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Kartell Compliance. Max Schwerdtfeger
Читать онлайн.Название Kartell Compliance
Год выпуска 0
isbn 9783811453098
Автор произведения Max Schwerdtfeger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
dd) Möglichkeit der Einzelfreistellung
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Ist die Vertikal-GVO im Einzelfall nicht anwendbar, z.B. weil die Marktanteilsschwellen überschritten sind, besteht auch für Bestpreisklauseln die Möglichkeit der Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV.[297]
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Gerade für die Verwendung enger Bestpreisklauseln – sofern sie eine tatbestandsmäßige Wettbewerbsbeschränkung darstellen – lassen sich theoretisch eine Vielzahl von Effizienzvorteilen ins Feld führen. Als gängige Rechtfertigung sind insbesondere der Schutz von Investitionen und die Abwehr der Trittbrettfahrerproblematik zu nennen.[298] Vorteile für die Nutzer können sich aus einer Verringerung der Such- und Transaktionskosten ergeben.[299] Überdies werden durch die höhere Transparenz Informationsasymmetrien abgebaut und damit der Wettbewerb zwischen den Hotels gestärkt.
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In der bisherigen Entscheidungspraxis des BKartA kommt demgegenüber eine sehr restriktive Haltung zur Effizienzeinrede bei Bestpreisklauseln zum Ausdruck.[300] So hat das BKartA etwa im Verfahren gegen Booking schon die Existenz eines Trittbrettfahrerproblems pauschal abgelehnt: „Booking hat insbesondere nicht belegen können, dass ein relevantes Trittbrettfahrerproblem besteht [. . .]“[301] Unabhängig davon dürfte eine Einzelfreistellung in der Praxis regelmäßig schon an Nachweisschwierigkeiten scheitern (insbesondere zur Unerlässlichkeit der Bestpreisklausel), da die vom BKartA gestellten Anforderungen[302] kaum zu erfüllen sind.[303] Entsprechend haben die vorgelagerten Fragen – Anwendbarkeit von Art. 101 Abs. 1 AEUV und Freistellung nach der Vertikal-GVO – entscheidende Bedeutung.
b) Meistbegünstigungsklauseln im Übrigen
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Meistbegünstigungsklauseln treten grundsätzlich in zwei Konstellationen auf, entweder zulasten des Abnehmers oder zulasten des Anbieters.[304]
Beispiele:[305]
– | Eine Meistbegünstigungsklausel zulasten des Anbieters verpflichtet den Anbieter (Lieferant) gegenüber seinem Abnehmer (Kunden), anderen Abnehmern (Kunden) keine günstigeren Konditionen/Preise einzuräumen. |
– | Meistbegünstigungsklauseln zulasten des Abnehmers können den Abnehmer im Vertrieb gegenüber seinen Kunden sowie auch im Einkauf gegenüber dem Anbieter beschränken, wobei die Praxisrelevanz insoweit eher untergeordnet sein dürfte: – Der Abnehmer (Händler) wird verpflichtet, seinen Kunden für die Vertragsprodukte keine ungünstigeren Konditionen zu fordern als für Konkurrenzprodukte. – Der Abnehmer wird verpflichtet, dem Anbieter in dem Maße verbesserte Konditionen (z.B. Preiserhöhungen) zuzugestehen, wie sie Drittlieferanten gewährt wurden. |
Anwendbarkeit von Art. 101 Abs. 1 AEUV
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Meistbegünstigungsklauseln zulasten des Abnehmers mit Wirkung gegenüber seinen Kunden sind als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung unstreitig vom Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst.[306] Meistbegünstigungsklauseln zulasten des Abnehmers im Verhältnis zum Anbieter selbst sind dagegen nicht ohne weiteres tatbestandsmäßig. Eine bewirkte Beschränkung kann sich aber aus der Preisangleichung auf Anbieterseite ergeben.[307]
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Schwieriger erweist sich die Beurteilung von Meistbegünstigungsklauseln zulasten des Anbieters: Weder die Vertikal-GVO noch die Vertikal-LL bieten hierzu Anhaltspunkte.[308] Die Kommission räumt solchen Klauseln jedenfalls dann keine eigenständige Bedeutung und damit auch keine spürbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb i.S.v. Art. 101 Abs. 1 AEUV ein, wenn sie in Verbindung mit einer kartellrechtlich zulässigen Ausschließlichkeitsbindung vereinbart werden.[309] In mehreren Verfahren zum Vertrieb von E-Books (gegen Amazon und zuvor gegen Apple)[310] ging die Kommission von einer wettbewerbsbeschränkenden Wirkung der hier u.a. vereinbarten Meistbegünstigungsklauseln zulasten der Verlage (Anbieter) aus. Da diese Verfahren jedoch nach Art. 9 VO Nr. 1/2003 mit Verpflichtungszusagen der Parteien beendet wurden, musste die Kommission keine abschließende Würdigung vornehmen.[311]
Freistellungsmöglichkeiten
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Meistbegünstigungsklauseln zulasten des Anbieters sind in der Regel nach Art. 2 Abs. 1 Vertikal-GVO freistellungsfähig. Dies gilt unabhängig davon, ob die entsprechenden Klauseln als echte oder als unechte Meistbegünstigungsklausel ausgestaltet sind.[312]
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Mit Blick auf Meistbegünstigungsklauseln zulasten des Abnehmers ist zu differenzieren: Wirken sie sich auf den Abgabepreis gegenüber den Kunden des Abnehmers aus, liegt eine Kernbeschränkung i.S.v. Art. 4 lit. a Vertikal-GVO vor.[313] Sind sonstige Vertragskonditionen betroffen, kommt eine Freistellung in Betracht.[314] Meistbegünstigungsklauseln zulasten des Abnehmers im Verhältnis zum Anbieter stellen ebenfalls keine Kernbeschränkung dar: Sie beschränken den Abnehmer nicht darin, Verkaufspreise selbst festzusetzen,[315] so dass jedenfalls keine Preisbindung der zweiten Hand vorliegt. Allerdings könnte man mit Blick auf die Einschränkung der Vertragsgestaltungsfreiheit[316] eine einem Wettbewerbsverbot (Alleinbezug) (Art. 1 Abs. 1 lit. d Vertikal-GVO) gleichstehende Beschränkung sehen, die nur in den Grenzen von Art. 5 Vertikal-GVO einer Freistellung zugänglich ist.[317]
c) Bestpreisklauseln im Überblick
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3. Konditionenbindungen
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Neben den vorstehend behandelten Preisbindungen können Anbieter ihren Abnehmern auch andere Formen von Inhaltsbindungen[318] auferlegen, sie also dazu verpflichten, mit ihren Kunden wiederum bestimmte Geschäftsbedingungen (Konditionen) zu vereinbaren. Der Konditionenbegriff erfasst dabei sämtliche Vertragsbedingungen der mit Dritten geschlossenen Verträge, insbesondere Lieferungs- und Zahlungsbedingungen.[319] So wird Händlern in Vertriebsverträgen häufig ein bestimmtes Kundendienst-Programm für Absatzverträge mit Kunden vorgeschrieben. Klassisches Beispiel hierfür sind die Vorgaben der im Rahmen einer Inspektion von Kraftfahrzeugen durchzuführenden Kontrollarbeiten.[320] Nicht preisliche Konditionenbeschränkungen sind grundsätzlich als zumindest bewirkte Wettbewerbsbeschränkung einzustufen, die jedoch – im Unterschied zur Bindung von Preisen und preisrelevanten Konditionen – einer Freistellung nach der Vertikal-GVO zugänglich sind. Außerhalb ihres Anwendungsbereichs kommt es auf eine Einzelfreistellung an.
1. Überblick
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Durch Wettbewerbsverbote oder Ausschließlichkeitsbindungen können Anbieter den Bezug ihrer Abnehmer auf sich konzentrieren und Käufe bei Wettbewerbern verhindern (Alleinbezug). Umgekehrt können auch Abnehmer mit ihren Lieferanten vereinbaren, dass Konkurrenten