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Kartell Compliance. Max Schwerdtfeger
Читать онлайн.Название Kartell Compliance
Год выпуска 0
isbn 9783811453098
Автор произведения Max Schwerdtfeger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
c) Beschränkungen im Selektivvertrieb
56
Art. 4 lit. b Ziff. iii Vertikal-GVO erlaubt Gebiets- oder Kundenbeschränkungen gegenüber Händlern eines selektiven Vertriebssystems. Ihnen darf untersagt werden, nicht zum Selektivvertrieb zugelassene Händler zu beliefern, die im Selektivvertriebsgebiet, also im Geltungsbereich eines Selektivvertriebssystems, tätig sind. Auch kann der Verkauf in Gebiete untersagt werden, in denen die Vertragsprodukte zwar noch nicht selektiv vertrieben werden (sog. „virgin territories“), in denen der Anbieter aber ein selektives Vertriebssystem zu betreiben beabsichtigt.[119] Insoweit darf jeweils nicht nur der aktive, sondern ausnahmsweise auch der passive Verkauf an andere Händler untersagt werden.[120]
d) Beschränkung beim Verkauf von Zwischenprodukten
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Im Gegensatz zu den bereits erläuterten Ausnahmen vom Verbot der Kunden- und Gebietsbeschränkung betrifft Art. 4 lit. b Ziff. iv Vertikal-GVO vorrangig nicht Vertriebs-, sondern Zulieferverträge. Demnach kann ein Anbieter den Abnehmern einen Weiterverkauf an seine Wettbewerber (= des Anbieters) für solche Produkte verbieten, die den Abnehmern zur Weiterverwendung geliefert werden (d.h. Zwischenprodukte oder Komponenten).[121] Damit soll der Anbieter in die Lage versetzt werden, verhindern zu können, dass seine Vertragswaren für die Herstellung von Konkurrenzprodukten genutzt werden.[122]
Ob diese ratio tatsächlich erreicht wird, ist aber in Fällen fraglich, in denen die Teile über „Umwege“, z.B. erst nach Weiterverarbeitung durch den Abnehmer, „mittelbar“ zur Konkurrenz des Anbieters gelangen.[123]
e) Verbote des Vertriebs von Graumarktware
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Verbote des Vertriebs von Ware, die auf dem sog. „Graumarkt“, also außerhalb der durch den Lieferanten autorisierten Vertriebswege erworben wird, können zum Schutz von Vertriebssystemen vom Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV ausgenommen oder zumindest freigestellt sein.[124] So hat der BGH ausdrücklich festgestellt, „jeder Graumarktbezug [stelle] – unabhängig von seiner Rechtmäßigkeit – eine empfindliche Störung des Vertriebskonzepts des Herstellers dar, der entgegenzuwirken der Hersteller berechtigt sein kann.“[125] Daneben sind gewisse Beschränkungen denkbar, etwa indem Händlern, die Graumarktware vertreiben, Bildrechte zur Bewerbung der jeweiligen Produkte nicht bereitgestellt werden. Der Ursache des Problems der Graumarktware ist so indes nicht beizukommen. So wird Ware z.B. durch Händler in Niedrigpreisregionen zwecks Eröffnung neuer Absatzwege an Händler in höherpreisigen Gebieten veräußert, die wiederum Zugang zu preiswerter oder zusätzlicher Ware suchen. Denn Beschränkungen des passiven Vertriebs durch den Handel sind außerhalb von Selektivvertriebssystemen grds. nicht möglich, sodass das „Problem“ – abseits des Selektivvertriebs – nicht an der Wurzel gelöst werden kann.
3. Gebiets- und Kundenbeschränkungen im Überblick
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II. Preis- und Konditionenbeschränkungen
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Unter den vertikalen Beschränkungen kommt der „Preisbindung der zweiten Hand“ in der Praxis zentrale Bedeutung zu (1.). Auch Preis- und Konditionenbeschränkungen wie z.B. Meistbegünstigungsklauseln sind zuletzt vermehrt in den Fokus gerückt, z.B. mit Blick auf die Geschäftsbedingungen von Hotelbuchungsportalen wie HRS oder Booking.com (2.).
a) Das Preisbindungsverbot i.S.d. Art. 4 lit. a Vertikal-GVO
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Die vertikale Preisbindung oder Preisbindung der zweiten Hand wird von den Kartellbehörden und Gerichten in ständiger Praxis als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung qualifiziert.[126] Daraus folgt zweierlei: Zunächst ist es für die Annahme einer Wettbewerbsbeschränkung nicht erforderlich, die konkreten Auswirkungen der Preisbindung auf den Markt zu untersuchen. Sie unterfällt stets dem Tatbestand des Art. 101 Abs. 1 AEUV.[127] Weiterhin kommt es auch nicht darauf an, wie groß die Marktanteile der beteiligten Unternehmen sind.[128] Zwar unterfällt ein Verhalten nur dann dem Kartellverbot, wenn es spürbare Auswirkungen auf den Wettbewerb hat. Die Einordnung als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung hat aber zur Folge, dass die Preisbindung der zweiten Hand „ihrer Natur nach und unabhängig von ihren konkreten Auswirkungen [stets] eine spürbare Beschränkung des Wettbewerbs dar[stellt].“[129] Dementsprechend stuft die Vertikal-GVO die Preisbindung der zweiten Hand als Kernbeschränkung ein (Art. 4 lit. a) und versagt ihr damit die Freistellungsmöglichkeit.[130]
62
Eine Preisbindung liegt vor, wenn der Anbieter die Möglichkeiten des Abnehmers zur Gestaltung seiner Verkaufspreise beschränkt. Unbenommen bleibt dem Anbieter aber die Möglichkeit, Höchstverkaufspreise festzusetzen oder unverbindliche Preisempfehlungen („UVP“) auszusprechen. UVP und Höchstpreise dürfen dabei aber nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen faktisch Fest- oder Mindestverkaufspreisen gleichkommen („Preispflege“). Bei der Bewertung, ob ein bestimmtes Verhalten unter das Preisbindungsverbot fällt, sind stets die Umstände des Einzelfalls von zentraler Bedeutung.[131] Vor diesem Hintergrund ist die unternehmerische Selbsteinschätzung vielfach mit Unsicherheiten behaftet, zumal auch das soft law der Kartellbehörden regelmäßig nur eine erste Orientierung bietet.[132]
aa) Preisbindung zulasten der Abnehmer
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Als Kernbeschränkung nach Art. 4 lit. a Vertikal-GVO sind vertikale Preisbindungen zulasten der Abnehmer (Preisbindung der zweiten Hand)[133] zu qualifizieren. Beschränkungen der Preisbildungsfreiheit des Anbieters/Lieferanten (Preisbindung der ersten Hand) z.B. in Form von Bestpreisklauseln, wonach der Anbieter (auch) dem Abnehmer stets seinen günstigsten Preis anbieten muss, stellen keine Kernbeschränkung i.S.d Vertikal-GVO dar.[134] Dies bedeutet aber nicht, dass solche Regelungen keine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellen, sondern lediglich, dass Preisbindungen zulasten der Anbieter – im Unterschied zu Preisbindungen der zweiten Hand – einer Freistellung nach der Vertikal-GVO zugänglich sind.
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Eindeutig erfüllt ist das Preisbindungsverbot i.S.d. Vertikal-GVO, wenn Fest- oder Mindestpreise für den Weiterverkauf der gelieferten Produkte durch den Abnehmer (Händler) unmittelbar vorgegeben oder vereinbart werden. Nicht freistellungsfähig sind dabei sowohl Vorgaben des Lieferanten (Hersteller oder Großhändler) gegenüber dem Händler, die einheitlich gebundene Preise gegenüber dessen Kunden vorsehen, als auch solche, die den Händler zu einer differenzierten Preisgestaltung nach Käufergruppen oder Absatzkanälen verpflichten (z.B. Preisdifferenzierung für Verkäufe des Händlers in seinem Ladengeschäft und Online).[135] Unzulässig sind demnach etwa die nachstehend beispielhaft aufgeführten Abreden:[136]
Unmittelbare Festlegung der Mindestpreise:
– | „Der Normalpreis beträgt 2,89 EUR, der Aktionspreis mindestens 2,59 EUR.“ |
– | „Die UVP darf um maximal 3 % unterschritten werden.“ |
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