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die Abstammungsfeststellung und ist im Fall notwendiger eilbedürftiger Schutzmaßnahmen sogar geboten; sie kann aber zu hinkenden Kindschaftsverhältnissen führen, da die Türkei – wie viele andere Heimatstaaten von hier lebenden Ausländern – auch im Kindschaftsrecht dem Staatsangehörigkeitsgrundsatz folgt. Personen- und familienrechtlich ist auch für hier geborene Ausländer keine weitere kollisionsrechtliche Integration geboten: Solange diese minderjährig sind, hängt ihr Bleibewille stark von dem der Eltern ab; nach Erreichen der Volljährigkeit liegen regelmäßig längst die Voraussetzungen einer Antragseinbürgerung unter Verzicht auf die alte Staatsangehörigkeit vor.

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      Ein in Deutschland geborenes Kind türkischer Eltern, das unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 StAG in Deutschland geboren wird, erwirbt ohne Verlust der türkischen die deutsche Staatsangehörigkeit und ist Doppelstaater; besteht die Optionspflicht nach § 29 StAG, so endet die Doppelstaatigkeit spätestens zwei Jahre nach Zustellung des Hinweise gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 Nr 4 StAG vorbehaltlich einer Genehmigung (§ 29 Abs. 3 S. 2 StAG). Ist das Kind iSd § 29 Abs. 1a StAG im Inland aufgewachsen, so bleibt es lebzeitig Doppelstaater, wenn nicht aktiv eine der Staatsangehörigkeiten abgelegt wird. Aus deutscher kollisionsrechtlicher Sicht ist das Kind Deutscher, aus türkischer Sicht Türke und aus Drittstaatensicht kommt es auf die jeweilige Regel für die Behandlung von Mehrstaatigkeit im IPR an.

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      Zudem wirkt doppelte Staatsangehörigkeit eher desintegrierend; sie deutet auch kollisionsrechtlich nicht auf einen eindeutigen Interessenschwerpunkt zum Inland hin, denn bewusste Doppelstaatigkeit ist Ausdruck des Offenhaltens der Integration in einem Heimatstaat. Wer sich in Deutschland integrieren will, kann nicht auf Dauer anstreben, zugleich in einem früheren Heimatstaat integriert zu bleiben.

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      Zusammenfassend bedeutet also das Staatsangehörigkeitsprinzip auch in Migrationsfällen eine geeignete Typisierung der kollisionsrechtlichen Interessen.

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      Literatur:

      Basedow Das Staatsangehörigkeitsprinzip in der Europäischen Union, IPRax 2011, 109; Benicke Auswirkungen des neuen Staatsangehörigkeitsrechts auf das deutsche IPR, IPRax 2000, 171; Staudinger/Bausback (2013) Anh. I zu Art. 5 EGBGB; eindrucksvoll zu historischen, oft kriegsbedingten Veränderungen im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht Staudinger/Bausback (2013) Anh. II zu Art. 5 EGBGB; zu staatsangehörigkeitsrechtlichen Regelungen zahlreicher Staaten: Staudinger/Bausback (2013) Anh. III zu Art. 5 EGBGB.

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      a) Doppel- oder Mehrstaater sind Personen, die nach dem Staatsangehörigkeitsrecht zweier oder mehrerer Staaten deren Staatsangehörigkeit gleichzeitig in dem für die Anknüpfung maßgeblichen Zeitpunkt besitzen.

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      Ursachen mehrfacher Staatsangehörigkeit ergeben sich aus der Überschneidung verschiedener staatsangehörigkeitsrechtlicher Anknüpfungsmerkmale. Häufigste Ursache ist die mehrfache Staatsangehörigkeit von Geburt, die ihre Ursache in unterschiedlichen Prinzipien der Heimatländer der Eltern und des Geburtslandes, aber auch in verschiedener Staatsangehörigkeit der Eltern haben kann.

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      Man kann die Staatsangehörigkeitsrechte der Welt trotz vieler Facetten in zwei Gruppen unterteilen. Eine Gruppe folgt dem Prinzip, dass die Staatsangehörigkeit iure sanguinis (lat. nach dem Recht des Blutes) vermittelt wird, die andere Gruppe lässt die Staatsangehörigkeit iure soli (lat. nach dem Recht des Bodens) übergehen. Im ersten Prinzip erwirbt man die Staatsangehörigkeit durch Geburt von einem Elternteil, der diese Staatsangehörigkeit besitzt, im zweiten Prinzip durch Geburt im jeweiligen Staat.

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      Während die meisten Staaten Kontinentaleuropas dem ius sanguinis folgen, sind reine ius soli-Staaten selten. Rechtspolitisch eignet sich das ius soli-Prinzip vorwiegend für Einwanderungsstaaten, denn es fördert die schnelle staatsangehörigkeitsrechtliche Integration der ersten im Lande geborenen Einwanderergeneration. Selbst ursprünglich reine Einwanderungsstaaten haben aber mit zunehmender Konsolidierung ihrer Bevölkerungsstruktur das ius soli mit Elementen des ius sanguinis vermischt und stehen Auswüchsen des ius soli zunehmend skeptisch gegenüber.

      Die US-citizenship wird grundsätzlich erworben durch Geburt in den USA. Gleichzeitig kann die US-citizenship aber auch erworben werden durch Geburt im Ausland, sofern ein Elternteil US-Staatsangehöriger ist und selbst eine bestimmte Zeit noch in den USA gelebt hat – also allenfalls der ersten Auswanderergeneration angehört. Ein reines ius soli-Prinzip wäre fatal, da zB Kinder, die eine mit einem US-Amerikaner verheiratete US-Amerikanerin während eines kurzen Auslandsaufenthaltes zur Welt bringt, häufig staatenlos, nie aber US-Angehörige wären. Der negative Teil des ius soli-Prinzips (keine US-Staatsangehörigkeit bei Geburt im Ausland)

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