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läuft herzu, kniet nieder und wendet den Alten um. Der ist gar nicht tot, seine Augenlider flattern. Der Flori richtet ihn auf und bringt ihn zu sich.

      »Brandnervater, geh zua, mach keine G’schichten, wach doch auf! Was is dir denn g’schehn?«

      Der wälzt und ringt sich aus der Betäubung, und als er endlich die Augen aufgebracht hat, stöhnt er:

      »Herrschaftszeiten … der Flori! Bist du der sell Schwarze?«

      »Was für a Schwarzer? Bist net am Zeug? A Schuss hat dich g’striffen, da am Schädel, am Ohr. Es bliat no …« Die Kugel ist sichtbar am Filz des alten verbeulten Hutes abgeglitten, hat ihn aufgerissen und den oberen Rand vom Ohrwaschel erwischt. Da läuft helles Blut aus der Wunde. Der Flori tastet vorsichtig.

      »Ouh, du, des war haarscharf! Da kannst fei a Kerzen stiften zum Dank. Oa Alzerl daneben, und du wärst nimmermehr da.«

      Der Alte ist noch ganz dasig.

      »Einen Schuss in der Näh hab ich grad noch vernommen, aber was danach g’wesen is, Flori … des war mehra wie g’spaßig«, murmelt er und rappelt sich mühsam empor auf die Füß. Er beutelt den Schädel, tappt sich ans Ohr und schaut kopfschüttelnd auf das Blut an den Fingern.

      »G’spürst was? Is dir net extra? Draht sa si vor deine Augen oder so eppas?«, fragt der Flori besorgt.

      »Naa naa, nixi. I bin aufm Posten, es tut net amal weh. Grad so a g’spaßiges Singen und Zirpen hab i im Schädel«, erwidert der Brandner wie in Gedanken, fingert sein Sacktuch heraus und presst es aufs Ohr.

      »Wer schießt da auf mich und verschwindt … und warum? I kann mir des all’s net so recht z’ammadipfin …«

      »Hast den Schützen denn g’sehen?«

      »Ja. Nein. Glaub scho. I bin mir net g’wiß.«

      »Hast ’n net ’kennt?«

      »I moan, net. A ganz a schwarz ang’legter Kerle könnt’s g’wen sein.«

      »A Jager, a fremder, von die Belgischen einer?«

      »Wär gut möglich.«

      »Solchene Lalli g’hörert a Lehre verpasst für den Leichtsinn! Schießen, wenn Leut davor san!«

      Von unten tönt soeben das Hornsignal ›Hirsch tot‹ und danach das wilde Geschrei und Getön. Ein Vieh bricht in der Nähe durchs Holz, läuft bergan, Schüsse fallen, und gleich darauf schreit wer:

      »Hö, wer strawanzt da umanander im Schussfeld!«

      Der Brandner horcht auf:

      »Des is doch der Simmerl –«

      »Der sell Jager vom Prinzen? No, von dem is’ bekannt, dass er schießt wie a Wildsau, wenn sich wo was rührt. Ob ’s am End der war, der dich derwischt hat?«

      Ein Fehlschuss des eifrigen Haller Simon? Gewiss, der schwarzschädlerte Bursch war ständig bemüht, durch besondere Tüchtigkeit sich beliebter zu machen, als dies seinem verschlossenen, etwas groben Wesen beschieden war. So brav er auch war und obwohl er sich nie einen Tadel verdiente, er hatte es immer schwer gehabt, Freunde zu finden und fröhlich zu sein. Er musste sich eine jegliche Anerkenntnis sauer erringen. Gut möglich, dass er im Eifer und um sich hervorzutun blindlings dem flüchtigen Hirschen nachgeschossen und dabei den aufrecht stehenden Brandner übersehen hatte.

      »Der Simmerl?«

      Ein winziges Lächeln zieht um den Mund des Alten. Er schaut listig zum Florian hin:

      »Du meinst, dem sollt ma auf alle Fälle die Lehre erteilen?«

      »Dem ganz g’wiß. Wurscht, ob er ’s war oder net. Eh ’s ’n zerreißt, vor lauter Bedeutung, die er sich einbild’t.«

      Der Brandner, das Schlitzohr, von dem allbekannt ist, dass er keine Gelegenheit vorbeigehen lässt, jemandem einen Streich zu spielen, feixt:

      »Guat, tratz ma ’n a bissei. Pass gut auf und spiel mit. Des gibt a Gaudi!«

      Er reckt das Ohr hin und fragt: »Bliat ’s noch?« Und als der Flori nachschaut und nickt, zwinkert er zufrieden, legt sich gestreckterlängs auf den Boden und beginnt recht zu jammern: »Ah ah – au au«, und, als sei er eingeweiht und spiele mit, hebt der Söllmann wiederum herzzerreißend zu winseln an und tänzelt mit krummem Rücken um ihn.

      Der Simmerl taucht am Rande der Lichtung auf, schreit herüber: »Seids ihr denn narrisch, dass ihr im Schussfeld …«, erblickt die Gestalt auf dem Boden und rennt erschrocken herzu:

      »Brandner, was is denn?«

      Der Flori zieht die Augenbrauen recht weit hinauf: »Taat er noch fragen. Statt dass er a Brillen aufsetzert, ehvor dass er ’s Gewehr in die Hand nimmt.«

      »I hab bloß dem Hirschen hinterhergschossen«, stammelt der Simmerl.

      »– und an alten Dackel getroffen, au au.«

      Der Simmerl kniet und betrachtet die Wunde: »Da ham ma, scheint’s, grad noch a Massl g’habt. Schlimm schaut’s net her.«

      »Aber schwindlig is mir, so vui schwindlig«, wimmert der Alte und rollt in gespieltem Schmerz den Kopf hin und her.

      Der Simmerl ist einen Atemzug lang ratlos. Dann wirft er den Rucksack von seiner Schulter: »Wart, ich verbind dich«, zieht ihn auf, kramt herum und bringt Leinzeug und Charpie heraus.

      »Gell«, feixt der Flori gelinde, »so a ganz a sicherer Schütz hat allerweil a Verbandszeug im Sack, is ’s net so?«

      »Du musst mi ausspotten, du Ratschenbertl, du windiger Treiber«, knurrt der Simmerl, hebt eine helle, eckige Glasflasche aus dem Sack, korkt sie auf, schüttet ein wenig über das Linnen und tupft damit auf der Wunde herum. Ein zarter Duft breitet sich aus.

      »Ui, is des wahrhaftig a Kerschgeist?«, fragt der Brandner und windet sich nicht mehr und ächzt auch nicht weiter.

      »Freili. Des Beste, dass die Wunde sich schließt.«

      »Geh, aber äußerlich is es doch ewig schad um a selchterne Kostbarkeit. Gebertst mir besser a Schlückerl für einwendig, zu meiner Stärkung, gegen mein’ Schwindel, verstehst.«

      »Von mir aus.«

      Der Kaspar schnuppert, ehe er trinkt, und bezeigt Überraschung: »Uh, der is aber was ganz was Rar’s, kimmt mir für. An sowas kommt unsereins sonst net so leicht. Wo hast denn den her?«

      »A Wurzer-Burgl’scher is’, a G’schenk vom Prinz Carl.«

      »An dich?«

      »Ja, an mich.«

      »Da schau her. Für Verdienste am End?«

      Der Simmerl bemerkt nicht den Spott, sondern ist stolz: »Ja, für die heutige Jagdausrichtung.«

      »Na mach i mei’ Gratulation und dank dir, dass du die Kostbarkeit teilen willst mit mir. Vergelt’s Gott, Simmerl.«

      »G’segen’s Gott.«

      Er verbindet mit Sorgfalt den Schädel und merkt in der Pflicht nicht, wie viel auf einen einzigen Zug, grinsend, genüsslich, der Alte aus seiner Flasche heraustrinkt. Im Eifer entgeht ihm auch noch, dass hinter seinem Rücken der Flori einen gewaltigen Zug tut, eh er dem Kaspar die Flasche zurückreicht. Der setzt abermals an, um sich noch mehr zu vergönnen, da schreit schon der Simmerl: »Hö – net a so viel! Der ist kostbar! Und b’suffa bal dich die Herrschaften finden –«

      Der Flori macht recht kummervolle Augen her und derbleckt den Jäger im Jammerton: »Simmerl, bedenk doch, wie groß dass der Schwindel vom Kaspar is, vermutlich durch deine eigene Schuld –«

      Das ist zu viel. Da fährt er auf und rückt ihm nah auf den Leib: »Du, sei net so frech, du Lauser, und schmatz da net so a Zeugs umanander. Lauf lieber ’nunter zur Gesellschaft und vermeld, dass ich aufg’halten bin, für den Moment!«

      Der

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