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weil ja der Kaspar da hinten wie ein Sack auf ihm lastet. Er muss sich Gewehr- und Rucksackriemen, albern genug, von vorn her über den Kopf auf den Nacken ziehen, sodass sie ihm störend und ungewohnt vor der Brust pendeln.

      »Glump, varreckt’s«, knirscht er, und der Alte mahnt ihn mit schwacher Stimme zu alledem noch:

      »Wackel net so umanand wie der Schwoaf von der Kuh, sonst kann i mich mit mei’m Schwindel net halten und fall abi, sei so freundlich.«

      Der wütend-verzweifelte Simmerl packt mit den Pratzen den Kaspar so fest in den Kniekehlen, dass die Rutscherei auf dem Rücken ein End haben muss, der Alte ruft fröhlich: »So passt’s, auf geht’s – hüah, alter Schimmel« – und der Herr Hofjäger in seiner Jagdlivree tappt brav und ergeben mit seiner ächzenden Last bergab, wobei ihm bei jedem Schritt Gewehr und Rucksack auf die Brust schlagen und der unzufriedene Söllmann ihn, unaufhörlich bellend, kämpferisch immer wieder von allen Seiten her anspringt.

      »So is es brav«, lobt der Brandner.

      »Halt du bloß dei Mäu, ehvor dass i grantig werd«, keucht es zurück.

      Der Simmerl hofft inständig, dass ihnen niemand begegnet und dass er den Alten nahe dem Sammelplatz irgendwie ungesehen loswerden kann. Das aber ist ihm nicht beschieden. Keine zweihundert Schritte vor dem Ziel kommt ihm, ausgerechnet, der emsige Senftl entgegen, reißt seine glühenden Augen weit auf und plärrt:

      »Ja, gibt’s denn des aa! – I glaub, i träum! – Darf ich mir die ergebenste Frage erlauben, ob Hofjäger neuerdings ’as Hutschpferd machen für alte Krattler?«

      »Plärr net a so«, fleht der Simmerl, weil er zwischen den Stämmen erkennt, wie in einiger Entfernung etliche Jäger, Treiber und Gäste aufmerksam werden, herschauen und Miene machen, herüberzuschlendern.

      »Er kann net gehn. Er hat an Streifschuss derwischt.«

      »So? Wo?«

      »Am Ohr.«

      »Aha! Und seit wann geht der auf die Ohren«, höhnt der Senftl und sieht missbilligend zu, wie der Simmerl versucht, den Alten vom Rücken zu schütteln. Der aber hält sich dort eisern fest.

      »Schwindlig is ihm«, erklärt er verlegen, was den Senftl zu einem spöttischen Lachen veranlasst:

      »So? Dem? Dem seine Schwindel kennt a jeds in der Gegend. Dem machst doch du grad den Kasperl. Schau nur, wie der fürizahnt, der Spitzbua, der o’drahte!«

      Der Simmerl schielt zur Seite und sieht dicht neben sich das grinsende Antlitz des Brandner über seiner Schulter. Es schwant ihm, dass er wirklich den Kasperl abgibt, und als der Brandner lächelt und säuselt: »So viel schwindlig«, da schmeißt er ihn vom Rücken herunter, um die Blamage los zu sein. Der Söllmann springt daraufhin gleich mit allen vieren in die Höhe, wähnt sich von Feinden umgeben, hat noch jemanden, den er nicht mag, zum Anbellen gefunden, und geht waffend los auf den Senftl.

      »Pfeif gefälligst dei’ Raubersviech da z’ruck«, schreit der Spötter geängstigt und flieht ein paar Schritte zur Seite. Da sieht er, wie der Brandner gemächlich die Kirschgeistflasche des Simmerl aus seiner eigenen Rocktasche hebt und sich erneut eine Stärkung genehmigt:

      »Ah, brav – und dein’ Schnaps hat er aa scho, der alte Dadädl!«

      Der hilflose Simmerl raunt, um zu begütigen und sich zu entschuldigen:

      »Wenn’s mein Schuss g’wesen wär, der ihn g’streift hat, muss ich doch …«, doch dieses Bekenntnis bringt ihm nur weiteren Hohn ein:

      »Dein Schuss, ja da schau her, aha, soso. Und du ›muaßt‹! Ja, freilich. Du ›muaßt‹ ja auch dem Hirschn hinterherschießen, der dem König gehört, und ihn net amal treffen – net amal des! Der Prinz Carl hat a Wut auf dich, verlangt dringlich nach dir, und wer is net da? Du! Du musst ja zahnluckerte Spitaler spazieren tragen am helllichten Tag!«

      »Was sollt i denn machen?«, plärrt der hilflose Jäger zurück.

      »Ja, nix mehr«, giftet der Senftl ihn an. »Hast ja scho alles g’macht, was ma verkehrt machen kann, du Prachtexemplar! – Weißt wenigstens, wo der Hirsch ’naus is? Des könnt deine Rettung sein, wennst du des wissertst! –«

      Der Simmerl hat keine Idee. Er schlenkert den Arm und deutet vage zur Holzeralm: »No, wo wird er sein. Da nauf is er – vermutlich.«

      Darauf antwortet der Senftl ihm gar nicht erst, sondern tritt funkelnden Auges dicht vor ihn hin, sticht ihm, wie es so seine Art ist, den Zeigefinger hart in die Brust und höhnt in übel wollender Sanftheit:

      »Freilich, jaja, da ’nauf is er, so wird’s sein. Des meldst jetzt den hohen Herrschaften. Wörtlich und genau in dem Ton. Dann sagst es noch auf Französisch, damit der König von Belgien und sei Töchterl auch eine Freud ham – und dann suchst dir a andere Arbeit – im Fall, dass d’ noch eine findst, im rechtsrheinischen Bayern, du Preisschütz.«

      Auf den Kaspar scheinen die beiden vergessen zu haben. Der hat sich inzwischen auf einen Holzstoß gesetzt und genießt schmunzelnd den Zank. Der Söllmann ist still zu seinen Füßen gelagert und horcht erst wieder auf, als von unten das Halali der Hörner das Ende des Jagdtages kündet.

      »Malefiz«, sagt der Senftl. »Die Herrschaften dürfen den Ang’schossenen da nicht zu Gesicht kriegen. Das fehlert grad noch, das verdürb ihnen vollends den Tag, und ich wär am End wieder schuld!«

      »Ich bring ihn heim«, sagt der Simmerl.

      »Naa, du net. Du g’wiss net«, kommt es verächtlich zurück. »Du wärst es bei deiner Geschicklichkeit imstand und kutschierertst ihn pfeilgrad in’ See eini, dass er dersauft. Naa naa, und sowas is a Verwandter zu mir – a Sohn von am meinigen Basl!«

      So ist es. Die Mutter vom Simmerl ist der Senftlsippe verwandt. Darum kann er ihn abkanzeln wie einen Abc-Schützen, ohne dass der es wagen darf, sich wirksam zu wehren. Dieserhalb wäre es auch dem Senftl zupass gewesen, wenn eine Hochzeit mit dem Marei hätte stattfinden können, weil so der Brandnerbesitz an die Senftlfamilie gelangt wäre. Wer weiß, am End war die solenne Feindschaft gegen den Kaspar nur die Folge davon, dass daraus nichts werden konnte, weil der Simmerl zu dieser Hochzeit nicht taugte. Zudem hatte der Senftl, der seine Nase in alles steckte, längst erfahren, dass sich zwischen dem Mädchen und dem Futterknecht in seinen Diensten, dem Florian Högg, etwas anspinnt. Auch das ist ihm nicht recht, aber was ist dem Senftl schon recht, was andere tun. –

      Er entscheidet: »Den Brandner bringt irgendwer heim, unauffällig und hint ’rum«, und ruft einen Treiber an, der ahnungslos durch den Wald kommt:

      »Heda, du – Bursch! – Ja, dich mein ich, hörst du net? – Geh amal zuawi, gefälligst.«

      Der Angerufene ist von zarter Gestalt und trägt ein zu großes, schlotterndes Gewand, grobe Stiefel und einen Tegernseer Stopselhut, der ihm fast über die Ohren rutscht. Er zögert und kommt nicht ›gefälligst zuawi‹. Er scheint den Brüller zu fürchten.

      Der Kaspar schaut um, erkennt, wer es ist, und widerspricht augenblicklich: »Lass den Burschen in Ruh. Ich brauch neamds, i find scho alloa heim.«

      »Nix da! Wenn ich a Anordnung treff, wird die befolgt! – Was is, kommst du jetz her, oder sollt ma dir a schriftliche Einladung schicken? Horch zu, du schaffst mir den Brandner da weg, der is ang’schossen.«

      Das trifft die kleine Gestalt wie ein Blitz: »Ang’schossen? Wo is er?«, ruft das Krischperl mit hoher, kindlicher Stimme und läuft eilends herzu.

      »No, da flackt er. Und außerdem – hast eppa du den Malefizhirschen gesichtet? Du, oder einer von die anderen Treiber? Was is, krieg i koa Antwort? Kannst du net reden?«

      Die kleine Gestalt hört nicht hin. Sie hockt sich neben den Kaspar, sie redet leise und voller Besorgnis mit ihm, und der Söllmann schnüffelt vertraulich an ihr herum. Der Simmerl erkennt es als Erster, wer das Krischperl in Wahrheit ist, und gleich darauf erkennt es der Senftl. Er staunt nur so:

      »I glaub, i träum! – ’s Marei!

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