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auf, stolpert dabei ein wenig in den Stiefeln des Großvaters, das lange, dunkle Haar rutscht ihr unter dem Hut hervor, sie sucht es zurückzustecken, schaut dem Senftl fest ins Gesicht und erwidert bescheiden:

      »Wir sind koa Bagasch, Senftl, des wissen Sie genau, und wir befolgen ansonsten auch alle Ihre Erläss’. Bloß grad heut …«

      Weil sie, während sie redet, den Simmerl mit einem ganz kurzen Blick streift, argwöhnt der Senftl sofort:

      »Ah so, des is a Komplott! Ah so? Hast du mir des eing’rührt, Herr Hofjäger?«

      »Der Simmerl kann nix dafür«, wiegelt das Marei tapfer ab. »Des is mir ganz von allein eing’fallen. Weil doch der Gendarm, der Loichinger, der wo die Treiber aufnimmt und einweist, a so schuiklert und kurzsichtig is, hab i mir denkt, probierst es amal, verdienst dir die fuchz’g Kreuzer, den Tag.«

      »Du Anten, du freche!«, schreit der Senftl sie an, und er hätte seiner Empörung noch weiterhin Luft gemacht, wäre nicht just in dem Augenblick der Flori gelaufen gekommen, um, ein wenig atemlos, zu vermelden:

      »Senftl, an schön’ Gruß vom Prinz Carl, und Sie solltertn glei umi zur G’sellschaft, samt dem Herrn Hofjäger Simmerl! Und nach ’m Brandner hat er auch g’fragt! – Hö, was is denn da g’schehn? – des is ja ’s Marei …«

      »Ja, das Marei!«, funkelt der Senftl, »dei Herzi, unbotmäßig, keck und ohne Respekt für die Obrigkeit. Aber des sag i dir, Madl, koan Kreuzer kriegst du für den heutigen Tag, für des sorg i. Und i überleg mir überhaupts noch, ob i net Anzeige mach gegen dich, wegen Verbotesmissachtung, und …«

      »Und – was? Gar nix macha Sie!«

      Der Flori schiebt sich, fest und bestimmt, mit breiten Schultern zwischen den Schimpfenden und das geängstigte Mädchen. »Aber scho gar nix! Des braucht’s net, dass Sie des Mädel so anplärrn, ham S’ mi verstanden?«

      Der Senftl schluckt und bringt gegen diesen Beschützer der Unschuld nur ein mattes: »Ja, wie traust di denn du mit mir reden?«, heraus.

      »Nix für ungut«, beschließt der Flori die Zurechtweisung, »aber a so a Schreierei z’wegs einer solchen Lappalie, des is koa G’hörtsi.«

      Die Augen des Senftl glühen gefährlich auf, während er Luft holt:

      »So, des waar koa G’hörtsi, aha? – Brav, a so mag i ’s! A meiniger Fuaderknecht möcht mir Manieren befehlen, taat mi abkanzeln vor alle Leut – hätt den Fiduz, dass er si auflehnert gegen sein’ eigenen Brotherrn! Was buidst dir denn du ein, Bürschei? Aber pass auf, i sag dir was Schön’s: Du bist ausg’stellt, und zwar auf der Stell!«

      Das schlägt ein. Die Kündigung als Quittung für ein mutiges Wort? Das Marei ruft ganz verzweifelt:

      »Vom Dienst jagen, mitten unter’m Jahr? Des is net Ihr Ernst, Senftl! Sowas tut ma doch net!«

      »I wer’ mi geniern! Ich jag an jeden davon, wenn’s mir so passt! Und weil mir der Kerl, der freche, scho lang nimmer passt – basta und aussi, fort ohne Schaden! Er braucht gar nimmer kemma auf mein Hof! Sein’ restlichen Lohn b’halt i ein, weil er Schulden g’nua hat bei mir. Dir werd i ’s lerna, wiest du reden muaßt mit Respektspersonen!«

      Er ist keinem Einwand zugänglich. Auch nicht, als der Simmerl und das Marei gemeinsam ihn bitten, sich noch einmal zu bedenken, es sei nicht böse gemeint gewesen. »Nix, nix, nix«, schreit er und säbelt mit den Händen durch die Luft. »Er ist und bleibt ausg’stellt! Basta damit!«

      Da ertönt ein Lachen. Der Kaspar hockt noch auf dem Holzstoß, hat seine Pfeife angezündet, dem Streit zugeschaut, schüttelt tadelnd den Kopf und amüsiert sich. Der Senftl kann nichts anderes glauben, als dass der Schuss den Alten um den Verstand gebracht hat.

      »Spinnst jetzt du vollends? Du bist schwer verwundet, rauchst wie a Schlot, beutelst dein’ Belli – und was gaab’s da zum Lachen?«

      »Entschuldige schon, Senftl, aber es is gar zu g’spaßig, wie er dir wegen am jeden Schmarren gar a so schön stinkt! Spannst denn du nie, wenn was a Gaudi is und sonst nix? Verstehst net: Das Marei hat sich an G’spaß g’macht! – net mit dir! Mit dem schelchaugerten Loichinger und mit’m Simmerl dazua – und du rumpelst drauf rein, wo’s dich doch gar net betrifft. Da brauchst di net wundern, wenn ma di diam derbleckt.«

      »Ja, derblecken, des is alles, auf was sich die Brandnerische Sippe versteht!« Der Senftl mag nicht von seinem hohen Ross herunter und käme sich windig vor, wenn er mitlachen würde. »Derblecken, so wie du damals mein’ Vater!«

      »Geh, die uralte G’schicht’!« winkt der Brandner ab. »Des is über fuchz’g Jahr her, dass ich mir mit dem den sellen G’spaß erlaubt hab.«

      »Aber vergessen is’ net, deine Untat! Die Leut reden heut noch davon, und des verzeih ich dir nie! Freilich, für dich waar ’s ganze Leben a G’spaß, des is allbekannt«, geht der Senftl ihn immer härter an, sodass der Söllmann sich aufsetzt und zu knurren beginnt. Der Wütende achtet nicht darauf.

      »Aber dir wird noch das Lachen vergehn, wenn i Ernst mach und klag alles ein, was du mir schuldest. Dann is’ aus! Dann heißt’s ’naus aus deim Hof, dann stehst auf der Straß, mitsamt dei’m gaudigen Enkelkind da! Dann könnts alle zwoa ’as ganze Jahr Maschkra laufen, als Bettelleut nämlich von einer Ortschaft zur ändern, und schau’n, wo’s ihr bleibts! – Ich bin ganz g’wiss die Langmut und Nachsicht in Person, aber was z’viel is, is z’viel – und wehe, mir reißt die Geduld! Wehe!«

      Die Geduld reißt dem Söllmann. Er meint seinen Herrn verteidigen zu müssen, er greift an, packt sich den Senftl, springt an ihm hoch, erwischt sein Gewand, zerrt einen Fetzen heraus vom Gilet und ist vom Brandner kaum mehr zu halten.

      Der Gebissene schreit, schlägt um sich, läuft, was die Beine hergeben, bleibt in der Entfernung noch einmal stehen und brüllt, krebsrot im Gesicht, seine Kriegserklärung herüber:

      »Des werd’s ihr mir büßen, ihr Krattlergesindel! Simmerl, geh her da! Dass i dich nie mehr derwisch mit dene Leut! Ihr sollt’s alle noch denken an mich!« – und rennt fort.

      Dem Simmerl ist dieser Auftritt am ärgsten. Er muss dem Oheim folgen und mag ihm nicht folgen.

      Er muss das Marei hier lassen und mag es nicht lassen. Schon gar nicht beim Flori, der sich so ritterlich aufgeführt hat, wo er, der Simmerl, nur schweigend daneben stand. Er möchte sich um den Kaspar kümmern und muss gehorsam zum Prinzen eilen, wenn der nach ihm schickt.

      Ihm ist elend zumut. Nach ein paar Schritten schaut er hilflos zurück:

      »Sollt i dich nochmals tragen, Kaspar, bis abi?«

      »Naa naa, Simmerl, dankschön, i geh gut auf meine eigenen Füß. Ich hab vorhin a bissei Komödi g’spielt und mir a wengerl an G’spaß g’macht mit dir – derfst mir net gram sein.«

      »Woher denn. Ich versteh ja an G’spaß«, antwortet der Simmerl traurig. »Was is, geh ma mit’nander, oder kommt’s ihr mir nach?«

      »Geh nur voraus, wir säumen net lang.«

      Die drei schauen ihm nicht hinterher, wie er trotzig davongeht, ohne sich umzusehen. Sie sitzen versonnen, und jeder überlegt vor sich hin. Der Kaspar setzt die Pfeife umständlich in Brand, ohne wahrzunehmen, was er tut. Nicht die Senftlische Drohung bedrückt ihn, nein, da ist ein dumpfer Schmerz über den Augen, und fließende Farben wechseln vor seinem Blick. Das macht ihn unsicher, das beobachtet er wie ein ungewohntes Naturschauspiel.

      Der Flori fragt in das lange Schweigen hinein:

      »Kann denn der Senftl euch wirklich ’nausteufeln, so, wie er sagt?«

      »Rundum gehört eh schon bald alles sein«, erwidert das Marei bedrückt, »bis ’nauf zur Neureuth, zum Dr. Senger, zum Westerhof, und abi bis in die Grund vom Pfliegelhof. Viel is nimmermehr übrig für uns, im Albachtal.«

      Der Kaspar kneift die Augen zusammen, weil das Sirren und Klingen im Schädel, auf das er eine Weile

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