ТОП просматриваемых книг сайта:
Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
Читать онлайн.Название Internationales Privatrecht
Год выпуска 0
isbn 9783811492448
Автор произведения Thomas Rauscher
Жанр Учебная литература
Серия Schwerpunktbereich
Издательство Bookwire
Die väterliche Abstammung des in Frankreich lebenden Kindes einer Französin und eines in Deutschland lebenden staatenlosen Palästinensers kann gemäß Art. 19 Abs. 1 S. 2 iVm Art. 5 Abs. 2 nach deutschem Recht festgestellt werden, weil der Vater als Anknüpfungssubjekt (Art. 19 Abs. 1 S. 2) mangels feststellbarer Staatsangehörigkeit ein deutsches Aufenthalts-Personalstatut (Art. 5 Abs. 2) hat.
250
e) Ein der Staatenlosigkeit ähnliches Phänomen ist die Rechtsstellung als GFK-Flüchtling oder Asylberechtigter. Ist ein Flüchtling oder Asylberechtigter nicht staatenlos (sonst ohnehin Art. 5 Abs. 2), so wird er häufig die Staatsangehörigkeit gerade des Staates besitzen, in dem er verfolgt wurde oder aus dem er im Zuge kriegerischer Wirren geflohen ist. Jedenfalls im ersten Fall (zur Interessenlage bei vorübergehend Schutz Suchenden Rn 204) entspricht es meist nicht seinem Interesse, in Angelegenheiten des Personalstatuts nach dem Recht seines Heimatstaats behandelt zu werden, der ihm gerade keinen Schutz bietet. Zudem würde die Anwendung des Heimatrechts angesichts der zunehmenden und unterschiedlichen Flüchtlingsströme die Justiz der Aufnahmestaaten vor zusätzliche Probleme der Ermittlung der Staatsangehörigkeit und des Inhalts des fremden Rechts stellen.
251
aa) Die maßgeblichen Regelungen unterstellen daher das Personalstatut von Flüchtlingen dem Recht ihres Wohnsitzes, hilfsweise des schlichten Aufenthalts. Personalstatut ist auch hier in dem Sinn zu verstehen, dass die Sonderanknüpfung nicht nur das Personen-, Familien- und Erbrecht betrifft, sondern immer eingreift, wenn das IPR ansonsten die Staatsangehörigkeit beruft.[31] Ausgangsbestimmung ist Art. 12 Abs. 1 GFK (Rn 102). Nach zutreffender Ansicht ist der bei Abschluss der Konvention 1951 noch unbekannte Begriff des „gewöhnlichen Aufenthaltes“ durch Auslegung an die Stelle des Begriffs „Wohnsitz“ zu setzen,[32] was eine international einheitliche Handhabung bewirkt. Das entspricht auch der Entwicklung bei den Staatenlosen, wo Art. 5 Abs. 2 bewusst[33] von Art. 12 Abs. 1 des UN-Staatenlosen-Übereinkommens von 1954 abweicht; anderenfalls müsste bei einem Flüchtling zusätzlich die oft schwierige Prüfung einer – zusätzlichen – Staatenlosigkeit angestellt werden.
252
bb) Ursprünglich war die Genfer Flüchtlingskonvention gemäß Art. 1 GFK nur auf europäische Flüchtlinge anwendbar, die im Zuge der Ereignisse vor, während und kurz nach dem 2. Weltkrieg (Ereignisse vor dem 1.1.1951) geflohen waren. Durch das Genfer Protokoll vom 31.1.1967[34] wurde dem schlimmen Umstand Rechnung getragen, dass das 20. Jahrhundert zum Jahrhundert der Flüchtlinge geworden war. Aus der Definition des „Konventionsflüchtlings“ wurde die zeitliche (Fluchtgrund vor 1.1.1951) und die räumliche Begrenzung (europäische Flüchtlinge) gestrichen. Tatbestandlich erforderlich ist die Flucht aus bestimmten Fluchtgründen: „aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung“. Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention ist damit auch auf solche Flüchtlinge anzuwenden. Die Flüchtlingseigenschaft iSd Art. 1 GFK wird in Deutschland nach § 3 Abs. 4 AsylG förmlich zuerkannt; die Zuerkennung ist jedoch nur positiv bindend (§ 6 AsylG), ihr Fehlen schließt die unmittelbare Anwendung von Art. 1, 12 GFK durch ein Gericht in einer Zivilsache nicht aus.[35]
253
cc) Ist das Anknüpfungssubjekt anerkannter Asylberechtigter in Deutschland, was die Eigenschaft als politisch Verfolgter iSd Art. 16a GG voraussetzt, so gewährt § 2 Abs. 1 AsylG die Rechtsstellung von Konventionsflüchtlingen, es gilt daher Art. 12 der Konvention; die förmliche Anerkennung im Verfahren nach §§ 12 ff AsylG ist hierfür konstitutiv, mit Ausnahme von Ausländern, denen vor dem 3.10.1990 im Beitrittsgebiet Asyl gewährt wurde (§ 2 Abs. 3 AsylG). Es kann also nicht ein Zivilgericht die Anwendung des § 2 AsylG unmittelbar auf Art. 16a GG stützen. Eine zunehmend bedeutsame Frage ist, ob eine Unterstellung unter das Recht des Zufluchtslandes immer interessengerecht ist (dazu Rn 204),[36] zumal bei Rückkehrwillen und Flucht wegen nicht-staatlicher Verfolgung die Flucht nicht mehr Abkehr vom Heimatstaat indiziert.
254
dd) Soweit Kriegs- oder Bürgerkriegsflüchtlinge keinen Fluchtgrund iSd Art. 1 GFK haben – was von individueller Prüfung abhängt – und nicht als Asylberechtigte iSd § 2 AsylG anerkannt sind, können sie subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr 3 AsylG erlangen, der auf der Richtlinie 2011/95/EU basiert. Dieser Personenkreis fällt kollisionsrechtlich jedoch nicht unter § 2 Abs. 1 AsylG,[37] auch wenn aufenthaltsrechtlich eine Gleichstellung erfolgt (Aufenthaltserlaubnis § 25 AufenthG): Der Schutzstatus begründet keine Asylberechtigung, sondern ist als ein eigenständiger Status konzipiert,[38] der zwar auf den Asylantrag hin gewährt wird, jedoch gerade die Verneinung der Flüchtlingseigenschaft und der Asylberechtigung voraussetzt.[39] Überdies wäre auch eine Anwendung des Aufenthaltsrechts nicht interessengerecht:[40] Wer vor Krieg oder Bürgerkrieg flieht, sucht nicht Schutz vor Verfolgung durch das Land und seine Regierung, sondern Schutz vor dem friedlosen Zustand, nach dessen Beendigung er in seine hoffentlich wieder befriedete Heimat zurückkehren will und soll.
Bei bloßer Duldung des Aufenthalts im Bundesgebiet nach Ablehnung eines Asylantrags ist Art. 12 GFK weder direkt noch über Art. 2 Abs. 1 AsylG anzuwenden. Überdies ist für nur geduldete Ausländer auch die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts zweifelhaft.
255
ee) Flüchtlinge, die zugleich Deutsche iSd Art. 116 Abs. 1 GG sind, stehen nach Art. 9 Abs. 2 Nr 5 FamRÄndG kollisionsrechtlich Deutschen gleich.
256
f) Hat ein Flüchtling oder Asylberechtigter ein Personalstatut nach den vorstehenden Bestimmungen erlangt, so wird dieses kollisionsrechtlich wie eine Staatsangehörigkeit behandelt. Auch wenn eine Verweisungsnorm auf die letzte (gemeinsame) Staatsangehörigkeit von Anknüpfungssubjekten abstellt, kann dieses letzte (gemeinsame) Personalstatut ein Wohnsitz- bzw Aufenthaltsrecht sein; das gilt selbst dann, wenn ein Beteiligter auf seinen Asylanten- oder Flüchtlingsstatus verzichtet hat und sein Personalstatut aktuell wieder von der Staatsangehörigkeit bestimmt wird.[41]
Literatur:
MüKoBGB/v. Hein (6. Aufl., 2015) Art. 5 EGBGB Rn 94 ff (Staatenlose), Art. 5 Anh. II Rn 18 ff (GFK-Flüchtlinge); Art. 5 Anh. II Rn 72 ff (Asylberechtigte); Staudinger/Bausback (2013) Art. 5 EGBGB Anh. IV Rn 47 ff (GFK-Flüchtlinge); Art. 5 Anh. IV Rn 71 ff (Asylberechtigte); Baetge Gewöhnlicher Aufenthalt und Personalstatut von Flüchtlingen, StAZ 2016, 289; Majer Flüchtlinge im internationalen Privatrecht – Vorschlag für eine teleologische Reduktion des Art. 12 GFK, StAZ 2016, 337; Mankowski Die Reaktion des Internationalen Privatrechts auf neue Erscheinungsformen der Migration, IPRax 2017, 40.
4. Exkurs: Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht
257
a) Die Erwerbsgründe für die deutsche Staatsangehörigkeit sind in § 3 StAG (früher RuStAG, Neubenennung zum 1.1.2000) aufgeführt; sie ergeben sich im Einzelnen aus §§ 4 ff StAG. Das