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– bewusst zu untersuchen, damit wir unseren Kindern keine neuen zufügen.

      Die wunderbare Nachricht ist, dass uns das Elternsein eine Landkarte dafür liefert, wo sich diese Narben befinden, und die Chance, in die Tiefe zu gehen und uns zu heilen. Unsere Kinder besitzen ein untrügliches Gespür, uns diese wunden Stellen zu zeigen und Ängste und Ärger herauszulocken. Besser als der beste Zen-Meister oder Therapeut bieten uns unsere Kinder die perfekte Gelegenheit, zu wachsen und zu heilen. Die meisten Eltern sagen, dass sie durch die Liebe zu ihren Kindern verwandelt wurden: Sie wurden geduldiger, mitfühlender, selbstloser. Dicht an den Themen, die unsere frühe Psyche geformt haben, werden wir immer eine erhöhte Sensibilität spüren, aber sobald wir die verbleibenden Verletzungen heilen, wird unser Verhalten nicht länger davon gesteuert, und wir merken, dass uns diese Narben informieren, motivieren und zu besseren Eltern machen.

      Wie kannst du also deine eigenen Kindheitsprobleme heilen und zu dem Elternteil werden, den du dir für deine Kinder wünschst?

      • Lebe dein Elternsein bewusst. Wenn wir aufmerksam sind, merken wir es, wenn das Kind unsere inneren Knöpfe aktiviert. Natürlich handeln Kinder wie Kinder, und zwar immer. Das ist altersgemäß. Aber was manche Eltern nervt, wird von anderen mit einer ruhigen, warmen und humorvollen Haltung aufgenommen, die Kinder dabei unterstützt, sich benehmen zu wollen. Jedes Mal, wenn uns etwas »triggert«, sind wir über etwas gestolpert, das der Heilung bedarf. Wann immer dein Kind bei dir die inneren Knöpfe drückt, zeigt es dir eine unerledigte Thematik aus deiner Vergangenheit.

      • Unterbreche den Kreislauf. Verwende die innere Pausentaste. Du musst mit deinen Kindern nicht die Vergangenheit wiederholen. Selbst wenn du den falschen Weg bereits ein großes Stück gegangen bist: Stopp. Atme tief ein und drücke die Pausentaste. Schließe den Mund, selbst wenn es mitten im Satz ist. Sei deswegen nicht peinlich berührt; du bist ein Vorbild für gute Aggressionsbewältigung. Spare dir die Verlegenheit für deinen nächsten Tobsuchtsanfall auf.

      • Begreife, wie Emotionen funktionieren. Ärger ist eine Botschaft, dass etwas in unserem Leben nicht funktioniert. Dabei ist das Problem, dass er auch ein biologischer Zustand ist, der uns nicht dabei hilft, die beste Lösung zu finden. Wenn uns die hormonellen Reaktionen im Griff haben, die uns »ärgerlich« machen, tun und sagen wir Dinge, die wir sonst niemals sagen oder tun würden. Sind Körper und Emotionen im Kampf-oder-Flucht-Modus, erscheint dir dein Kind immer wie der Feind. Atme tief ein und warte, bis du dich beruhigt hast, bevor du etwas beschließt oder handelst.

      • Drücke die Rückstelltaste deiner eigenen »Geschichte«. Wenn deine Kindheit leiderfüllt war, kannst du das nicht ändern. Was du jedoch verändern kannst, ist das, was du aus deiner Kindheit mitnimmst: deine »Geschichte«. Das tust du, indem du darüber nachdenkst, die schmerzhaften Gefühle fühlst, aber auch neue Blickwinkel berücksichtigst. Wenn dein Vater die Familie verlassen hat und du daraus gefolgert hast, dass du nicht gut genug warst, ist es an der Zeit, Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und von deinem Standpunkt als Erwachsene zu verstehen, dass du mehr als gut genug warst und sein Weggehen nichts mit dir zu tun hatte. Wenn du von deiner Mutter geschlagen wurdest und daraus gefolgert hast, dass du ein böses Kind warst, wäre eine zutreffendere Erklärung, dass deine Mutter vermutlich voller Angst war und sogar das engelhafteste Kind der Welt geschlagen hätte. Du warst einfach wie jedes Kind: Du hast dich auf die einzige Weise nach Liebe und Zuwendung ausgestreckt, die du kanntest. Deine Geschichte zu bewältigen und neu zu schreiben kann ein schmerzvoller und zugleich befreiender Prozess sein. Außerdem ist es der einzige Weg, um zu dem gelassenen Vater, der gelassenen Mutter zu werden, die du für dein Kind sein willst.

      • Baue Stress ab. Uns fällt es schwerer, die Eltern zu sein, die wir gerne wären, wenn wir völlig gestresst sind. Bau dir ein Repertoire an Gewohnheiten auf, die dir beim Entspannen helfen: regelmäßig Sport treiben, Yoga, ein warmes Bad, Meditation. Fehlt dir die Zeit dazu? Dann beziehe die ganze Familie mit ein. Lege Musik auf und tanzt gemeinsam dazu, geht Spazieren, bringe freitagabends alle mit Büchern versorgt früh ins Bett, damit du einen ruhigen, entspannten Abend hast und Schlaf nachholen kannst. Mache dir Entschleunigung zur Priorität und du wirst dafür auch Wege finden.

      • Hole dir beim Betrachten alter Probleme Unterstützung. Alle Eltern brauchen Unterstützung und Gelegenheiten, über ihre schwierige Aufgabe zu sprechen. Manchmal können wir das ganz ungezwungen mit Freunden oder Verwandten tun. Manchmal kann eine eher förmlichere »Zuhör-Partnerschaft« mit einem anderen Elternteil, wie sie Patty Wipfler von der Organisation Hand-in-Hand-Parenting empfiehlt, die letzte Rettung sein. Vielleicht willst du in eine Elternselbsthilfegruppe gehen. Wenn du das Gefühl hast, auf der Stelle zu treten, suche dir eine Beraterin oder einen Berater, die dir dabei helfen, in deinem Leben zufriedener weiterzugehen. Es ist keine Schande, um Hilfe zu bitten; eher wäre das der Fall, wenn du deine elterliche Verantwortung nicht einhältst, indem du dein Kind körperlich oder seelisch verletzt. Wenn du denkst, dass du Hilfe brauchst, warte bitte nicht. Ergreife jetzt die Initiative.

      Es gibt keine vollkommenen Eltern, weil Menschen laut Definition unvollkommen sind. Doch jedes Mal, wenn du aufmerksam bist, die innere Pausentaste drückst und deinen Stress bewältigst, wirst du ein wenig gelassener. Genau das gibt deinem Kind eine größere Chance, glücklich zu werden. Winnicott hatte recht. Unsere Kinder brauchen von uns keine Vollkommenheit. Dagegen brauchen sie Eltern, die ihr eigenes Wachstum begrüßen, bereit zur Wiedergutmachung sind und ihr Herz öffnen, wenn es sich verhärten will.

       Dieser Ansatz ist unglaublich wirkungsvoll und hat mein Leben verändert. Das Beste daran ist, dass man nicht perfekt sein muss. Man muss einfach echt sein, ehrlich und dazu fähig, Fehler zuzugeben. Anstatt im Alltag Donnerwetter heraufzubeschwören, schafft man Verbindungen, liebevolle Momente und teilt mit den Kindern seine echten Emotionen. Diese realen Augenblicke lehren unsere Kinder, wie sie selbst ihr bestes Ich sein können, nicht perfekt, einfach echt.

      CARRIE,

      Mutter von zwei Jungen unter vier Jahren

      Da du eben ein Mensch bist, wirst du dich immer noch manchmal im Kampf-oder-Flucht-Modus wiederfinden, und dann erscheint dir dein Kind wie der Feind. Wenn dich die Wut überschwemmt, ist dein Körper kampfbereit. Er wird von Hormonen und Neurotransmittern überflutet. Sie sorgen dafür, dass sich die Muskeln anspannen, der Puls rast und die Atmung schneller wird. In solchen Momenten kann man unmöglich ruhig bleiben, aber wir wissen alle, dass körperliche Angriffe auf unsere Kinder – während es vielleicht momentane Erleichterung schafft – nicht dem entspricht, was wir wirklich tun wollen.

      Also verpflichtest du dich jetzt, dein Kind nicht zu schlagen, nicht anzuschreien, dein Kind nicht zu beschimpfen und keine Drohungen auszusprechen. Wenn du unbedingt schreien musst, setz dich ins Auto, halte die Fenster geschlossen und schreie da, wo dich niemand hören kann – aber ohne Worte, denn sonst wirst du noch wütender.

      Auch deine Kinder werden wütend; wenn du dich also der konstruktiven Aggressionsbewältigung verschreibst, profitieren sie davon doppelt. Du vermeidest nicht nur die Kinder zu verletzen, sondern bist ihnen sogar Vorbild. Sie werden dich ab und zu sicher ärgerlich erleben und wie du mit diesen Situationen umgehst, wird für sie sehr lehrreich sein. Wirst du ihnen vielleicht vermitteln, dass das Recht des Stärkeren gilt? Oder, dass auch Eltern Wutanfälle haben? Oder, dass Wut einfach menschlich ist und der verantwortungsvolle Umgang damit zum Erwachsenwerden gehört? Hier folgt, wie das geht:

      • Mach eine 5-Minuten-Pause. Erkenne an, dass du generell im ärgerlichen Zustand nicht gut reagieren kannst. Erlaube dir stattdessen eine Auszeit und komm erst dann wieder zurück, wenn du Ruhe bewahren kannst. Ist dein Kind alt genug, um einen Augenblick allein zu bleiben, geh ins Bad, spritze dir Wasser ins Gesicht und nimm tiefe Atemzüge. Sag dir einfach so ruhig wie möglich: »Gerade bin ich zu wütend, um darüber zu reden. Ich werde mir eine Auszeit nehmen und mich beruhigen.« Dieses Aussteigen macht dein Kind nicht zum Sieger. Es schärft ihm nur ein, wie ernst sein Verstoß ist und ist ein Vorbild für Selbstbeherrschung. Falls dein Kind so jung ist, dass es sich verlassen fühlt, wenn du es allein lässt, dann gehe stattdessen an die

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