mittel zum Zweck ist und es bei der Formulierung der Wettbewerbspolitik und der Durchsetzung des Kartellrechts vor allem um den Schutz der Konsumentenwohlfahrt geht. Für die kartellrechtliche Zulässigkeit eines Verhaltens kommt es dementsprechend entscheidend auf dessen Auswirkungen auf den Wettbewerb an. Dementsprechend kann der Begriff der Wettbewerbsbeschränkung nicht mit einer bloßen Beschränkung der Handlungsfreiheit der an einer Vereinbarung Beteiligten gleichgesetzt werden, sondern muss sich vielmehr an den Außenwirkungen auf die Marktverhältnisse orientieren.[41] Das Kartellverbot erfasst eine Vereinbarung oder Verhaltensweise danach nur dann, wenn diese auch zu nachteiligen Veränderungen der Marktverhältnisse führt und damit spürbare Drittwirkungen auf die Marktgegenseite hat.[42]
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Dieses Auswirkungsprinzip wird auch von der Rechtsprechung angewandt. Nach ständiger, vor allem in neueren Urteilen immer wieder bekräftigter Rechtsprechung des EuGH und des EuG fallen Vereinbarungen, die die Handlungsfreiheit der beteiligten Unternehmen oder eines dieser Unternehmen einschränken, nicht schon allein deshalb unter das Kartellverbot. Vielmehr bedarf es stets auch des Nachweises wettbewerbsbeschränkender Drittwirkungen, die sich zum Nachteil der Endverbraucher auswirken und deren Wohlergehen mindern. Dabei ist nach der Rechtsprechung stets der konkrete Rahmen zu berücksichtigen, in dem eine Vereinbarung ihre Wirkung entfaltet, insbesondere der wirtschaftliche und rechtliche Kontext, in dem die betroffenen Unternehmen tätig sind, die Art der Waren und/oder Dienstleistungen, auf die sich die Vereinbarung bezieht, sowie die tatsächlichen Bedingungen der Funktion und der Struktur des relevanten Marktes.[43] Auch die deutsche Rechtsprechung stellt in neueren Entscheidungen für das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung nicht mehr isoliert auf eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Handlungsfreiheit der an einer Vereinbarung beteiligten Unternehmen ab, sondern prüft insbesondere deren mögliche negative Auswirkungen auf den Markt und die Marktgegenseite.[44]
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Die Europäische Kommission sieht ebenfalls den Eingriff in die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der beteiligten Unternehmen für sich genommen als nicht ausreichend für eine Wettbewerbsbeschränkung an. Nach Auffassung der Kommission ist das Kartellverbot vielmehr nur dann auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen anwendbar, wenn diese geeignet sind, spürbare negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsparameter im Markt wie Preis, Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt und Innovation zu haben. Die Kommission geht davon aus, dass Vereinbarungen diese Auswirkungen haben, wenn der Wettbewerbsdruck zwischen den Parteien einer Vereinbarung oder zwischen ihnen und Dritten erheblich gemindert wird.[45]
bb) Horizontale und vertikale Wettbewerbsbeschränkungen
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Das Kartellverbot trennt tatbestandlich nicht zwischen horizontalen und vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen. Unter horizontalen Wettbewerbsbeschränkungen versteht man alle Behinderungen oder Beeinträchtigungen des Wettbewerbs durch das gemeinsame Zusammenwirken von Unternehmen, die – entweder tatsächlich oder potentiell – auf derselben Wirtschaftsstufe tätig sind und somit im (aktuellen oder potentiellen) Wettbewerb zueinander stehen (z.B. Preiskartell