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Kartell Compliance. Max Schwerdtfeger
Читать онлайн.Название Kartell Compliance
Год выпуска 0
isbn 9783811453098
Автор произведения Max Schwerdtfeger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
ee) Sonderproblem: Datenaustausch zwischen Hersteller und Händler
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Die bei einem Handelsunternehmen anfallenden Daten über Verkaufspreise und -mengen (Absatzdaten) stellen eine wichtige Erkenntnisquelle für die Preis- und Sortimentsgestaltung des Handels dar. Sie sind darüber hinaus auch für den Hersteller von großem Interesse. Angesichts der erheblichen Kosten, die mit dem Bezug solcher Daten bei Marktforschungsunternehmen verbunden sind, sowie der für statistische Erhebungen charakteristischen Ungenauigkeiten, sind viele Hersteller an einem direkten Bezug der Absatzdaten beim Handel interessiert, was grds. zulässig ist.[211] Kartellrechtliche Schranken ergeben sich jedoch daraus, dass der Datenaustausch nicht zu einer Abstimmung des Preissetzungsverhaltens führen darf, und zwar weder zwischen Händler und Hersteller, noch zwischen den Händlern unter Vermittlung des Herstellers und auch nicht zwischen den Herstellern unter Vermittlung des Händlers.[212] Dementsprechend sind einer Übermittlung von zukunftsbezogenen Daten – etwa der vorgesehenen Aktionspreise – Grenzen gesetzt.
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Mit Blick auf Absatzdaten der Vergangenheit kommt es darauf an, ob diese lediglich dem legitimen Zweck einer betriebswirtschaftlichen Auswertung dienen, oder ob die Lieferung der Absatzdaten Instrument eines Kontrollsystems ist, das die Einhaltung einer vertikalen Preisbindung überwacht. Ob dies der Fall ist, wird insbesondere von der Aktualität der Daten abhängen. Wie das BKartA hervorhebt wird regelmäßig allein die Lieferung aktueller Daten die effektive Durchsetzung einer Preisbindung ermöglichen bzw. erleichtern. Umgekehrt kann aber auch eine solche Lieferung nur ein Indiz für das Vorliegen einer Preisbindung darstellen, so dass weitere Anhaltspunkte hinzutreten müssen.[213]
Beispiele:
– | Kritisch: Vergütung für eine Datenlieferung nimmt Bezug auf eine Hersteller-UVP. |
– | Unkritisch: Es werden nur Daten übermittelt, die mindestens drei Monate alt sind und deren Weiterleitung durch den Hersteller an andere Händler vertraglich ausgeschlossen ist.[214] |
– | Wenn zwischen Datenübermittlung und Verkaufsvorgang nur wenige Wochen liegen, ist Vorsicht angezeigt. Sobald sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Hersteller die Preisdaten als Koordinierungs- und Kontrollinstrument einsetzt (etwa durch prompte Reaktion bei Unterschreitung der UVP und/oder die Bezugnahme auf andere Händler) sollte der Händler reagieren. Um dem Eindruck einer Zusage, die UVP künftig zu befolgen, entgegenzuwirken, sollte er sich gegen die Intervention des Herstellers verwahren, eine Klarstellung sowie ggf. eine Verlängerung des Zeitraums zwischen Datenübermittlung und Verkaufsvorgang verlangen, oder die Datenlieferung einstellen.[215] |
c) Möglichkeiten der Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV
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Bei vertikalen Preisbindungen, die als Kernbeschränkung nicht nach der Vertikal-GVO freistellungsfähig sind, wird vermutet, dass die Voraussetzungen der Legalausnahme nach Art. 101 Abs. 3 AEUV nicht erfüllt sind. Den Unternehmen steht aber die Möglichkeit offen, im Einzelfall die Effizienzeinrede nach Art. 101 Abs. 3 AEUV zu erheben.[216] Insoweit bedarf es des Nachweises, dass die vertikale Preisbindung Effizienzvorteile erzielt und auch alle weiteren Voraussetzungen nach Art. 101 Abs. 3 erfüllt sind.[217] Nach den Vertikal-Leitlinien erscheint die Freistellung einer vertikalen Preisbindung vor allem in folgenden drei Fallkonstellationen denkbar.[218]
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Erstens kann die Festsetzung von Weiterverkaufspreisen erforderlich sein, um in einem Franchisesystem oder einem „ähnlichen Vertriebssystem“ mit einheitlichen Vertriebsmethoden eine kurzfristige Sonderangebotskampagne (im Regelfall zwei bis sechs Wochen) zu koordinieren.[219] In Deutschland sind vergleichbare Maßnahmen der Preiswerbung schon 2003 vom BGH als zulässige Ausnahme vom Preisbindungsverbot qualifiziert worden.[220]
Beispiele zur Aktionsplanung:
– | Bei der Planung von Rabattaktionen kommt der Vorfeldabstimmung mit dem Hersteller angesichts absehbarer Absatzsteigerungen zentrale Bedeutung zu. Wenn die Zeiträume für eine vom Hersteller geförderte Aktion vorab festgelegt werden, ist dies zulässig.[221] |
– | Kritisch ist es, wenn der Hersteller nicht nur über Mengen informiert wird, sondern der Händler auch den vorgesehenen Aktions-LVP nennt. Die Abgrenzung zwischen der – grundsätzlich erlaubten – bloßen Information durch den Händler und der Zusage eines bestimmten Preises wirft Probleme auf.[222] |
– | Kritisch sind Kontaktaufnahmen durch Hersteller, wenn Aktionspreise als zu niedrig empfunden wurden.[223] Die Nennung eines mit der Preisempfehlung übereinstimmenden Aktions-LVP im Zusammenhang mit der Warenorder kann den Verdacht nahelegen, dass es sich um eine Zusage handelt, die Preisempfehlung zu befolgen.[224] Vor diesem Hintergrund sollten Händler davon absehen, dem Hersteller vorab den geplanten Aktionspreis zu nennen. Sofern die Händler die Einschätzung des Herstellers zu den Mengeneffekten eines Aktions-LVP einholen möchten, ist anzuraten, die empfohlenen Ordermengen für mehrere alternative LVP abzufragen, um nicht den Anschein zu erwecken, ein bestimmter Aktionspreis werde zugesagt.[225] |
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Zweitens kann eine vertikale Preisbindung bei der Markteinführung eines Produkts[226] zu Effizienzvorteilen führen.[227] Diese Fallgruppe knüpft an das Problem der Nachfrageunsicherheit an[228] und beruht auf folgender Überlegung: Mit einer Preisbindung der zweiten Hand wird für die Händler in der Produkteinführungsphase ein Anreiz geschaffen (Stichwort: Margensicherheit), ihre Verkaufsbemühungen zu intensivieren und das neue Produkt – auch im Interesse der Verbraucher – zu lancieren.[229] In der Praxis bereitet insoweit der Nachweis der Unerlässlichkeit Schwierigkeiten. Diese Voraussetzung von Art. 101 Abs. 3 wird von der Europäischen Kommission in dieser Konstellation dahingehend konkretisiert, dass eine Einzelfreistellung nur dann in Betracht kommt, wenn „es für den Anbieter nicht sinnvoll [engl. Sprachfassung: „not practical“] ist, alle Abnehmer vertraglich zu verkaufsfördernden Maßnahmen zu verpflichten“[230]. Während dieser Vorbehalt schwer greifbar und nicht praxistauglich erscheint,[231] kann er als Ausprägung des allgemeinen Gedankens verstanden werden, dass eine Preisbindung mangels Unerlässlichkeit nicht freistellungsfähig ist, wenn mit der Vergütung spezifischer Investitionen ein milderes Mittel bereitsteht.[232]
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Als drittes Beispiel für eine mögliche Rechtfertigung nennt die Europäische Kommission die Verhinderung des Trittbrettfahrens (free riding). Dieses trete insbesondere bei „Erfahrungsgütern oder komplizierten Produkten“ auf. Durch die Vorgabe des Weiterverkaufspreises kann das