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Internationales Privatrecht. Thomas Rauscher
Читать онлайн.Название Internationales Privatrecht
Год выпуска 0
isbn 9783811492448
Автор произведения Thomas Rauscher
Жанр Учебная литература
Серия Schwerpunktbereich
Издательство Bookwire
267
Ehegatten Deutscher haben nach § 9 StAG unter leichteren Voraussetzungen als den in § 10 Abs. 1 StAG bestimmten einen „Soll“-Anspruch auf Einbürgerung, wenn die Voraussetzungen des § 8 StAG vorliegen und sie ihre bisherige Staatsangehörigkeit verlieren oder aufgeben bzw ein Grund für die Hinnahme der Mehrstaatigkeit nach § 12 StAG vorliegt und gewährleistet ist, dass sie sich in die hiesigen Lebensverhältnisse einordnen sowie über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen.
268
b) Ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit setzt im geltenden Recht regelmäßig eine dem Staatsangehörigen zurechenbare Willensäußerung voraus. Bestimmungen, die den Verlust der Staatsangehörigkeit als Sanktion vorsehen, sind rechtsstaatswidrig und stehen in Widerspruch zu Art. 16 Abs. 1 GG (vgl frühere Bestimmungen zum Verlust der Staatsangehörigkeit durch Fahnenflucht, längeren Auslandsaufenthalt). Daher bestehen Bedenken gegen § 29 Abs. 3 S. 2 StAG (Rn 261).
269
aa) Eine Entlassung ist auf Antrag gemäß § 18 StAG möglich, wenn der Antragsteller den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit beantragt und die Verleihung zugesichert erhalten hat; Beamte, Richter, Soldaten und Wehrpflichtige können nicht aus der deutschen Staatsangehörigkeit entlassen werden.
270
bb) Durch Verzicht (§ 26 StAG) geht die deutsche Staatsangehörigkeit nur verloren, wenn der Verzichtende eine andere Staatsangehörigkeit bereits besitzt, also Mehrstaater ist; diese Staatsangehörigkeit muss seitens der Bundesrepublik anerkannt sein (zB genügte die Staatsbürgerschaft der DDR nicht).
271
cc) Durch Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit mit Ausnahme der eines anderen EU-Mitgliedstaates, der Schweiz oder eines Staates mit dem entsprechende völkervertragliche Regelungen bestehen (§ 25 StAG), geht die deutsche Staatsangehörigkeit verloren, wenn der Erwerb auf Antrag des Staatsangehörigen erfolgt.[45] Dieser Verlustgrund ist insofern für den Rechtsverkehr und den Betroffenen gefährlich, als er sich oft ohne Rechtskenntnis des Betroffenen und ohne Wissen der deutschen Behörden vollzieht, und häufig erst nach Jahren (etwa bei Stellung eines Passantrages bei einer deutschen Auslandsvertretung oder im Nachlassverfahren) bekannt wird. Auch im Fall des § 28 StAG (Eintritt in Wehrdienst eines anderen Staates, dem die Person angehört) geht die deutsche Staatsangehörigkeit ohne Erklärung – und damit ggf unerkannt – verloren.
272
dd) Durch familienrechtliche Vorgänge tritt ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nur bei Adoption eines Deutschen durch einen Ausländer nach dem 1.1.1977 ein (§ 27 StAG), es sei denn, dass der Adoptierte mit einem deutschen Elternteil verwandt bleibt (so bei der Stiefkindadoption durch den ausländischen Ehegatten eines deutschen Elternteils). Eheschließung mit einem Ausländer führt hingegen seit 1.4.1953 nicht mehr zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit der Ehefrau.
Literatur:
zur historischen Entwicklung: Staudinger/Bausback (2013) Anh II zu Art. 5 EGBGB Rn 1 ff; zum geltenden Staatsangehörigkeitsrecht dort Rn 85 ff.
1. Gewöhnlicher Aufenthalt
273
a) Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt hat sich im deutschen IPR zum zweiten wichtigen Anknüpfungskriterium entwickelt. Im Gegensatz zur Staatsangehörigkeit ist der gewöhnliche Aufenthalt häufig hilfsweises Anknüpfungskriterium, wo die Staatsangehörigkeit als solches versagt (zB in Art. 14 Abs. 1). Zunehmend wird jedoch dem gewöhnlichen Aufenthalt als einem räumlichen Bezugsschwerpunkt der Person ein eigenständiger primärer Gerechtigkeitsgehalt beigemessen. Diese Wertung geht aus von Haager Übereinkommen (Art. 1, 2 MSA, Art. 5, 15 Abs. 1 KSÜ, Art. 4 Abs. 1 HUntStÜbk 1973, Art. 3 Abs. 1 HUntStProt 2007), hat aber auf das autonome IPR übergegriffen. In Art. 19, 20 und 21 wird der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes seit 1.7.1998 zum primären Anknüpfungskriterium für das gesamte Kindschaftsverhältnis gemacht. Die Staatsangehörigkeit tritt hier nur noch als alternatives Anknüpfungskriterium auf (zur Begünstigung der Abstammungsfeststellung Art. 19 Abs. 1 S. 2).
274
Im europäischen IPR, das sich in Verordnungen nach Art. 81 AEUV fortentwickeln wird, dürfte der gewöhnliche Aufenthalt zum primären Anknüpfungskriterium des Personalstatuts werden,[46] auch wenn damit dem Ziel, eine den Betroffenen nahe Rechtsordnung anzuwenden, angesichts zunehmender Mobilität schwerlich erreicht wird.
275
b) Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist nicht aus einer gesetzlichen Definition entstanden, was seine Verwendung in völkervertraglichen Vereinbarungen begünstigt hat. In einer Resolution des Ministerrats des Europarates v. 18.1.1972 wird ein zweigliedriger Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts empfohlen, der sich von dem eingliedrigen Begriff des schlichten Aufenthalts abgrenzt und sich mit den insbesondere zum MSA in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien deckt:
276
aa) Aufenthalt hat eine Person dort, wo sie sich tatsächlich aufhält. Auf eine Willensrichtung oder die Legalität des Aufenthalts kommt es nicht an. Schon die Wohnsitznahme für einen gewissen, vorübergehenden, nicht notwendig ununterbrochenen Zeitraum begründet den Aufenthalt.
277
bb) Ein gewöhnlicher Aufenthalt erfordert, dass der Aufenthalt auf Dauer angelegt ist, was nicht voraussetzt, dass der Aufenthalt schon länger angedauert haben muss. Dauerhaftigkeit kann sich auch zukunftsgerichtet aus den Umständen des Falles ergeben. Zweites Element ist, dass die Person dort ihren Daseinsmittelpunkt hat. Hierbei sind private und berufliche Umstände zu berücksichtigen, welche eine enge und dauerhafte Beziehung zwischen der Person und ihrem Aufenthalt anzeigen; es muss eine gewisse Integration in familiärer und beruflicher Hinsicht und der Schwerpunkt der Bindungen an diesem Ort[47] vorliegen. Der Wille der Person, den Aufenthalt beizubehalten, ist danach nicht Voraussetzung für den gewöhnlichen Aufenthalt, ist aber bei der Bestimmung, ob der Aufenthalt zum Daseinsmittelpunkt geworden ist, wesentlich zu berücksichtigen; eine zwangsweise Unterbringung begründet keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Im Rahmen der Rom III-VO und der EU-ErbVO wird jedoch aus Gründen der Stabilisierung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts eine Abhängigkeit vom Willen diskutiert.
278
cc) Der gewöhnliche Aufenthalt von Minderjährigen hat die Rechtsprechung vor allem im Zusammenhang mit dem MSA vielfach beschäftigt. Da der gewöhnliche Aufenthalt auch bei Minderjährigen