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Frau zusammengeschlossen. Mit dabei war erstmals auch der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF), allerdings fehlte der SGF. Auch die Gegnerinnen hatten sich neu organisiert: im Bund der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht. Diese Organisation war dauerhafter als die früheren, sie blieb zwischen 1958 und 1971 aktiv.90 Anders als die Befürworterinnen optierte sie für eine nicht gemischte Mitgliedschaft. Die Frauen sollten ohne Männer in der Öffentlichkeit auftreten, um die Sichtweise zu begünstigen, dass die Frauen das Stimmrecht nicht wollten. Die Männer, die sie unterstützten und berieten, sollten eigene Unterstützungskomitees bilden. Es war allerdings einer ihrer männlichen Verbündeten, der katholisch-konservative Nationalrat Karl Hackhofer (1904–1977), der an der zweiten Sitzung des gegnerischen Frauenkomitees erklärte, wie taktisch vorzugehen sei: «Ein Männerkomitee bestehend aus Mitgliedern aller Parteien ist in Vorbereitung. Wir müssen zusammen arbeiten, aber nicht nach aussen. Unsere Hauptaufgabe muss darin bestehen, unsere Stimme überall hörbar zu machen, den Mythos, die Frauen seien jetzt dafür, zu zerstören.»91

      Eine nationale Niederlage und drei kantonale Erfolge

      Trotz der hohen internen Mobilisierungskapazität der Befürworterinnen fiel das Abstimmungsergebnis am 1. Februar 1959 negativ aus. Mit 66,9 gegen 33,1 Prozent der Stimmen war es eine immense Niederlage. Nur die SP und der LdU hatten die Ja-Parole ausgegeben, der Freisinn und die CVP Stimmfreigabe, die BGB die Nein-Parole. Während die dem Liberalismus nahestehenden Zeitungen wie die NZZ und das Journal de Genève sich für das Frauenstimmrecht aussprachen, äusserten sich das führende katholische Organ Vaterland wie auch der Walliser Bote und der Appenzeller Volksfreund dagegen. In der lateinischen Schweiz hingegen befürworteten auch die katholische La Liberté und das Giornale del Popolo die Vorlage. Die Frauenverbände und ihre Presse ihrerseits waren um grosse Sachlichkeit bemüht gewesen.92

      Auf lokaler Ebene zeigten die Abstimmungsergebnisse eine auffällige Tendenz: die Verschiebung der Unterstützung des Frauenstimmrechts von den Arbeiterschichten zu den Angestellten und Teilen des Bürgertums. Die von Peter Frey analysierten Zahlen beziehen sich zwar nur auf die Städte Zürich und Genf, doch ist zu vermuten, dass sie einen allgemeinen Trend repräsentieren. In Zürich überholten die bürgerlichen Kreise nun die Arbeiterkreise, und insbesondere den Kreis 5, der bis dahin die höchsten Zustimmungsraten aufgewiesen hatte. Die Entwicklung setzte bei der kantonalen Abstimmung von 1954 ein und beschleunigte sich 1959. Während in den Kreisen 4 und 5 die Zustimmung zum Frauenstimmrecht nur um 2 Prozentpunkte stieg, erhöhte sie sich in den bürgerlichen Kreisen 2 und 7 um 12 respektive 17 Punkte.93 Auf der Basis etwas weniger konsolidierter Daten weist die Stadt Genf eine similäre Entwicklung auf, allerdings weniger deutlich und leicht zeitverschoben. 1953 zeigten die Arbeiterkreise noch die vergleichsweise höchsten Zustimmungsraten, 1959 und 1960 wurden sie von den relativ jungen Kreisen mit hohem Anteil an Angestellten und Kadern überholt.94

      Auf nationaler Ebene zeigten die Abstimmungsresultate ein West-Ost-Gefälle. Während sich in den Kantonen Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden der Ja-Stimmenanteil auf 4,9 respektive 15,5 Prozent belief und in St. Gallen und Thurgau auf 19,3 respektive 19,9 Prozent, befürworteten drei Westschweizer Kantone das Frauenstimmrecht auf eidgenössischer Ebene: Genf mit 60 Prozent Ja-Stimmen, Neuenburg mit 52,2 Prozent und Waadt mit 51,3 Prozent (siehe Karte 4, S. 194). Der Kanton Waadt stimmte gleichzeitig über die Einführung des Frauenstimmrechts auf kantonaler und kommunaler Ebene ab. 52,6 Prozent der Stimmberechtigten sagten Ja. Neuenburg folgte am 27. September 1959 mit 53,6 Prozent, Genf am 6. März 1960 mit 55,3 Prozent Ja-Stimmen.

      Es stellt sich die Frage, wie es dazu kam.

      Die Abstimmung im Kanton Waadt fand auf Vorschlag des freisinnig dominierten Regierungsrats statt. Nachdem er 1957 dem Parlament einen diesbezüglichen Bericht vorgelegt hatte, diskutierte die Legislative am 14. Mai 1958 das «projet de décret», in dem es um Folgendes ging: «[…] d’accorder aux femmes l’égalité politique complète, c’est-à-dire le droit de voter et d’être élues tant sur le plan cantonal que sur le plan communal.» Der Regierungsrat begründete die Verfassungsänderung in erster Linie mit einem föderalistischen Argument. Mit Blick auf die eidgenössische Abstimmung vertrat er die Ansicht, dass es mit dem föderativen Aufbau des Schweizer Staats nicht konform wäre, auf nationaler Ebene ein neues Prinzip einzuführen, das auf kantonaler Ebene fehlte: «Il ne serait dès lors guère conforme à la structure fédérative de notre état que la Constitution fédérale pût consacrer, comme le résultat d’une évolution accomplie des mœurs, un principe qui ne trouverait son expression dans aucun des cantons de la Suisse.» Der Regierungsvorschlag sollte die richtige Ordnung wiederherstellen («rétablir l’ordre normal des choses») und politische Inkohärenzen vermeiden.95 Regierungsbericht und Verfassungsänderungsvorschlag passierten den Rat fast ohne Widerstand. Nur ein Ratsmitglied opponierte, während sich 13 Grossräte dafür aussprachen und ein Grossrat ambivalent Stellung nahm. Politiker der sechs grossen und grösseren Parteien engagierten sich im Abstimmungskomitee. Mit Ausnahme der rechtsextremen Ligue Vaudoise, die im Kanton gut verankert war, sprachen sich alle Parteien, ob aus Überzeugung oder politischem Kalkül, für die Einführung des Frauenstimmrechts aus. Die Stadt Lausanne befürwortete es sogar mit 65,5 Prozent Ja-Stimmen.96

      Im Kanton Neuenburg bedurfte es mehrerer Motionen, bevor der Regierungsrat auf das Geschäft eintrat. Er tat dies erst, nachdem eine Mehrheit der Kantonsbürger im Rahmen der eidgenössischen Abstimmung im Februar 1959 das Frauenstimmrecht befürwortet hatte und bereits am nächsten Tag je eine Motion der Liberalen Partei, der rechtsbürgerlichen Parti progressiste und der PdA eine Abstimmung über das integrale Frauenstimmrecht auf kantonaler Ebene verlangte. Sie addierten sich zu den bereits anderthalb Jahre früher eingereichten Motionen der SP und der FDP. Die drei bürgerlichen Parteien (Freisinn, Liberale und Parti progressiste) konnten sich jedoch nicht zur Ja-Parole durchringen, sondern beschlossen Stimmfreiheit! Das Abstimmungsresultat zeigte ein klares Stadt-Land-Gefälle. Das Gewicht der Städte (Neuenburg, La Chaux-de-Fonds, Le Locle) war entscheidend. Eine Besonderheit von Neuenburg lag darin, dass nun auch die im Kanton wohnhaften Ausländerinnen auf kommunaler Ebene das Stimmrecht erhielten!97

      Im Kanton Genf begann sich die lokale Sektion des SVF nach der erfolgreichen Konsultativabstimmung der Frauen im November 1952 und der erneuten Ablehnung des Frauenstimmrechts durch die männlichen Stimmbürger ein halbes Jahr später, am 7. Juni 1953, zögerlich zwar und mit internen Differenzen, zu radikalisieren. Erstmals seit den 1920er-Jahren griffen die Stimmrechtsaktivistinnen wieder zu öffentlichen Handlungsformen wie einer Flugblattaktion vor den Abstimmungslokalen, einem Boykottaufruf an die jungen Frauen zur Zeremonie für die Jungbürger (promotions civiques) sowie einer öffentlichen Gedenkveranstaltung ein Jahr nach der Konsultativabstimmung der Frauen. Nach der Gründung der Arbeitsgemeinschaft der schweizerischen Frauenverbände für die politischen Rechte der Frau im November 1957 rief Georges Thélin (1890–1963), der Schweizer Jurist, der gerade von seinem Posten als Generalsekretär der NGO Union internationale de protection de l’enfance pensioniert worden war, zur Formierung einer männlichen Genfer Sektion auf, die alsbald 150 Mitglieder zählte. Im Unterschied zu den Waadtländerinnen verzichteten die Genfer Aktivistinnen und Aktivisten darauf, ihre Kontakte zum Regierungsrat spielen zu lassen, um am 1. Februar 1959 gleichzeitig mit der eidgenössischen Abstimmung eine kantonale in die Wege zu leiten. Die Kampagne wurde hauptsächlich von den männlichen Aktivisten geführt, die Frauen sollten explizit im Hintergrund bleiben, wobei notabene eine genau gegenteilige Taktik zu den Deutschschweizer Gegnerinnen und Gegnern gewählt wurde. Mit 60 Prozent Ja-Stimmen war die Abstimmung ein Erfolg, der allerdings durch die geringe Stimmbeteiligung von 45 Prozent etwas gedämpft war. Wenige Tage später, am 18. Februar 1959, reichten drei Abgeordnete bei der Genfer Legislative eine Motion zugunsten des kantonalen Frauenstimmrechts ein. Sie wurde am 4. Juli überwiesen, die Abstimmung auf den 5. und 6. März 1960 festgelegt. Die Stimmrechtsaktivistinnen durften am Radio sprechen. Von den Gegnerinnen und Gegnern wollte sich hingegen niemand exponieren, obschon sie auf Flugblättern und in der Presse eine virulente Kampagne führten98 – ein Hinweis, wie wenig Chancen sie ihrer politischen

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