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Kartell Compliance. Max Schwerdtfeger
Читать онлайн.Название Kartell Compliance
Год выпуска 0
isbn 9783811453098
Автор произведения Max Schwerdtfeger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
– | Weite Bestpreisklauseln verpflichten ein Hotel, auf einem Buchungsportal immer zumindest gleich günstigste Preise anzubieten, wie sie auf anderen Buchungs- oder Reiseportalen, auf der hoteleigenen Homepage und ggf. auch offline angeboten werden.[269] Dieses „Besserstellungsverbot“ wurde dabei regelmäßig durch eine Verfügbarkeitsparitätsklausel „abgesichert“[270], wonach die in anderen Vertriebskanälen noch verfügbaren Zimmer stets auch auf dem jeweiligen Buchungsportal verfügbar sein mussten.[271] |
– | Enge Bestpreisklauseln untersagen hingegen lediglich das Anbieten von günstigeren Preisen oder Konditionen auf der eigenen Homepage, sodass eine Preisdifferenzierung sowohl zwischen Hotelbuchungsportalen[272] als auch beim Offline-Vertrieb möglich bleibt.[273] |
bb) Anwendbarkeit von Art. 101 Abs. 1 AEUV
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Selbst soweit die kartellrechtliche Beurteilung von Bestpreisklauseln im Ergebnis divergiert, besteht zunächst im Ausgangspunkt Einigkeit: Enge und weite Meistbegünstigungsklauseln beeinträchtigen grundsätzlich den Wettbewerb i.S.v. Art. 101 Abs. 1/§ 1 GWB.[274] Bereits die daran anschließende Frage aber, ob die Klauseln als tatbestandsmäßige Wettbewerbsbeschränkung zu qualifizieren sind, wird kontrovers beurteilt. Während des OLG Düsseldorf bislang von einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung ausging,[275] hatte das BKartA eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung für möglich gehalten, dies aber offengelassen.[276]
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In seiner jüngsten Entscheidung hat das OLG Düsseldorf für eine enge Bestpreisklausel nun aber bereits die Tatbestandsmäßigkeit verneint.[277] Dabei hat sich der zuständige Senat auf die Rechtsfigur der Nebenabrede eines kartellrechtsneutralen Austauschvertrags gestützt (dazu noch näher unten, Rn. 128 ff.). Demnach sei für enge Bestpreisklauseln allein maßgeblich, ob es sich um eine immanente Schranke des kartellrechtsneutralen Hotelportalvertrages handelt bzw. ob diese Klausel erforderlich ist, um den Vertrag sinnvoll durchzuführen.[278] Dies hat der Senat mit Blick auf die streitgegenständlichen Klauseln des Anbieters „Booking.com“ bejaht: „Die Vereinbarung zur Raten- und Bedingungsparität ist notwendig, um einen fairen und ausgewogenen Leistungsaustausch zwischen den Beteiligten als Portalbetreiber und den vertragsgebundenen Hotels als Abnehmer der Vermittlungsdienstleistung zu gewährleisten, und sie geht weder zeitlich noch räumlich oder sachlich über das zur Zielerreichung Erforderliche hinaus.“[279]
cc) Anwendbarkeit der Vertikal-GVO auf Bestpreisklauseln
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Mit dieser Entscheidung des OLG Düsseldorf hat die ebenfalls sehr kontrovers diskutierte Frage, ob Bestpreisklauseln dem Anwendungsbereich der Vertikal-GVO unterfallen,[280] jedenfalls für enge Bestpreisklauseln im Anwendungsbereich der Vertikal-GVO praktisch entschärft. Bereits im Dezember 2017 hatte das OLG Düsseldorf zudem die Freistellungsfähigkeit von engen und weiten Bestpreisklauseln in der „Expedia“-Entscheidung[281] weitgehend bestätigt, nachdem diese Frage in den Entscheidungen zu „HRS“[282] und „Booking“[283] noch offenbleiben konnte. Damit sind enge wie weite Bestpreisklauseln nach Art. 2 Vertikal-GVO freistellungsfähig und stellen insbesondere keine Kernbeschränkung dar.[284]
Vertikalvereinbarung i.S.v. Art. 1 Abs. 1 lit. a Vertikal-GVO
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Umstritten war die Anwendbarkeit der Vertikal-GVO bislang insbesondere mit Blick auf die Frage, ob Bestpreisklauseln als Teil einer Vertikalvereinbarung i.S.v. Art. 1 Abs. 1 lit. a Vertikal-GVO zu qualifizieren sind, die Parteien also „für die Zwecke der Vereinbarung auf einer anderen Ebene der Produktions- oder Vertriebskette tätig“ sind und Bedingungen für den „Weiterverkauf“ geregelt werden. Dies hat das OLG Düsseldorf in der „Expedia“-Entscheidung bejaht.
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Schon im Vorfeld dieser Entscheidung stand außer Streit, dass die von den Hotelportalen geschuldete Vermittlungsdienstleistung auf einer der Überlassung von Hotelzimmern vorgelagerten Vertriebsstufe erfolgt, der Hotelportalmaklervertrag also ein Vertikalverhältnis zwischen dem Portal (als Anbieter der Vermittlungsdienste) und den jeweiligen Hotels (als Nachfrager) begründet. Die ursprünglichen Zweifel des Senats lagen vielmehr darin begründet, dass die Bestpreisklauseln weder die Bedingungen für den Bezug der Vermittlungsdienstleistungen durch die Hotels noch die Konditionen für den Weiterverkauf dieser Vermittlungsdienstleistung durch die Hotelunternehmen betreffen, sondern sich beim Absatz von Hotelzimmern selbst auswirken: „Auf diesem Absatzmarkt stehen die als Vermittler tätigen Hotelplattformen jedoch in keiner vertikalen Beziehung zu den Hotels.“[285] Ob dies der Anwendbarkeit der Vertikal-GVO entgegenstand, konnte der Senat aufgrund der hohen Marktanteile von HRS und Booking im Ergebnis offenlassen.[286]
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In seiner „Expedia“-Entscheidung hat das OLG Düsseldorf dann aber entschieden, dass Plattformbetreiber und Hotels auch beim Verkauf der Hoteldienstleistungen in einem Vertikalverhältnis zueinander stehen.[287] Den Umstand, dass sich die Plattformbetreiber darauf beschränken, Zimmerbuchungen zu vermitteln, hat der Senat mit der Konstruktion eines unechten Handelsvertreters „überwunden“. Art. 1 Abs. 1 lit. h Vertikal-GVO stelle klar, dass Abnehmer im Sinne einer Vertriebskette nicht nur derjenige ist, der vom Lieferanten auf eigenes Risiko Waren oder Dienstleistungen kauft und weiterverkauft, sondern auch, wer für Rechnung eines anderen Unternehmens verkauft. Daher unterfielen Handelsvertreterverträge jedenfalls dann dem Geltungsbereich der Vertikal-GVO, wenn sie – wie bei den Hotelbuchungsportalen der Fall – als Vielfachvertretung ausgestaltet sind, der Handelsvertreter bzw. die Plattform also als „unabhängige Zwischenperson“ tätig werde (sog. „unechter Handelsvertreter“).[288] Dass (unechte) Handelsvertreterverträge als vertikale Vereinbarung zu qualifizieren seien, ergebe sich aus den Vertikal-LL (Rn. 12, 49) und entspreche dem Zweck der Vertikal-GVO, sämtliche Bezugs- und Vertriebsvereinbarungen in einer vertikalen Vertriebskette zu erfassen.[289] Weiterhin betreffen die Bestpreisklauseln nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf auch die Bedingungen, zu denen die Hotelleistungen an die Gäste veräußert werden. Damit sei auch der zweite Teil der Legaldefinition in Art. 1 Abs. 1 lit. a Vertikal-GVO erfüllt,[290] sodass Portalbetreiber als Abnehmer und die Hotels als Anbieter i.S.d. Vertikal-GVO einzustufen sind.
Weder Freistellungsausschluss noch Kernbeschränkung
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Die Ausnahmetatbestände der Vertikal-GVO stehen einer Freistellung von engen und weiten Bestpreisklauseln nach der Rechtsprechung nicht entgegen.[291] Obwohl sich Portalbetreiber und Hotels (die ihre Leistungen auch über eigene Vertriebskanäle wie z.B. Websites absetzen) auf der Vertriebsstufe als Wettbewerber gegenüberstehen, greift der Freistellungsausschluss nach Art. 2 Abs. 4 S. 1 Vertikal-GVO nicht. Nach Abs. 4 S. 2 lit b ist die Vertikal-GVO auch auf Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern anwendbar, wenn ein Wettbewerbsverhältnis nur beim Absatz der Vertragsprodukte („Einzelhandel“) besteht, nicht aber auf der vorgelagerten Stufe.[292] Dies hat das OLG Düsseldorf in der „Expedia“-Entscheidung überzeugend bejaht: Die Betreiber der Hotelbuchungsportale stehen mit den vertragsgebundenen Hotels lediglich auf der Einzelhandelsstufe beim Absatz der Hoteldienstleistungen im Wettbewerb, erbringen diese selbst aber nicht.[293]
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Schließlich sind enge wie weite Bestpreisklauseln nach der Rechtsprechung auch nicht als Kernbeschränkung einzustufen.[294]