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Mama Applegate hatte über Rhetts Verschwendung nur ein leises Schnauben übriggehabt und die Bemerkung: „Man sieht es ja noch nicht einmal.“

       Aber Rhett hatte sein Handeln energisch verteidigt. „Wenn es einen nicht zur Mutter macht, schwanger zu sein, dann weiß ich nicht, was es sonst tut.“

      Danach war seine Mutter etwas weicher geworden, denn schließlich erwartete Everleigh ihr erstes Enkelkind. Das verlieh ihr etwas mehr Bedeutung in der starken texanischen Familie.

      Sie stand auf und ließ ihren Blick über die schier endlose Ranch der Applegates schweifen. Irgendwo da draußen war er. Ihr Mann.

      Seit sie ihm gesagt hatte, dass sie schwanger sei, arbeitete Rhett tagsüber auf der Ranch und abends an den Plänen für das Haus.

      In der nächsten Woche wollte der Bauunternehmer mit den Erdarbeiten beginnen. Everleigh legte ihre Finger auf ihren lächelnden Mund.

      Es wurde wirklich also etwas daraus. Sie bekamen ihr eigenes Haus. Wenn sie noch glücklicher wäre, würde sie wahrscheinlich platzen. War es richtig, dass eine einzige Frau so viel Liebe und Freude empfand?

      Als es leise an der Tür klopfte, griff sie nach ihrem Morgenmantel, aber Mama Applegate stand schon im Zimmer, ohne auf ihr „Herein“ zu warten und zupfte an ihren weißen Spitzenhandschuhen.

      „Wie geht es dir, Liebes?“

      „Danke, gut. Immer noch keine Morgenübelkeit.“ Everleigh zog den Gürtel ihres Bademantels enger und sah sich nach ihren Hausschuhen um. Montags hatte sie bei Kestner’s frei und Rhett bestand darauf, dass sie sich ausruhte. Aber als Frau eines Ranchers und als Schwiegertochter von Heidi Applegate war das Herumliegen purer Luxus, denn es gab immer etwas zu tun.

      „Dann kannst du wirklich von Glück reden. Bei mir war die morgendliche Übelkeit wirklich die Hölle. Na ja, auf dem Küchentresen stehen Salzstangen – für alle Fälle.“

      Ihre Schwiegermutter sah sie dabei mit einem Maß an Mitgefühl an, das sie bisher noch nicht bei ihr erlebt hatte. Es war eine Art Zärtlichkeit, die ausdrückte, dass ihr klar war, was es bedeutete, neues Leben auf diese Welt zu bringen.

      „Ich muss ein paar Besorgungen in der Stadt machen. Wenn du so weit bist, dann füttere doch bitte die Hühner und jäte im Garten Unkraut.“

      „Gut, das mach ich.“

      „Ich werde nicht rechtzeitig zum Lunch wieder da sein, also bediene dich. Spike und Rhett sind vor ungefähr einer Stunde auch in die Stadt gefahren, um sich dort mit einem neuen Züchter zu treffen, der anscheinend einen Tag früher in der Stadt ist als geplant. Rhett lässt dir ausrichten, dass du bitte den Katalog durchschauen sollst, den er dir gegeben hat. Er möchte heute Abend gern die restlichen Baumaterialien aussuchen.“ Mrs. Applegate wollte gerade die Tür wieder schließen, hielt dann aber noch einmal inne und sagte: „Und pass auf dich auf, ja? Halte auch einen Mittagschlaf, wenn du ihn brauchst.“

      „Das mache ich. Gegen Mittag werde ich tatsächlich immer etwas müde.“

      Die Augen der Älteren glänzten, als sie nickte und ein ganz klein wenig errötete. „Ich erinnere mich … ach ja, und kannst du bitte die Kartoffeln und Karotten fürs Abendessen schälen? Und die Äpfel für den Pie? Den Teig habe ich schon heute Morgen zubereitet und ihn in den Kühlschrank gelegt.“ Einen Moment lang blieb Mama Applegate noch in der Tür stehen und sagte dann noch: „Lass uns doch beim Abendessen heute das erste Applegate Enkelkind feiern.“ Sie ließ ihren Blick noch einmal durch das vollgestopfte Jugendzimmer ihres Sohnes schweifen und bemerkte: „Du bist bestimmt froh, wenn du hier rauskommst, das weiß ich. So … aber ich mach mich jetzt mal lieber auf den Weg … Ach ja, Spike hat heute Morgen einen von den Welpen abgegeben. Jetzt sind nur noch vier übrig. Ich habe ihm gesagt, dass dieser Wurf der niedlichste ist, den Lola je gehabt hat, und dass ich überlege, auch selbst einen zu behalten.“ Dann legte sie den Zeigefinger auf die Lippen. „Aber pst, lass das erst mal unser Geheimnis bleiben, ja?“

      Daraufhin verschloss Everleigh mit einem imaginären Schlüssel ihren Mund, ihre Schwiegermutter lächelte, und die beiden hatten noch einen liebevollen gemeinsamen Moment, bevor die Ältere sich ein zweites Mal verabschiedete und die Zimmertür schloss.

      Als sie weg war, nahm Everleigh ein Bad, zog sich an und wischte dann mit einem von Rhetts schmutzigen T-Shirts erst auf den Nachttischen und dann auf dem alten Schreibtisch am Fenster Staub, wo er sich jeden Abend mit den Bauplänen für das Haus beschäftigte.

       „Ich liebe dieses Haus immer mehr“, sagte er, als er ins Bett kam und sich neben sie kuschelte, um ihren Bauch zu streicheln, bevor er dann das Licht ausschaltete. „Was meinst du, mein Sohn? Möchtest du in dem Haus in der Memory Lane aufwachsen?“

       „Halt! Was ist denn, wenn es ein Mädchen ist? Sie wird glauben, dass du sie nicht magst.“

       Dann küsste Rhett sie und sagte: „Sie wird mir wertvoll wie mein Augapfel sein.“

      Everleigh zuckte zusammen, als sich in ihrem Bauch etwas regte. Spürte sie gerade zum ersten Mal das Kind? Der Arzt hatte gesagt, es sei noch zu früh, um Kindsbewegungen zu spüren, aber vielleicht ließ ihr Kind sie ja wissen, dass er oder sie unbedingt in dem herrlichen neuen Haus leben wollte, wo sie Erinnerungen schaffen würden – von Essen im Familienkreis, Brettspielen vor dem Zubettgehen, von Geburtstagen und Feiertagen, warmem Kaminfeuer im Winter und selbst gemachtem Eis im Sommer.

      So, jetzt aber genug der Tagträumerei. Es wartete Arbeit auf sie, die erledigt werden musste. Sie band sich noch rasch ein Tuch um den Kopf und ging dann nach unten.

      Als Erstes nahm sie die Küche in Angriff. Sie machte die Pfanne sauber, in der Mama Applegate zum Frühstück immer Eier und Speck für die Männer briet. Außer Rhett und seinem Vater arbeiteten noch Onkel Floyd, Cousin Mike und drei Angestellte auf der Ranch, und Mama Applegate und Tante Millie wechselten sich beim Zubereiten vom Frühstück und Lunch ab.

      Als Nächstes schälte sie Kartoffeln, Karotten und Äpfel und naschte dabei ein paar Apfelspalten als verspätetes Frühstück. Dann nahm sie den Teig aus der Kühlkiste und ging anschließend gleich nach draußen, um die Gartenarbeit zu erledigen.

      Als sie den Hühnerstall sauber gemacht, Unkraut gejätet und mit den Welpen gespielt hatte, hielt sie ein kleines Nickerchen auf der Bank unter den Pappeln, und dann war es auch schon nach zwölf Uhr und sie hatte Hunger.

      Im Haus nahm sie eine Scheibe Brot aus dem Brotkasten, und als sie kurz darauf aus dem Fenster schaute, sah sie, wie sich am sonnigen Himmel jetzt Wolkenberge auftürmten. Wie sie es liebte, wenn am Nachmittag ein Regenschauer niederging!

      Nach dem Lunch wollte sie noch einmal mit den Welpen spielen, und falls es dann regnete, würde sie erst den Pie zubereiten und danach die Materialien aussuchen, die Rhett brauchte.

      Everleighs Magen knurrte, als sie erst die Brotscheiben mit Schinken und Käse belegte und sich dann noch ein Glas kalte Milch einschenkte. Sie nahm ihren Lunch mit nach draußen und hielt ihr Gesicht in die kühlende Brise, die schon nach Regen roch.

      Beim ersten Bissen von ihrem Sandwich ging ihr das Herz auf. Sie musste regelmäßiger essen und nicht erst, wenn sie vor Hunger beinah umfiel, denn schließlich wuchs ein Kind in ihr heran. In der Zwischenzeit hatten sich Lolas Bordercollie-Welpen um ihre Füße herum versammelt, wo sie fiepten und jaulten und versuchten, an ihren Beinen hochzuklettern, um einen Bissen abzubekommen.

      Sie hatte sich schon entschieden, den kleinsten und mickrigsten Welpen aus dem Wurf zu behalten und ihn mit in die Memory Lane zu nehmen. Sie hatte ihm den Namen Rocco gegeben.

      Der Wind zauste in den Zweigen der Bäume und drehte die Blätter mit der Unterseite nach oben, ein sicheres Zeichen, dass es regnen würde. Außerdem türmten sich die bedrohlichen Wolkenberge immer höher auf.

      Der Wind wehte Everleigh die Serviette vom Schoß und Rocco schloss sich seinen

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