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hat noch nie jemand nach der Arbeit abgeholt; außer meiner Mutter. Und du willst mich wirklich abholen?“

      „Ja.“ Und Eva schmiegte sich noch fester an ihn. Er war so gefühlvoll, so völlig anders als André. Sie fühlte, dass sie nur mit Harald wirklich glücklich werden konnte.

      Plötzlich standen Julia und Michael vor ihnen und Julia fragte: „Ihr kommt wohl nicht wieder rüber zu uns?“

      Eva sah Harald an und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Warum eigentlich nicht? Willst du auch, Harald?“

      „Klar.“ Sie standen auf und folgten Michael und Julia zu den anderen.

      Am 5. Januar feierten sie wie jedes Jahr den Geburtstag von Marias und Andreas Mutter. Doch dieser 67. Geburtstag stand in einem völlig neuen Licht. Es war das erste Mal, dass auf ihrer Geburtstagsfeier nur deutsch gesprochen wurde, da ja Martin und auch Harald kein Norwegisch verstanden. Annefried freute sich sogar darüber. War es doch die Sprache ihres Vaters, den sie nie kennen gelernt hatte. Durch Maria und ihre Kinder verband sie immer mehr mit diesem Land, von dem auch ihre Mutter damals nur aus den Erzählungen von Hermann Berger wusste. Das, was ihrer Mutter damals nicht vergönnt war, lebte dafür jetzt ihre Tochter Maria. Annefried gönnte ihrer Tochter dieses große Glück in Deutschland von ganzem Herzen. Wehmütig dachte sie daran, was wohl aus ihrem Leben geworden wäre, wenn sie damals nach dem Krieg nach Deutschland zu ihrem Vater gezogen wären.

      Weil die Gratulanten inzwischen auf elf Personen angewachsen waren, feierten sie ab Mittag im Sovende Elg. Der Wirt hatte seit vier Jahren für Familienfeiern einen Extraraum. Im Wohnzimmer von Sven und Andrea hatten einfach nicht so viele Personen Platz. Für Harald hingegen war das sehr praktisch. Wohnte er doch im gleichen Haus.

      „Ich begrüße euch alle an meinem Geburtstag“, begann Annefried. „Dass meine Familie einmal so zahlreich wird, hätte ich mir vor zwanzig Jahren nicht vorstellen können. Leider hat mein lieber Mann das nicht mehr erleben können. Trotzdem weilt sein Andenken an diesem Tag immer unter uns.“

      Wolfram Junior stöhnte schon in sich hinein. Erwartete er jetzt den Rückblick auf die vergangenen zwanzig Jahre. Er kannte dies schon fast auswendig, so oft hatte er dies gehört. Uwe, sein Cousin, ging es ebenso. Doch beide hatten sich diesmal geirrt. Ihre Großmutter verzichtete auf den Rückblick. „Ich begrüße heute Harald und Martin mit an meiner Geburtstagstafel. Sie zeigen, dass das Leben weiter geht. Und so Gott will, wird nächstes Jahr auch mein erster Urenkel mitfeiern.“ Dabei sah sie Harald und Eva mit warmherzigem Blick an. „Es ist der größte Segen für eine Großmutter, wenn sie miterleben kann, dass ihre Kinder und Enkel glücklich sind.“ Da wurden ihre Augen feucht. „Ich freue mich jedes Jahr, dass ihr es immer möglich macht und alle meinen Geburtstag mitfeiert.“ Mit Tränen in den Augen schloss sie ihre kurze Rede ab.

      Nun standen alle außer Annefried auf und erhoben ihr Glas auf ihre Gesundheit. Dann setzten sie sich wieder und der Wirt servierte das Mittagessen. Harald fragte Eva leise: „Deine Verwandten wissen wohl alle von dem Kind?“

      Eva nickte. „Aber deine Oma glaubt sicher, dass ich …“

      Eva unterbrach ihn und schüttelte den Kopf. „Sie weiß es. Ich habe es ihr kurz vor Silvester erzählt.“

      Martin, der das Gespräch teilweise mitbekommen hatte, erklärte Harald: „Daran wirst du dich gewöhnen müssen. In dieser Familie ist manches anders, als man es normal gewöhnt ist. Ich hatte da am Anfang auch ein paar Probleme. Aber jetzt finde ich es großartig. Geheimnisse gibt es kaum und alle halten zusammen, wenn es mal ein Problem gibt. Ich hatte mal mit Laura ein Problem. Da standen gleich Eva und Michael vor meiner Tür. Auch Lauras Eltern wurden sofort aktiv. Aber nicht, dass sie mir den Kopf gewaschen hätten. Nein! Sie halfen uns, dass wir wieder zusammenfanden. Kein Vorwurf, kein böses Wort; … einfach eine tolle Familie.“

      Nach dem Essen gingen sie alle in Andreas Haus, in dem ja seit Kjelds Tod auch Annefried wohnte. Dort verteilten sie sich im Wohnzimmer.

      Auf einmal setzte sich Andrea neben Harald und legte ihren Arm um seine Schulter. „Na, Harald. Wie gefällt es dir bei uns in Norwegen? Meine Schwester hat mir gesagt, du bist das erste Mal in unserem Land.“

      Harald war zuerst erschrocken über Andreas Geste, aber da Eva dazu lächelte, beruhigte er sich schnell wieder und nickte etwas schüchtern. „Ja. Ich bin zum ersten Mal in Norwegen und ich finde es hier wunderschön.“

      „Und hier hast du auch dein Glück gefunden, wenn ich das so sagen darf“, sprach Andrea weiter. „Weißt du, dass es Evas Vati vor fast zwölf Jahren genau so ging?“ Eva riss die Augen auf und schüttelte vorsichtig mit dem Kopf, aber ihre Tante reagierte nicht. „Als sich Evas Eltern kennen lernten, war Eva sechs Jahre alt. Evas Vati kam damals auch das erste Mal nach Norwegen und traf unten am Fjord an der Brücke das erste Mal auf Evas Mutti. Er verliebte sich spontan in sie, obwohl sie schon drei Kinder hatte. Das haben damals viele hier im Dorf nicht verstanden. Du bist Evas Vati sehr ähnlich. Auch du hast dich für eine Frau mit Kind entschieden. Ihr beide seid wunderbare Männer.“

      Harald war von dieser Offenheit beeindruckt. Da fiel ihm Martins Hinweis ein, dass in dieser Familie manches anderes ist. Und so ergänzte Harald: „Ich habe Eva im Grunde genommen auch auf einer Brücke richtig kennen gelernt. Es war auf der kleinen Brücke unterhalb vom Hotel.“

      Jetzt erstarrte Andrea, sah Harald mit großen Augen an und stammelte: „Die gleiche Brücke! So viel Zufall gibt es doch nicht.“

      „Ist das wirklich die gleiche Brücke, Eva?“

      Die Angesprochene nickte und dann plötzlich fiel ihr der kreisrunde Regenbogen ein, den sie vom Flugzeug aus gesehen hatte. Da lief es ihr eiskalt den Rücken runter. Was passiert hier?, fragte sie sich erstaunt und schüttelte mit dem Kopf. „Harald.“

      „Ja, Eva.“

      „Harald. Wir müssen unbedingt mit meinen Eltern darüber reden, aber nicht heute. Dafür brauchen wir sicher viel Zeit. - Tante Andrea. Du glaubst, dass Harald und Vati viel gemeinsam haben.“ Die Schwester von Evas Mutti nickte. Da liefen Tränen aus Evas Augen.

      Andrea bemerkte das sofort und fragte besorgt: „Eva. Was ist mit dir?“

      Überglücklich antwortete sie: „Ich habe mir immer so sehr einen Mann wie Vati gewünscht und nun ist er da.“ Eva umarmte ihn und Harald wusste noch nicht so richtig, worum es ging. Also ließ er es einfach geschehen.

      Da forderte Sven zum Aufbruch in die Dorfschenke auf. Kaffeetrinken und Abendbrot gab es wieder im Sovende Elg. Der Wirt hatte inzwischen den Tisch schon wieder neu gedeckt, so dass alles reibungslos vonstatten gehen konnte.

      Nach dem abendlichen Essen fragte Harald seine Eva, ob sie mit auf sein Zimmer kommen würde. Eva nickte und sie gingen nach oben. Dort fragte sie: „Warum hat mich deine Tante … sie ist doch deine Tante?“

      „Tante Andrea? Ja.“

      „Warum hat sie mich mit deinem Vati verglichen?“

      „Weil mein Vati der beste Mann ist, den es gibt“, schwärmte Eva. „Und du bist fast genau so. Tante Andrea hat ja so recht. Du bist ein Traummann.“ Sie umarmte und küsste ihn.

      Harald war noch immer von dieser Aussage etwas verwirrt. „Nur leider hat mir das in der Vergangenheit bei Frauen nicht viel genützt“, meinte er etwas enttäuscht und hob die Schultern.

      „Das braucht es jetzt nicht mehr. Für mich bist du ein wundervoller Mensch. Ich liebe dich so sehr. Bitte verlass mich nie!“

      Da streichelte Harald seine Eva und sagte liebevoll: „Ganz bestimmt nicht. Ich bin so froh, dass wir endlich zusammen sind. Ich will keine andere Frau mehr außer dir.“

      Wieder umarmte sie ihn und Freudentränen verließen Evas Augen. Sie war so unsagbar glücklich. „Willst du, dass ich heute bei dir bleibe?“, fragte Eva vorsichtig.

      Harald nahm Eva wieder in den Arm, sah sie eine Weile stumm an und antwortete dann: „Bitte verstehe mich nicht falsch, wenn ich das jetzt nicht möchte. Glaube mir,

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