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Blumenkränze, Rebenranken mit vollen, blauen Trauben, und in der Mitte, in einem rosigen Himmelsgrund, Vögel, Schmetterlinge und zwei schöne nackte Engel, die Vergißmeinnicht streuten und freundlich winkten, alles so deutlich, als könne man es greifen.

      Die Mutter schalt wegen des überflüssigen und anstößigen Bildes, wie sie überhaupt an allem, was Bernardo unternahm, gerne etwas aussetzte. Es war aber mehr aus Gewohnheit, und weil sie den Übergang zu einem andern Ton nicht fand. Im Grund war sie froh, die Tochter verheiratet und einen Mann im Haus zu haben, der, so jung er war, doch zum Rechten sah.

      Die Heirat des Sohnes wurde auf der Bargada lang und breit erörtert. Detta wollte darin eine Annäherung Bernardos an die Heimat sehen, Tomaso eher den Beweis, er gebe sie auf, da er, entgegen jedem Brauch, ins Haus der Frau einziehe. Sie führten eifrige Wortgefechte darüber.

      Orsanna hörte stumm zu. Sie hätte allen Grund gehabt, sich zu freuen. War nicht der sehnlich erwartete Augenblick gekommen, den Eltern Giovanni als Schwiegersohn und Ersatz für Bernardo vorzuschlagen? Das Schwätzen der Alten verdroß sie jedoch nur, denn zwischen ihr und dem Jungen stand es nicht zum Besten. Es war gar nicht an der Zeit, den Eltern von ihren Plänen zu sprechen.

      Die zänkische Freundschaft, in die ihre verliebte Lust sich gewandelt hatte, war daran, langsam in Feindschaft überzugehen. Sie glaubte, dahinterzukommen, warum Giovanni sich wehrte, auf den Hof einzuheiraten. Er fürchtete sich, das war es; er fürchtete sich vor dem Unerklärlichen, das sich dem Gerede der Leute nach auf der Bargada begeben sollte. Es entfielen ihm Äußerungen, die verrieten, woher er seine Weisheit bezog: aus der Wirtschaft «Zur Post». Und daß die alte Paulina aus früherer Enttäuschung gegen die Armini hetzte, war nichts Neues. Giovanni, der Dummkopf und Hasenfuß, fürchtete aber auch sie, Orsanna. Seit langem schon bemerkte sie sein wachsendes Mißtrauen. Wollte sie ihn deswegen zur Rede stellen und auslachen, tat er großartig, für wen sie ihn halte, er sei kein altes Weib, dem man Märchen anhängen könne. Wenn auch die Heftigkeit solcher Beteuerungen verdächtig genug war und eher auf das Gegenteil schließen ließ, Orsanna war bereit, zu glauben. Dann fand sich aber ein weiterer Grund, Giovanni gram zu sein. Alda. Ahnung und Verdacht wurden ihr zum Wissen. War der Junge nicht feige, so war er falsch. Ihre Spürnase sagte ihr, daß Giovanni immer öfter in der Wirtschaft «Zur Post» sitze und bald nicht mehr herausfinde, ob es sei, um Alda über die Bargada auszufragen, oder ob er seine Neugierde vorschiebe, um in Aldas Nähe zu bleiben.

      Trotz alledem gab sie die Hoffnung nicht auf, den Widerspenstigen einmal auf den Hof zu zwingen. Vorausschauend veranlaßte sie ihn, ihr in besondern Fällen beizustehen, einen Brief zu schreiben, den der Vater nicht mehr schreiben mochte, eine Angelegenheit zu ordnen, eine Auskunft einzuziehen, so daß er mit allem, was die Bargada anging, vertraut war. Er hatte einst nur hineinzuspringen. Die geheime Sorge, der Bruder könnte auf den Hof zurückkehren wollen, war sie los. An seiner Hochzeit, die sie als Abgesandte der Eltern mitfeierte, konnte sie sich davon überzeugen, daß Bellinda, ein verwöhntes Stadtmädchen, wie es ihr vorkam, nie daran denken würde, Bäuerin zu werden, gar in dem für seine Rauheit berüchtigten Tal. Der Bruder war dem Hof verloren.

      Das Weitere mußte man abwarten. Seit seinem kurzen Besuch zu Hause hatte Bernardo alle Gedanken an die Bargada begraben. Er war mit Bellinda glücklich. Darüber hinaus zählte nichts. Nun war es aber gerade Bellinda, die ihn an einen neuen Besuch zu Hause denken hieß. Schließlich hatten die Eltern das Recht, seine Frau kennenzulernen. Sie würden sich wundern. Und auch Bellinda mußte die Bargada sehen, erfahren, woher er stamme, und auch sie würde sich wohl wundern. Nicht ohne Gewissensbisse dachte er daran, daß er der Frau nie etwas davon erwähnt hatte, was ihn vom Elternhaus wegtrieb und fern hielt. Sie hätte es wissen müssen, nicht? Oder war es überflüssig, sie von Unerfreulichem zu unterrichten, mit dem sie kaum in Berührung kommen sollte? Es war schließlich eine ausgemachte Sache, daß er nie ins Tal zurückkehren würde, um dort zu leben. Und nur wegen des Besuches bei den Alten sie in seine Kindernöte blicken lassen? Besser, weiter schweigen. Er entschloß sich aber, im ersten Frühling ihrer Ehe Bellinda den Eltern vorzustellen.

      Die junge Frau fürchtete sich vor dem Besuch. Es war ihr unmöglich, sich ein Bild von Bernardos Heimat und Leuten zu machen. Er sprach selten von der Bargada und stets in einer abgemessenen Art, die sie einschüchterte. Sie hätte die Reise lieber noch hinausgeschoben, doch Mutter Bice drang darauf, es gehöre sich, endlich die Schwiegereltern zu begrüßen. Im stillen wunderte sie sich schon längst, wie wenig Eile Bernardo habe, seine Frau den Eltern zu zeigen, und fragte sich, wessen er sich schäme, ob Bellindas vor den Eltern oder der Eltern vor Bellinda. Es war Zeit, ins reine zu kommen, und so trieb sie zur Reise.

      Der Tag, an dem das Paar die Fahrt im Postwagen durchs Tal hinauf unternahm, war so schön, die Bargada glänzte schon von weitem so grün und verheißungsvoll, daß die jungen Leute ihre unausgesprochenen Besorgnisse vergaßen und sich der Freude des ungewohnten Reisevergnügens hingaben. Sie hatten sich angemeldet. Vater und Mutter standen vor dem Haus, Orsanna sprang, den Wagenschlag zu öffnen. Bernardo überblickte rasch die Gesellschaft. Er war erleichtert, die alte Giulia nicht zu sehen, als wäre mit ihr alle Bedrohung ferngehalten. Sie tauchte später erst auf, sich zu den Frauen zu gesellen, die entzückt um Bellinda herumstanden und sie bewunderten. Die Stimmung war aber so heiter, daß das befremdliche Aussehen und Gehaben der alten Frau nicht mehr störten. Bellinda fand auch ihr gegenüber den rechten Ton. Von da an nahm die Lustigkeit überhand. Bernardo fragte sich, ob er verzaubert sei oder früher alles falsch gesehen habe. Wo war da unheimlich Düsteres? Seiner überflüssigen Bedenken wegen schalt er sich einen Toren.

      Oder war es bloß Bellindas Frohsinn, der alle Schatten vertrieb, war es ihre rasch entzündete töchterliche Liebe zu Detta, ihr liebliches Staunen über den Familienbesitz, der ihre gewagtesten Erwartungen übertraf? Oder nahmen sich vielleicht bloß alle vor dem Besuch zusammen, um die junge Frau über das wahre Gesicht der Bargada zu täuschen? Er fand die Antwort nicht, aber er freute sich an den ungewöhnlichen Anstalten, die getroffen worden waren, Bellinda zu ehren: Lammbraten, Eierspeisen, Kuchen und Süßigkeiten. Er lauschte belustigt dem eifrigen Ge­spräch der Frauen über Einrichtung und Hauswäsche und genoß stolz die sich immer wieder lärmend äußernde Freude an Bellindas schöner Jugend. Ein Vergnügen, das er sich wahrlich eher hätte leisten können.

      In freien Stunden wanderte er auf dem Hof herum, schaute hier und dort hinein, stieg über die Matten, sie waren mager, besichtigte den Stall, es stand nur noch eine Kuh darin, prüfte und untersuchte. Im Garten wuchs mehr Unkraut als Kraut, hinter dem Haus lagen Abfälle aller Art, verlechte Zuber, Faßreifen, Leitern ohne Sprossen, am Zaun hingen vergessene Wäschestücke, die an der Sonne vergilbten. Vieles war nicht in Ordnung, und er nahm sich vor, Orsanna darüber zur Rechenschaft zu ziehen. So konnte die Wirtschaft nicht weitergehen. Vater und Mutter waren zu alt, sie leisteten nicht mehr viel. Ein Knecht mußte eingestellt werden.

      Als er die Schwester zufällig im Heustock traf, fing er gleich von dem zu reden an, was ihn beschäftigte.

      «Was kümmertʼs dich?» fragte Orsanna scharf. «Schau du zu deiner Sache!»

      «Eben, ich schaue dazu», gab er deutlich zurück.

      «Ich glaubte, zu wissen, deine Sache sei das Anstreichen», sagte sie spöttisch, «das Anschmieren!»

      «Was nicht hindert, daß das da alles doch meine Sache ist!» Sein Ton klang herausfordernd, und Orsanna schwieg. «Also wird ein Knecht eingestellt?»

      «Der Knecht will Lohn, Essen, Kleider. Es schaut heute knapp genug heraus für uns … Nicht ein Knecht fehlt hier, ein Meister», sagte sie frech. «Soll ich für einen Meister sorgen?»

      Bernardo wußte nicht, was aus dieser Antwort schließen. Er war betroffen. Gewiß, ein Meister wäre nötig, und er hätte Meister zu sein. Aber er, er wollte hier nicht Meister sein. Er zog es vor, unter fremden Leuten ein fremdes Handwerk zu betreiben. Als ertappe er sich auf einer Schuld, war er betreten, und von Kind her gewohnt, Orsannas stichligen Reden auszuweichen, ging er ohne ein weiteres Wort davon. Seine gute Stimmung war dahin.

      Er mochte jetzt niemandem begegnen und wanderte langsam, wie früher als Bub, wenn ihn etwas bedrückte, zur Fuchsenbrücke, um sich dort ans Geländer zu lehnen und zu überlegen. Was hatte vorhin

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