Скачать книгу

ist der übergreifende Kontxt in der Auslegung zu bedenken. Die Hinwendung zum Kyrios schenkt Freiheit. Diese besteht nach V. 16 darin, dass das bislang Israel bindende κάλυμμα weggenommen wird. Diese Decke lag auf den Gesichtern (V. 13), auf der Verlesung der Tora (V. 14) und auf den Herzen der Israeliten (V. 15). Die Hinwendung zum Kyrios und ihre Folge, von dieser mehrfachen Decke befreit zu werden, muss nach V. 17 als Ergebnis eines geistgewirkten Geschehens verstanden werden. Da Paulus in 2Kor 3 den Geist als lebenschaffend (V. 6), als zu Herrlichkeit führend (V. 8), und in seiner Funktion, auf menschliche Herzen einzuwirken (V. 3), eingeführt hat, überrascht die Schlussfolgerung seiner befreienden Wirkung in V. 17b nicht. Mit 2Kor 3,17a bekräftigt Paulus somit, dass die Hinwendung zum Kyrios zugleich eine Hinwendung zum Geist Gottes (V. 3) ist, der als lebenschaffender Geist (V. 18) im apostolischen Dienst (V. 8) jetzt auf den Plan tritt.2 Der Gedanke, dass Paulus an dieser Stelle etwas über eine mögliche Identität von Kyrios (Christus) und Pneuma aussagen will, ist somit abwegig.3

      In V. 16 liegt nicht wirklich ein Zitat aus Ex 34,34a vor, wohl aber eine spezifische Verwendung des alttestamentlichen Textes, auf den sich V. 17 dann ja auch mit ὁ δὲ … ἐστιν erklärend bezieht.4 Die von Paulus eingetragenen Textveränderungen zielen, ohne dies hier näher ausführen zu können, auf den Gedanken einer möglichen Bekehrung Israels zu Christus als dem κύριος.5 Dies bedeutet notwendig, dass Paulus in V. 16 bei κύριος bereits an Jesus Christus denkt,6 da er in V. 17$2Kor 3,17a ohne erläuternden Zwischengedanken Kyrios als christologischen Begriff aufnimmt, nun aber pneumatologisch entfaltet.7

      2.4 „Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit“ (2Kor 3,17b$2Kor 3,17b)

      Während bei 2Kor 3,17a gefragt wird, ob Paulus an einer Identifizierung von Kyrios und Pneuma gelegen sei, schießen V.17b.18 diese Möglichkeit sogleich aus, da die Genitivverbindungen das πνεῦμα dem κύριος zu- bzw. unterordnen. Die Konversion zum Kyrios Christos, von der V. 16 gesprochen hat, stellt in einen neuen Raum (vgl. bereits V. 14: ὅτι ἐν Χριστῷ καταργεῖται). Dieser wird bestimmt als derjenige Raum des Geistes des Kyrios und sodann explikativ als der Raum der Freiheit. Das Stichwort ἐλευθερία ist im bisherigen Duktus der Argumentation zwar noch nicht gefallen, aber es ist durchaus in ihn eingebettet. Dieser ἐλευθερία korrespondiert in V. 12 das Wort παρρησία. Verstehen wir sie als „Offenheit im Reden, d. nichts verschweigt od. verhüllt“,1 so ist Freiheit die Bedingung solcher Offenheit.2 Sie findet Verwirklichung durch das πνεῦμα κυρίου und unterscheidet sich im apostolischen Dienst fundamental von dem Verhüllungs- und Täuschungsversuch des Mose, wie Paulus ihn in den vorangehenden Versen beschrieben hat. Was genau mit πνεῦμα κυρίου gemeint ist, ergibt eine Wortfeldanalyse des Begriffs ἐλευθερία. Die Freiheit gehört wesensmäßig zu diesem Raum in Christus (vgl. 1Kor 7,22; Gal 2,4; 4,21–31; 5,1.13; Röm 6,18; 8,2.21), kann von Paulus auf die Freiheit von der Forderung des Gesetzes bezogen werden,3 ist ursprünglich aber nicht darauf einzugrenzen. Zusätzlich ist zu bedenken, dass Paulus in 1Kor 15,22.45 von der lebenschaffenden Macht des Kyrios, in 2Kor 3,6 von der lebenschaffenden Macht des Geistes gesprochen hat. Vom Motivfeld her lag also eine Nähe hinsichtlich der Wirksamkeit von Kyrios und Pneuma bereit. Der allgemeine Gegensatz von γράμμα und πνεῦμα, von töten und Leben schaffen, wohl angeregt durch die mit Empfehlungsbriefen und betont jüdischem Hintergrund auftretenden Gegner, bestimmt seit 2Kor$2Kor 3,17b 3,6 die Argumentation, erfährt aber nach der Digression der V. 7–16 seine christologische und pneumatologische Präzisierung.

      2.5 „Wir werden verwandelt von Herrlichkeit zu Herrlichkeit wie vom Geist des Herrn“ (2Kor 3,18$2Kor 3,18)

      Paulus schließt die Ausführungen ab mit einem Ausblick auf die durch seinen Dienst begründete, ihn den Apostel selbst aber einschließende Verwandlung1 in die δόξα κυρίου hinein. Diese Christusgemeinschaft ist hier abschließend nicht von ihrer Begründung im stellvertretenden Tod Jesu Christi her angesprochen, und sie thematisiert auch nicht, was vom vorangehenden Kontext durchaus denkbar gewesen wäre, den Gegensatz zum alten Bund und dem tötenden Buchstaben. Diese Verwandlung ἀπὸ δόξης εἰς δόξαν geschieht καθάπερ ἀπὸ κυρίου πνεύματος.

      Die Problematik der Auflösung der beiden den Abschnitt abschließenden Genitive bestimmt die Kommentarliteratur seit jeher. Falls die Übersetzung ‚vom Herrn des Geistes‘ zu rechtfertigen und Herr (= Kyrios) an dieser Stelle auf Jesus Christus zu beziehen ist, dann wäre hier eindeutig ein christologischer Geistbegriff und ein ihm korrespondierendes christologisches Geistverständnis bezeugt. Grundsätzlich werden folgende Möglichkeiten, die beiden Genitive zu interpretieren, diskutiert:2

      1 Es ist πνεῦμα als Gen. obi. von κύριος abhängig (= der Herr, der über den Geist verfügt).3

      2 Das Gen.-Attribut, das dem von einer Präposition abhängigen artikellosen Substantiv folgt, steht gewöhnlich nach (= vom Geist des Herrn).4

      3 Sodann könnte eine Identifizierung in dem Sinne ausgesagt sein, dass πνεύματος eine Apposition im gleichen Kasus (= der Herr, welcher der Geist ist) darstellt,5

      4 oder πνεύματος in Gen. qualitatis ist (= vom Herrn, der seiner Natur nach Geist ist),6

      5 κυρίου ein abhängiger Genitiv von πνεύματος ist (= vom Geist, welcher der Herr ist).7

      6 Schließlich wird erwogen, κυρίου adjektivisch aufzunehmen und an die herrscherliche Stellung des Geistes zu denken.

      Die Frage, ob κύριος christologisch oder theologisch8 aufzunehmen ist, entscheidet sich auch an der Gesamtinterpretation der V. 16–18. Da ein Wechsel im Sprachgebrauch nicht anzunehmen ist, ist κύριος durchgehend auf Jesus Christus zu beziehen.

      Die Frage der Zuordnung der beiden Genitive ist philologisch wohl kaum mit letzter Sicherheit zu entscheiden. Da in V. 17b eindeutig τὸ πνεῦμα κυρίου zu lesen ist, wird Hofius’ Hinweis, dass in V. 18$2Kor 3,18 eine Hypallage vorliegt, die nicht anders als ‚gleichwie vom Geist des Herrn‘ zu verstehen ist, im Recht sein. Der Verwandlungsprozess der Glaubenden auf die δόξα κυρίου hin vollzieht sich in der Macht des Geises Jesu Christi. Der Kyrios ist zwar nicht der Herr des Geistes, aber er wirkt durch den Geist an den Glaubenden.9

      2.6 „Gott sandte den Geist seines Sohnes in unsere Herzen, der ruft Abba, Vater“ (Gal 4,6b$Gal 4,6b)

      Die Auslegung muss die sematisch und syntaktisch verwandte Aussage in Röm 8,15 mit einbeziehen.

Gal 4,6–7a:ὅτι δέ ἐστε υἱοί,ἐξαπέστειλεν ὁ θεὸς τὸ πνεῦμα τοῦ υἱοῦ αὐτοῦεἰς τὰς καρδίας ἡμῶν κρᾶζον, ἀββὰ ὁ πατήρ.ὥστε οὐκέτι εἶ δοῦλος …
Röm 8,15:οὐ γὰρ ἐλάβετε πνεῦμα δουλείς πάλιν εἰς φόβονἀλλὰ ἐλάβετε πνεῦμα υἱοθεσίας ἐν ᾧ κράζομεν·ἀββὰ ὁ πατήρ.

      Der Kontext bietet weitere Parallelen in einem gemeinsamen Wortfeld (vgl. vor allem Röm 8,17a mit Gal 4,7b).1 Nach Gal 4,6 ist der Geist des Sohnes Gottes in die Herzen der Glaubenden gesandt worden, und er vollzieht jetzt den Gebetsruf. Nach Röm 8,15 sind die Glaubenden mit dem Geist der Sohnschaft ausgestattet worden, und dieser Geist der Sohnschaft befähigt sie jetzt zum Gebetsruf an den Vater. Beide Verse argumentieren in ihrem Kontext ausgehend von dem rechtlich bedeutsamen Gegensatz Knecht – Sohn in der Relation zum Vater. Nur der Sohn steht in der Erbfolge.

      Die Argumentation geht allerdings wohl von der Erfahrung und der Faktizität des Rufs ἀββὰ ὁ πατήρ in der christlichen Gemeinde aus. Dieser Gebetsruf verbindet nicht nur unter dem Aspekt seiner Zweisprachigkeit

Скачать книгу