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dass du dein Kind immer noch leiten kannst – eben respektvoll. Wenn du das jedes Mal tust, wenn du dich beim Schreien ertappst oder kurz davor bist, dann wirst du bald genügend Achtsamkeit entwickelt haben, um dich selbst zu bremsen, noch bevor du losbrüllst.

      EIN DREI-MINUTEN-PROZESS, UM AUS EMOTIONALER ERREGUNG IN DIE GELASSENHEIT ZU KOMMEN

      Laura, Sie sagen, um Schreien zu vermeiden, soll ich warten, bis ich mich beruhigt habe, und dann mit meinem Sohn neu anfangen. Aber wenn ich wütend werde, dann schaffe ich es nicht so schnell, mich wieder zu beruhigen. In der Zwischenzeit hat mein Sohn wieder etwas angestellt und ich muss ihm den Kopf zurechtrücken.

      JEN,

      Mutter eines Sohnes

      Der »Stopp-lass-los-atme-Prozess« setzt voraus, dass du dich schnell genug beruhigen kannst, um das, was deine inneren Knöpfe aktiviert hat, noch einmal neu zu beginnen. Aber wenn dein Körper in den Kampf-oder-Flucht-Modus geht, wirst du mit neurochemischen Stoffen vollgepumpt, die dich zum Angriff stimulieren. Dein Kind erscheint dir wie der Feind und du spürst das dringende Bedürfnis »ihm den Kopf zurechtzurücken«.

      Aber der Körper braucht keine Stunde, um sich zu beruhigen, es sei denn, du bist einem Tiger begegnet. Im Ernst: Egal, was dein Kind angestellt hat, es war kein Notfall. Wenn du mehr als ein paar Minuten brauchst, um dich zu beruhigen, hat das damit zu tun, dass du deinem Körper nicht vermittelt hast, dass es falscher Alarm war. Er funktioniert weiterhin im Kampf-oder-Flucht-Modus. Und im Geist bist du immer noch auf dem Kriegspfad, also dauert es eine Stunde, bis du dich »abgelenkt« hast.

      Egal, was dein Kind gerade getan hat, aus der Ruhe heraus wirst du damit konstruktiver umgehen. Hier folgt ein dreiminütiger Aha!-Moment, um dir eine neue Sichtweise der Dinge zu eröffnen und deine Kampf-oder-Flucht-Reaktion zu beruhigen.

      Minute eins: Welcher Gedanke regt dich auf?

      • Sag ihn dir im Stillen. Vielleicht ist es etwas wie: »Er respektiert meine Autorität nicht … das muss ich im Keim ersticken.« oder: »Er manipuliert mich bloß!«

      • Bedenke, dass dieser Gedanke, der dich ärgerlich macht, ziemlich sicher aus Angst entstanden ist. Das heißt, dass er nicht so wahr ist, wie eine Interpretation der Situation, die aus Liebe entsteht.

      Minute zwei: Erkenne an, dass man jede Geschichte von (mindestens) zwei Seiten betrachten kann.

      • Bedenke, dass deine Eltern bestimmt ebensolche Gedanken über dich hatten und dass trotzdem etwas aus dir geworden ist. Bei deinem Kind wird es ebenso sein.

      • Betrachte die Situation aus der Perspektive deines Kindes. Zum Beispiel so: »Er zeigt mir, wie aufgewühlt er ist … er darf seine Gefühle haben.«

      • Bedenke, wie dein ärgerlicher Gedanke die Art und Weise beeinflusst, wie du dein Kind behandelst. Angenommen, du lässt diesen Gedanken los, wie würdest du dann auf dein Kind eingehen?

      Minute drei: Unterstütze deinen Körper die Gefühle freizusetzen.

      • Klopfe auf den Akupunkturpunkt an der Handkante (der Punkt für den Karateschlag) und atme dabei tief durch.

      • Sage dir während des Klopfens: »Obwohl ich aufgebracht bin, bin ich sicher. Ich kann mich beruhigen und diese Situation heilen.«

      • Wenn du dich beim Gähnen ertappst, ist das prima – so baut der Körper Spannung ab. Je mehr du das praktizierst, umso schneller wird sich dein Körper beruhigen.

      Jetzt kehrst du zu deinem Kind zurück und beginnst aus einer inneren Haltung der Liebe von Neuem. Hört sich das schwierig an? Das ist es auch, weil wir in der Wut von den bereits erwähnten Angriffshormonen überschwemmt werden. Aber wenn wir uns ein wenig für eine andere Perspektive öffnen, dringen wir bis zur Wurzel der Haltung, die das Schreien auslöst und ändern diese. Jeder Gedanke kommt entweder aus der Angst oder aus der Liebe. Wähle die Liebe.

       Wenn meine Kinder Trotzanfälle haben, ertappe ich mich dabei, dass ich mich so weit weg wie möglich wünsche, und es fällt mir wirklich schwer, Empathie für sie zu empfinden.

      LAURA,

      zweifache Mutter

      Kinder reagieren aufgrund ihrer Unerfahrenheit und kognitiven Unreife oft emotional erregt. Unsere Fähigkeit, dann dennoch ruhig zu bleiben, hilft ihnen dabei, die neuronalen Bahnen zu entwickeln, die sie zur Selbstberuhigung brauchen. Aber die meisten von uns finden es schwierig, ruhig zu bleiben, wenn unser Kind die Beherrschung verliert. Etwas in uns will laut aufschreien: »Nein!«

      • Nein, ich habe dafür jetzt keine Zeit!

      • Nein, du bringst mich in Verlegenheit; die Leute gucken schon!

      • Nein, was mach ich denn falsch, dass sie schon wieder einen Trotzanfall hat?

      • Nein, warum tut er/sie mir das an?!

      • Nein, warum kannst du dich nicht, wie ich, einfach zusammenreißen?

      Bingo. Die meisten von uns haben als Kind gelernt, dass unsere Gefühle inakzeptabel, ja sogar gefährlich sind. Wenn also unser Kind einen Trotzanfall hat, wird unser inneres Kind getriggert. Gefahrensignale sind aktiviert. Wie immer, wenn Gefahr droht, spüren wir ein Gefühl von Panik. Wir wollen weg (Flucht) oder spüren Zorn – wir wollen unser Kind dazu bringen, dass es still ist (Kampf) oder spüren gar nichts mehr (Erstarren).

      Unser Kind mit Empathie zu halten, ihm erlauben, all jene Gefühle herauszulassen? Seinen Ausbruch sogar dann zu akzeptieren, wenn er sich gegen uns richtet, ohne das persönlich zu nehmen? Das ist für die meisten Eltern zu viel verlangt. Da verflüchtigen sich alle unsere guten Absichten.

      Und doch machen alle Kinder zahlreiche Erfahrungen von Angst, Wut, Frustration und Traurigkeit. Diese Erfahrungen müssen sie ausdrücken, und sie brauchen es, dass wir ihnen dabei zuhören. So lernen sie mit der Zeit, sich mit ihren Emotionen anzufreunden, damit sie lernen, diese zu bewältigen. Tatsächlich sind wir sogar ihr Vorbild. Unser Kind lernt, wie es seine Emotionen und sein Verhalten reguliert, indem es uns dabei beobachtet, wie wir unsere Emotionen und unser Verhalten regulieren. Was können wir also tun, um unsere eigenen tief verwurzelten Reaktionen auf die emotionale Erregung unseres Kindes anzugehen, damit wir für unsere Kinder präsent sein können?

      • Erkenne deine eigenen Gefühle an. Unsere Panik angesichts der rohen Emotionen unseres Kindes ist ein Thema unserer Kindheit. Wir werden sie nur dann los, wenn wir herausfinden, wie sie uns als Kind dienlich war. Sage zu der aufsteigenden Panik: »Danke, dass du mich beschützt hast, als ich klein war. Jetzt bin ich aber erwachsen. Diese Gefühle sind in Ordnung.«

      • Erinnere dich daran, dass es sich hier nicht um einen Notfall handelt. »Es ist normal, dass ich mich so fühle, wenn mein Kind emotional erregt ist. Egal, was geschieht, ich kann damit umgehen.« Niemand bedroht dich; das ist dein geliebtes Kind, das gerade jetzt deine liebevolle Unterstützung benötigt. Wenn dein Geist weiterhin Alarm schlägt, lass ihn wissen, dass du dich mit diesen Belangen später beschäftigen wirst, nicht jetzt.

      • Erinnere dich daran, dass es in jedem Fall eine gute Sache ist, Gefühle auszudrücken. Dein Kind wird diese Gefühle in jedem Fall spüren. Die einzige Frage, die sich stellt, ist die, ob du deinem Kind vermittelst, dass es in Ordnung ist sie auszudrücken, oder ob du ihm beibringst, dass sie gefährlich sind. Sobald es seine Emotionen fühlt, verflüchtigen sie sich (falls dich das erstaunt, es ist die unterdrückte Emotion, die bei deinem Kind ohne Vorwarnung hervorbricht und es ausflippen lässt). Selbst wenn du es nicht von ganzem Herzen bejahen kannst, wenn dein Kind einen Tobsuchtsanfall bekommt, versuche vom automatischen Nein auf ein freundliches Okay hinzuarbeiten, genauso wie in anderen Situationen, in denen dich dein Kind braucht.

      • Verringere den Druck. Du musst dein Kind oder die Situation nicht in Ordnung bringen. Du musst nur einfach präsent sein. Dein Kind braucht noch nicht einmal die rote Tasse oder

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