ТОП просматриваемых книг сайта:
Kartell Compliance. Max Schwerdtfeger
Читать онлайн.Название Kartell Compliance
Год выпуска 0
isbn 9783811453098
Автор произведения Max Schwerdtfeger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
b) Maßnahmen der Preispflege
72
Maßnahmen der Preispflege sind in erster Linie am Maßstab von Art. 4 lit. a 2. Halbs. Vertikal-GVO zu messen, der eine Ausnahme vom Preisbindungsverbot statuiert. Demnach sind Höchstpreise sowie Preisempfehlungen grundsätzlich nicht als Kernbeschränkung zu qualifizieren. Dies gilt allerdings nur, sofern diese nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen faktisch wie Fest- oder Mindestpreisbindungen wirken.
aa) Höchstpreise
73
Die Vereinbarung eines Höchstpreises zeichnet sich dadurch aus, dass der Händler (Abnehmer) den vom Hersteller (Anbieter) vorgegebenen Preis zwar unter-, nicht aber überschreiten darf.[158] Die Frage, ob Höchstpreisbindungen überhaupt wettbewerbsbeschränkende Wirkungen haben, ist wettbewerbsökonomisch (noch) nicht abschließend geklärt.[159] Auf der einen Seite schränken auch Höchstpreise (wie Fest- oder Mindestpreise) die Preissetzungsfreiheit des Abnehmers ein und verhindern damit, dass der Preis im vollständig freien Spiel von Angebot und Nachfrage zustande kommt.[160] Auf der anderen Seite wird verhindert, dass der Preis – zugunsten der Kunden – ein bestimmtes Niveau überschreitet.[161] Zwar sprechen damit gute Argumente dafür, bei Höchstpreisbindungen schon den wettbewerbsbeschränkenden Charakter zu verneinen.[162] Angesichts der Äußerungen des EuGH, wonach in jedem Einzelfall zu prüfen sei, ob eine Höchstpreisbindung als spürbare Wettbewerbsbeschränkung zu qualifizieren ist,[163] sind Höchstpreisbindungen ohne nähere Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit aber nur dann sicher zulässig, wenn die Voraussetzungen der Vertikal-GVO erfüllt sind.
74
Bei der Vorgabe von Höchstpreisen ist zu beachten, dass diese nicht auf ein derart niedriges Niveau festgesetzt werden, dass eine Unterschreitung durch den Händler betriebswirtschaftlich unmöglich ist. Mag eine solche Preisbindung auch im Interesse der Verbraucher liegen, besteht angesichts der Beschränkung der Preissetzungsfreiheit des Händlers dennoch die naheliegende Gefahr einer faktischen Preisbindung, die gegen Art. 4 lit. a Vertikal-GVO verstößt.[164]
bb) UVP
75
UVP sind an Händler gerichtete, formell unverbindlich empfohlene Wiederverkaufspreise.[165] Der Empfänger von UVP darf den empfohlenen Preis also sowohl unter- als auch überschreiten. Dabei kann die Preisempfehlung einerseits gegenüber dem Kunden etwa durch einen Verpackungs- oder Etikettenaufdruck, durch die Medienwerbung oder in Katalogen mit jeweils deutlichem Zusatz der Unverbindlichkeit des Preises kommuniziert werden. Andererseits können UVP auch (nur) gegenüber dem Händler ausgesprochen werden, etwa in Form von unverbindlich empfohlenen Bruttopreislisten oder durch entsprechende Angaben in Händlerkatalogen (sog. „Händlerpreisempfehlung“).[166]
76
Wie bereits bei Höchstpreisen stellt sich auch bei Preisempfehlungen zunächst die Frage, ob diese überhaupt eine tatbestandliche Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. Art. 101 Abs. 1 AEUV bezwecken oder bewirken.[167] Bei UVP ist die Antwort klar. Nach Ansicht des Bundeskartellamts ist „das Aussprechen von unverbindlichen Preisempfehlungen durch den Hersteller (. . .) erlaubt.“[168] Der Umstand allein, dass eine Preisempfehlung von ihren Adressaten (Händlern) befolgt wird, begründet noch keine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise i.S.v. Art. 101 Abs. 1 AEUV.[169] Auch die Kommission stellt in den Vertikal-LL klar, dass das Aussprechen von UVP ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht tatbestandsmäßig ist: Händigt der Hersteller dem Händler etwa eine Liste mit Preisempfehlungen aus, so sei dies nicht als vertikale Preisbindung zu qualifizieren.[170] Das BKartA betont, dass der Hersteller die Möglichkeit habe, „seine Meinung darüber auszusprechen, welchen Ladenverkaufspreis er für das von ihm gelieferte Produkt als sinnvoll erachtet.“[171] Weitergehend dürfe der Hersteller seine Meinung auch erläutern und begründen, um den Händler vom Preispotenzial eines Produkts zu überzeugen,[172] solange dadurch die Unverbindlichkeit der Empfehlung nicht in Frage gestellt wird.[173] Auf Herstellerempfehlungen von Weiterverkaufspreisen findet Art. 101 Abs. 1 AEUV also keine Anwendung, soweit ein rein einseitiges und unverbindliches Verhalten der Herstellers zugrunde liegt.
Beispiel: Umgang mit Preisempfehlungen:
– | A empfiehlt im Jahresgespräch einen Preis von 3,33 EUR. Zur Begründung verweist er auf die Ergebnisse der internen Marktforschung: Man habe Verbraucher befragt, Preissensitivitätsanalysen erstellt und auch die im Handel gezeigten Preise der Konkurrenzprodukte einbezogen. |
– | Reaktion: Der Händler (B) nimmt die Erläuterungen von A zur Kenntnis, äußert sich aber nicht zu seiner künftigen Preisgestaltung. Nach internen Beratungen setzt er die Preisempfehlung um. |
– | Lösung: Es ist kartellrechtlich unproblematisch einer Empfehlung zu folgen.[174] |
77
Insoweit fehlt schon eine Vereinbarung über den Verkaufspreis: „Der Händler hat seine Entscheidung, die empfohlenen Preise der eigenen Preissetzung zugrunde zu legen, autonom getroffen und dem Hersteller keine Zusage hinsichtlich der Preisgestaltung gemacht.“[175] Bereits hieraus ergibt sich, dass das bloße Befolgen einer Preisempfehlung unabhängig davon kartellrechtlich zulässig ist, wie andere Händler reagieren, also selbst dann, wenn die UVP flächendeckend im Markt umgesetzt wird.[176] Dieses Ergebnis steht im Einklang mit lauterkeitsrechtlichen Wertungen,[177] wonach die Zulässigkeit von Werbung mit unverbindlichen Herstellerpreisempfehlungen gerade davon abhängt, dass die UVP für den Verkehr eine marktgerechte Orientierungshilfe darstellt.[178]
78
Kündigt der Händler im Beispiel aber an, der UVP zu folgen, setzt er sich einem Bußgeldrisiko aus – oder in den Worten des BKartA: „Damit verlässt der Händler den Bereich des eindeutig und ohne nähere Prüfung kartellrechtskonformen Verhaltens.“[179] Ob eine Rückäußerung tatsächlich als Zustimmung zu einer ihm angetragenen vertikalen Preisbindung zu werten ist, kann nur im Wege einer Gesamtbetrachtung der Einzelfallumstände beantwortet werden. Dabei stellt das BKartA allein auf die getätigten Äußerungen ab und hält einen etwaigen inneren Vorbehalt des Händlers, ggf. auch einen niedrigeren Preis zu setzen, expressis verbis für unbeachtlich.[180] Zur Vermeidung der mit einer Einzelfallwürdigung einhergehenden Unsicherheit ist Händlern zu empfehlen, jedwede Rückäußerung zu unterlassen, die auch nur den Anschein einer Zusage erwecken könnte, man werde die UVP befolgen.[181] Generell sollten Hersteller wie Händler die Kommunikation zu UVP vor dem Hintergrund der Praxis des BKartA stets auf das Nötigste reduzieren.[182]
cc) Faktische Preisbindung durch Druck oder Anreize als Grenzen der zulässigen Preise
79
Nach Art. 4 lit. a 2. HS sind Höchstpreise und UVP dann als Kernbeschränkung zu qualifizieren, wenn sie infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen faktisch wie Fest- oder Mindestverkaufspreise wirken, also die Preissetzungsfreiheit des Abnehmers in einer mit Fest- oder Mindestpreisbindungen vergleichbaren Intensität beschränken.[183] Im Sinne eines Umgehungsverbots soll damit verhindert werden, dass das Preisbindungsverbot durch Höchstpreise und UVP unterlaufen wird, die wie gebundene Preise wirken.[184]
80