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ein schlichtes Geschehen wie das Spüren der Atembewegung oder das Lauschen einer Vogelstimme wird zu einer erfüllenden Erfahrung, wenn wir unmittelbar wahrnehmen und in dieser Erfahrung anwesend sind. In solch einem Moment erschließt sich uns das Sosein der Dinge. Dieser einfache, erfüllende Friede ist ein Aspekt von Stille.

       • Wie reduziert dich Unmittelbarkeit? Was fällt dabei alles weg?

       • Wie erfährst du „Unmittelbarkeit“ jetzt?

      1 Lediglich aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Form gewählt, die die weibliche Form mit einschließt.

      4 Offensein

      Gegenwärtigsein ist die Orientierung am Augenblick, so wie er sich zeigt von Moment zu Moment. Diese Haltung impliziert eine bedingungslose Offenheit für den Augenblick. Meditation wird auf diese Weise zu einer Art Hingabe, einem Dienst am Leben. Wir könnten es auch „Gottesdienst“ nennen.

      Die Haltung des Dienens entspricht exakt der Haltung von Offensein. Wenn wir jemandem dienen, geht es nicht um unsere Bedürfnisse, um unsere Vorstellungen, um unser Wollen, sondern um die andere Person. Wir öffnen uns für ihre Bedürfnisse. Auch in der Meditation geht es nicht um unsere Bedürfnisse und Vorstellungen, sondern wir öffnen uns für das augenblickliche Sein. Im Christentum drückt sich diese Haltung in dem Satz aus: „Dein Wille geschehe.“

      Eine so bedingungslose Offenheit und Hingabe braucht ein großes Vertrauen. Das Vertrauen in das gegenwärtige Leben und dessen Führung, auch wenn es sich für unser Ego falsch oder unangenehm anfühlen sollte. Vertrauen ist die Grundlage für Offenheit. Und umgekehrt führt bedingungslose Offenheit zu einem bedingungslosen Vertrauen.

      Wir überlassen uns dem größeren Willen und öffnen uns dem gegenwärtigen Geschehen. „Dieser Augenblick, ob angenehm oder unangenehm, ob erwünscht oder unerwünscht, ist richtig.“

      In der Meditation drückt sich die Haltung der Offenheit konkret darin aus, dass wir ein offenes Gewahrsein praktizieren und keine Konzentrationspraxis (= Objektmeditation). Bei einem offenen Gewahrsein halten wir die Aufmerksamkeit weit und alles darf in unserem Gewahrsein auftauchen, kommen und gehen. Wir grenzen nichts aus und praktizieren keine Konzentration durch Verengung unserer Aufmerksamkeit auf ein einziges Geschehen, wie zum Beispiel den Atem.

      Um in dieser Offenheit fortwährend wach und konzentriert gegenwärtig zu bleiben, können wir das „Etikettieren“ als Konzentrationshilfe nutzen. Etikettieren bedeutet, das augenblickliche Erleben innerlich mit einem kurzen, knappen Etikett zu versehen. Auf diese Weise verankern wir uns in der Gegenwart, ohne unsere Aufmerksamkeit auf ein Objekt verengen zu müssen. Unsere Aufmerksamkeit bleibt beweglich und ungebunden.

      Es gibt verschiedene Arten des Etikettierens, die jeweils andere Erkenntnisprozesse einladen.

      Zum Beispiel: „Bewusstsein des Atmens, Bewusstsein des Denkens, Bewusstsein eines Schulterschmerzes …“ lenkt meine Aufmerksamkeit in jedem Geschehen auf die hintergründige Dimension des Bewusstseins, aus der jede Erfahrung hervortritt.

      Oder wir sagen innerlich: „Atmen geschieht, Denken geschieht …“ So erkennen wir mit der Zeit, dass die Dinge aus sich selbst heraus entstehen. Letzteres führt uns in eine umfassende Hingabe.

      Solange wir noch unkonzentriert und zerstreut sind, nutzen wir das Etikettieren. Wenn unsere Sammlung sich vertieft und wir unmittelbar im Augenblick sein können, lassen wir das Etikettieren und überlassen uns dem Lauschen …

       • Wie erfährst du vollkommene Offenheit?

       • Wie verändert dich die Gegenwart, wenn du dich vertrauensvoll überlässt?

      5 Lauschen

      Lauschen hat im Kontext der Meditation nichts mit dem Vorgang des Hörens zu tun, sondern meint eine Haltung, in der wir eine reine Form der Aufmerksamkeit praktizieren. Wir richten dabei unseren Fokus nicht mehr auf die Erfahrungsobjekte im Geist wie das Atmen, Spüren oder Denken, sondern wir sind ungerichtet aufmerksam – Aufmerksamkeit pur. Die Erfahrungsobjekte treten in den Hintergrund und das Aufmerksamsein selbst rückt in den Vordergrund unseres Erlebens. Die Wirkung ist ein intensives Empfinden von Dasein – ein formloses Feld von SEIN. Hier erfahren wir eine Präsenz, die frei von allen Erfahrungsobjekten ist.

      Ein Hilfsmittel, um einen Zugang zum Lauschen zu bekommen, ist das systematische Sich-Konzentrieren auf die Zwischenräume von Erfahrungsobjekten. Wir lenken dabei bewusst den Fokus der Aufmerksamkeit auf die Leere zwischen den Objekten. Zum Beispiel achten wir auf die Pausen zwischen den Atemzügen oder auf die Lautlosigkeit zwischen den Geräuschen oder die Pausen zwischen Gedanken.

      Wenn wir uns ganz auf Zwischenräume und die Leere darin konzentrieren, verweilen wir in einem Zustand von reiner Aufmerksamkeit und die Präsenz verdichtet sich. Je unmittelbarer es uns gelingt, zu lauschen, desto tiefer tauchen wir in ein ungerichtetes, formloses Aufmerksamsein ein und empfinden dabei eine zeitlose, unberührte Stille.

      Dieser Vorgang wird auch das „Schauen ins nackte Sein“ oder das „Lauschen in die Stille“ genannt.

      Die 4 Grundaspekte der Meditation ergänzen einander und gehen ineinander über:

      Sein-Dürfen lässt uns entspannen und im Augenblick da sein. Wir werden mit der Zeit gegenwärtiger. Das Gegenwärtigsein führt uns automatisch zu einer Offenheit und in eine Hingabe an den Augenblick. Und beides: Gegenwärtigsein und Offenheit führen uns zu einer Sammlung im Augenblick, die es uns ermöglicht, das Aufmerksamsein selbst in den Vordergrund zu rücken. Je tiefer wir in das Lauschen eintauchen, desto intensiver erfahren wir eine zeitlose Stille, die der Urgrund aller Erscheinungen ist.

      Wenn wir diese 4 Aspekte der Meditation verinnerlicht haben, können wir je nach momentaner Beschaffenheit unseres Geistes den einen oder anderen Aspekt in den Vordergrund stellen und uns auf diese Weise angemessen auf die augenblickliche innere Verfassung beziehen:

      Zu Beginn der Meditation macht es Sinn, sich zunächst das „Sein-Dürfen“ bewusst zu machen. Wenn unsere Aufmerksamkeit erlahmt oder wir müde und zerstreut sind, ist es hilfreich, das Gegenwärtigsein zu vertiefen und das Etikettieren zu nutzen. Bei Widerständen tun wir gut daran, uns an das Offensein zu erinnern. Wenn sich unsere Sammlung vertieft und mühelos wird, können wir das Etikettieren lassen und in das reine Lauschen übergehen. Wenn wir zu viel erreichen wollen und sich dadurch Anstrengung oder Frustration einstellt, sollten wir zum „Sein genügt“ zurückkehren.

       Lass zu den folgenden Grundhaltungen jeweils spontan aus dem Körper heraus eine Gebärde2 auftauchen und erforsche, wie sich das Erleben anfühlt, wenn du in diese Gebärde hineinschlüpfst:

       • Einfach sein, sich sein lassen, angenommen sein

       • Da sein, anwesend sein, wach sein

       • Offen sein, sich hingeben, dienen

       • Lauschen, ganz Lauschen sein

      2 Eine Gebärde ist ein spontaner Körperausdruck, der ein bestimmtes Erleben körperlich-seelisch zugänglich macht. Wenn wir zum Beispiel an Demut denken, würden wir uns wahrscheinlich spontan verneigen. Eine Verneigung ist mehr als eine Geste. Wenn wir sie in Achtsamkeit vollziehen, vermittelt sich uns das Gesamtgefühl zu dieser Geste.

      6 Über die Kraft der Motivation

      Jeder Reise geht etwas voraus, das uns motiviert, aufzubrechen. Ohne eine Inspiration, eine Vision oder eine Sehnsucht setzen wir uns nicht in Bewegung. Erst wenn die Motivation klar und tief ist, finden wir die Kraft, lange und beschwerliche Wege auf uns zu nehmen.

      Auch die spirituelle Praxis ist ein Weg, eine Reise zu unserer innersten Natur. Ohne eine tiefe Motivation werden wir die Meditation gar nicht beginnen oder sie in der nächsten unangenehmen Situation wieder sein lassen. Auch eine innere

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