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Interpretation der knappen Aussage hat zunächst zu bedenken, dass dieser Satz nur sinnvoll ist als Unterscheidungsmerkmal innerhalb der christlichen Gemeinde. Οὐκ αὐτοῦ εἶναι heißt so viel wie ‚gehört nicht zu Christus‘, setzt also Strittigkeit darüber voraus, wer zu Christus gehört. Die Christuszugehörigkeit kann unterschiedlich festgestellt oder proklamiert werden (sakramental: Gal 3,26–28; homologisch: Röm 10,9; 1Kor 12,1–3). Hier nun wird der Besitz des Geistes Christi zum Erkenntnis- bzw. zum Ausschlusszeichen gemacht, kaum gegenüber Außenstehenden, für die diese Formel doch sehr voraussetzungslos wäre, vielmehr innerhalb der christlichen Gemeinde. Oder wird erklärt, dass nicht Geistbesitz an sich, wie immer er sich im paganen Raum etwa durch Glossolalie, Prophetie oder thaumaturgische Gaben artikulieren mag, in die Christuszugehörigkeit stellt, sondern dass eben dies erst das spezifische und unterscheidende πνεῦμα Χριστοῦ vollzieht?4 Weshalb aber wird dann eben dieses πνεῦμα Χριστοῦ genannt und nicht, wie im umgebenden Kontext, das πνεῦμα θεοῦ?

      Es bleibt m.E. erwägenswert, diese Formel mit den Enthusiasten in Korinth in Verbindung zu bringen. Dass unter ihnen vom πνεῦμα ἔχειν gesprochen wurde, erweist die polemische Aufnahme in 1Kor 7,40. Auch die in Korinth vollzogene Unterscheidung innerhalb der Gemeinde zwischen πνευματικοί und σαρκινοί/σάρκικοι und die πνευματικός-ψυχικός-Antithese zeigen die Tendenz an, die Geistbegabten exklusiv in die Christuszugehörigkeit zu stellen, zumal sie durch die Glossolalie diesen Stand demonstrativ belegen. Allerdings ergibt sich hier das Problem, weshalb Paulus eine Formel, die seinen eigentlichen Intentionen und den Darlegungen im Kontext nicht direkt konform geht, hier zur Sprache bringt. Es ist zunächst festzustellen, dass mit V. 9c der Übergang von dem ἐν πνεύματι εἶναι (V. 9a) über das πνεῦμα ἐν ὑμῖν (V. 9b) zum Χριστὸς ἐν ὑμῖν (V. 10a) semantisch erleichtert wird. Andererseits ist die Beobachtung, zuletzt von Joseph A. Fitzmyer5 vorgetragen, nicht von der Hand zu weisen, dass Paulus in Röm 8,9–11 die Vielfalt pneumatologischer Beschreibungen bewusst zur Sprache kommen lässt, um die möglichen Dimensionen der Zuordnung zu Gott, Christus und Geist zu benennen.

      Während bislang V. 9c$Röm 8,9c als im Wesentlichen vorpaulinische Formel betrachtet wurde, erkennt James D.G. Dunn geradezu ein „key element in Paul’s definition of ‚Christian‘“.6 Mit der Definition des Geistes als des πνεῦμα Χριστοῦ sei „the end point of climax of a long Judeo-Christian attempt to define the Spirit of God“ erreicht.7 Die Interpretation betont sodann geradezu einen methodistischen Weg: „only those whose lives demonstrate by character and conduct that the Spirit is directing them can claim to be under Christ’s lordship.“8

      2.2 „Der letzte Adam (wurde) zu einem lebenschaffenden Geist“ (1Kor 15,45b$1Kor 15,45b)

      Im Zusammenhang der Ausführungen über die Modalität der Leiblichkeit der Totenauferstehung (1Kor 15,42–49) führt Paulus in V. 45 ein Schriftzitat (οὕτως καὶ γέγραπται) an, welches im näheren Zusammenhang die vorangehende Aussage, es werde ein σῶμα πνευματικόν auferstehen (V. 44b), begründen soll. Allerdings bezieht sich nur V. 45a auf Gen 2,7 LXX: ἐγένετο ὁ πρῶτος ἄνθρωπος Ἀδὰμ εἰς ψυχὴν ζῶσαν. Aber auch die zweite Vershälfte V. 45b erscheint noch als Schriftzitat, da das Prädikat des ersten Halbsatzes in ihr gelesen werden muss. Sachlich hat V. 45b zum Schriftzitat nur noch einen begrenzten Bezug, insofern der Ausdruck (καὶ ἐνεφύσησεν εἰς τὸ πρόσωπον αὐτου) πνοὴν ζωῆς durch (ὁ ἔσχατος Ἀδὰμ εἰς) πνεῦμα ζῳοποιοῦν nur entfernt aufgenommen wird. Die Gegenüberstellung von Adam als erstem Menschen und Christus als letztem Adam zielt auf zwei Sachverhalte, die eigentlich inkommensurabel sind. Der erste Adam ist Stammvater der Menschen, insofern er und sie gemeinsam durch die Geschöpflichkeit verbunden sind. Der letzte Adam hingegen ist nicht einfach wie der erste Adam Stammvater, sondern er ist durch seine Auferstehung in die Funktion gesetzt worden, lebenschaffender Geist, πνεῦμα ζῳοποιοῦν, zu sein. Diesem Ausdruck ist jetzt nachzugehen. Erwartet hätte der Leser wohl σῶμα πνευματικόν (vgl. V. 44.46), zumal auch der Abschluss des Gedankengangs in V. 49 deutlich die Gemeinsamkeit des himmlischen Wesens des letzten Adams mit demjenigen der Glaubenden betont und Christus so klar als Stammvater zu erkennen ist.

      Der Ausdruck πνεῦμα ζῳοποιοῦν begegnet im NT in 1Kor 15,45; 2Kor 3,6; Joh 6,63; 1Petr 3,18, und dies jeweils in einem Kontext, in dem als Gegenbegriffe zu πνεῦμα sowohl σάρξ und ψυχή als auch γράμμα fungieren. Ζῳοποιεῖν als Gottesprädikat („Gott, der die Toten ins Leben ruft“) wird von Paulus in Röm 4,17; 8,11 bezeugt; außerdem im NT: Joh 5,21, vgl. auch 1Tim 6,13 v.l. und Eph 2,5; Kol 2,13 (συζῳοποιεῖν); in der jüdischen Tradition: Ps 71,20; 2Reg 5,7; Neh 9,6; 2. Ben d. Achtzehngebets; JosAs 8,3.9; 12,1; 20,7; Arist 16 u.a. Mit Bezug auf Christus begegnet ζῳοποιεῖν in 1Kor 15,22; 1Petr 3,18 (und nochmals Eph 2,5; Kol 2,13), mit Bezug auf das Gesetz in Gal 3,21, in einem Bildwort in 1Kor 15,36. Es besteht in jüdischer Literatur ein Wortfeld, in dem Gottes Geist und Leben in engem Bezug zueinander stehen: Gen 2,7; 6,17; 7,15; Ez 37,5.9f; Ps 104,29f; 2Makk 14,46; Philo, Op Mund 30,6. Der Begriff πνεῦμα ζῳοποιοῦν jedoch ist spezifisch neutestamentlich,1 die Identifizierung dieses lebenschaffenden Geistes mit dem auferweckten Christus als dem letzten Adam ist ausschließlich in 1Kor 15,45 bezeugt.

      Die Erklärung dieses Befundes hat ganz analog zu demjenigen in Röm 8,9c auf Vorstellungen innerhalb des pneumatischen EnthusiasmusEnthusiasmus, wie er in Korinth begegnet, aufmerksam gemacht.2 Man verweist auf die Singularität der Zuordnung von Christus und lebenschaffendem Geist und auf die präsentische Formulierung, die in einer Spannung zu dem Futur in 1Kor 15,22; Röm 8,11; Phil 3,21 steht. Die zu vermutenden Absichten werden allerdings unterschiedlich beschrieben. Entweder erkennt man einen Bezug auf eine möglicherweise durch Apollos vermittelte hellenistisch-jüdische Auslegungstradition, nach der „Gen. 2,7 soteriologisch als Geburt des Pneumatikers interpretiert“3 wird. Oder man vermutet eine Verbindung von Präexistenz-Christologie und Urmensch-Lehre. Christus in geistbegabter Präexistenz verleiht den Pneumatikern den Geist.4 Wesentlich ist, dass Paulus eine – wie auch immer geartete – Urmensch-Lehre voraussetze und auf den Kopf stelle. Erst der Auferweckte vermittelt den lebenschaffenden Geist! Ἀλλ᾽ οὐ πρῶτον τὸ πνευμτικὸν ἀλλὰ τὸ ψυχικόν, ἔπειτα τὸ πνευματικόν (1Kor 15,46)! Demzufolge geht Paulus auf diese Vorstellung ein, um sie zu korrigieren. Die in dieser Korrektur gegebene Aussage, dass der auferweckte Christus zum lebenschaffenden Geist geworden ist, bleibt eine siguläre, auf 1Kor 15,45 begrenzte Position. Immerhin gilt positiv festzuhalten, dass Paulus sich wennschon, dann überhaupt nur einen christologischen Geistbegriff vorstellen kann, der sich auf den Erhöhten, den Auferweckten bezieht, nicht aber auf den Präexistenten oder den Irdischen.5 Selbst die im jüdischen Schrifttum recht breit bezeugte Vorstellung der Geistbegabung des Messias wird von Paulus nicht aufgenommen. In Verbindung mit der vermuteten Zuordnung von Röm 8,9c zum Enthusiasmus kann sich allerdings andeuten, dass in diesem Bereich ein christlogischer Geistbegriff bestimmend war.6

      Demgegenüber verzichtet James D.G. Dunn auf eine religionsgeschichtliche Einordnung des Motivbereichs,7 um 1Kor 15,45$1Kor 15,45b ganz im Sinn einer von Paulus beabsichtigten Zuordnung von Kyrios und Pneuma zu interpretieren.8 „The implication, then, is that Paul intended to represent the risen Christ as in some sense taking over the role of or even somehow becoming identified with the life-giving Spirit of God […] So it is hardly surprising that Paul’s bringing of these self-manifestations of God into focus in Christ should include an identification of the Spirit also with Christ.“ Dunn beschreibt eine Tendenz im paulinischen Denken, gemäß der pneumatologische Aussagen durch ihre Zuordnung zu Christus präzisiert oder definiert werden. Er gesteht zu, dass diese Zuordnung nicht Ausdruck einer in sich abgeschlossenen oder

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