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      «Dem … dem … dem …?» Galgenberg kam nicht sofort auf den Namen des Ermordeten. «Dem Kittlitz kann et nich jehört ham?»

      «Möglich ist das schon, aber … das müssen wir noch herausbekommen.»

      «Was hat denn Ihre Spurensuche im Neuschnee ergeben?», fragte Kappe.

      «Nicht viel», bedauerte Dr. Kniehase. «Nur dass der Täter tatsächlich vom Wald her auf das Grundstück gekommen ist.»

      Kappe nickte. «Das deckt sich ebenfalls mit der Wahrnehmung von Schulz. Das Werkzeug, mit dem er Schulz fast erschlagen hätte, haben Sie aber nicht finden können?»

      «Nein.»

      «Keen Wunda», sagte Galgenberg. «Der wird doch mit seiner Waffe auf Schulz einjeschlagen ham. Zu schießen hat er sich ja nich mehr jetraut - oda er hatte keene Kugel mehr.»

      «Gut …» Kappe überlegte einen Augenblick. «Dann gehen wir noch einmal von Haus zu Haus und fragen die Leute, ob sie einen Soldaten gesehen haben.»

      Doch auch diese Befragung blieb ohne Erfolg. Als sie bei Siegfried Kruse klingelten, fiel Kappe ein, dass Schulz bei diesem Nachbarn seine Sachen vergessen hatte.

      «Sind die noch da?», fragte er Kruse.

      «Ja, ich dachte, der kommt noch mal.»

      «So schnell wird er nicht können.» Kappe informierte den Nachbarn über das Schicksal des Elektrikers.

      «Der Arme! Ich bringe ihm sein Zeug mal in den Laden, wenn ich in der Roonstraße zu tun habe.»

      Am Tatort zurück, fragte Dr. Kniehase Kappe und Galgenberg, ob sie schon mit dem Mann gesprochen hatten, der Friedrich Schulz halbtot auf der Bismarckstraße gefunden hatte.

      «Nein, das haben wir in der Eile vergessen.»

      «Vielleicht hat der noch etwas beobachtet, was uns weiterbringen könnte.»

      Kappe suchte schon in seinen Notizen. «Hier: ein gewisser Erich Priepert, Forststraße … Das muss doch gleich hier um die Ecke sein. Also, nichts wie hin.»

      Zu Hause war aber nur Frau Priepert, die von besonderen Wahrnehmungen ihres Mannes nichts wusste.

      «Wenn Sie den selber sprechen möchten, müssen Sie nach Tegel in unseren Lebensmittelladen.»

      «Könn wa nicht anrufen?», fragte Galgenberg, der weitere Fußmärsche fürchtete.

      «Ja, gerne.» Zum Glück besaßen die Prieperts zu Hause wie im Laden einen Fernsprechanschluss.

      Als Kappe Erich Priepert am Apparat hatte, erklärte er ihm kurz, worum es ging.

      «Wer ist Ihnen denn alles begegnet, bevor Sie Schulz entdeckt haben?»

      «Niemand!», rief Priepert, um aber schnell hinzuzufügen:

      «Warten Sie mal …» Endlich konnte er sich erinnern. «Ja, da war tatsächlich noch einer … ein Soldat … Der ist die Bismarckstraße lang, nach Tegel hin … Erkannt habe ich aber nichts, trotz des Schnees … Ohne den hätte man bei der Dunkelheit gar nichts sehen können.»

      «Danke, Herr Priepert, das reicht uns schon.» Kappe hängte wieder ein.

      Die These, dass es sich beim Doppelmörder vom Dohnensteig um einen Soldaten handelte, konnte nach den Aussagen von Schulz und Priepert als weithin gesichert gelten.

      Als sie wieder am Dohnensteig angekommen waren, sahen sie, dass Dr. Kniehase vorn am Gartentor stand und mit einem Mann von etwa dreißig Jahren sprach, den sie vorher noch nicht bemerkt hatten.

      «Det wird der Täta sein», sagte Galgenberg. «Bei dem, wat wir allet üba ihn wissen, hatta sich gleich selba jestellt.»

      «Das ist doch kein Soldat», sagte Kappe.

      «Een Soldat muss nich imma Uniform tragen», wandte Galgenberg ein.

      Es sollte sich schnell herausstellen, dass es sich bei dem Mann am Gartentor um Erwin Reczyn handelte, den Bruder der Ermordeten. Er arbeitete seit Kriegsbeginn bei einer Bank in Köln und hatte nicht früher nach Berlin kommen können.

      Kappe, Dr. Kniehase und Galgenberg sprachen ihm ihr Beileid aus, dann setzten sie sich mit ihm an den Küchentisch, um mit ihm zu reden.

      «Ich wusste gar nicht, dass meine Schwester einen neuen Liebhaber hatte, diesen Herrn hier, der mit ihr …»

      Kappe wurde hellhörig. «Liebhaber? Das klingt so, als wären Sie mit dem Leben, das Ihre Schwester geführt hat, nicht ganz einverstanden gewesen?»

      Erwin Reczyn atmete tief durch. «Meine Frau kommt aus einer streng katholischen Familie, und da hat es schon ab und an böse Worte gegeben, wenn Erna wieder einmal einen neuen Herrn hatte.»

      «Wen denn zum Beispiel?»

      «Na, zuletzt diesen fürchterlichen Kerl, der im Baltikum bei den Freikorps war …» Reczyn brach ab, da er offensichtlich nicht abschätzen konnte, wo die Kriminalbeamten politisch standen.

      «Ich meine nicht, was diesen Menschen als Soldaten betrifft, sondern … Er war krank vor Eifersucht und hat gedroht, sie umzubringen, wenn sie etwas mit einem anderen anfängt, während er im Felde steht.»

      Kappe glaubte, zu träumen oder sich verhört zu haben, und fragte deshalb nach: «Krankhaft eifersüchtig?»

      «Ja. Ich hab ihn nie selbst erlebt, aber meine Schwester hat mir das ein paar Mal geschrieben.»

      «Wie heißta denn?», fragte Galgenberg.

      «Keine Ahnung.»

      «Wie?!» Kappe konnte es nicht fassen. «Wenn Ihre Schwester von ihm geschrieben hat, dann muss sie doch einen Namen genannt haben.»

      «Ja, schon, aber nur seinen Spitznamen: Schluchti.»

      «Wat?», kam Galgenbergs Nachfrage.

      «Schluchti, wie Schlucht, nur mit ’nem I hinten.»

      «Ich kenne Leute, die Schluchter heißen», sagte Dr. Kniehase.

      «Det bleibt bloß wieda an mir hängen, det ick die Mannschaftslisten alle uff een Schluchter durchsehen muss, allet, wat vom Detachement von Randow noch da ist.»

      «Gut, Galgenberg, gut!», rief Kappe. «Ich bewundere deinen Instinkt!»

      «Wie hat meine Mutta imma zu mir jesagt? Justav, du hast et jut, du bist doof.»

      Als Erwin Reczyn wieder gegangen war, saßen sie erst einmal schweigend in der Küche, um alles zu verarbeiten.

      «Jetzt haben wir plötzlich zwei Möglichkeiten», sagte Kappe schließlich. «Erstens, dass dieser Doppelmord hier am Dohnensteig nichts mit den vier anderen Liebespaarmorden zu tun hat. Es war sozusagen eine singuläre Tat: Dieser Schluchti hat aus krankhafter Eifersucht erst den Liebhaber seiner Erna erschossen, dann sie selber.»

      «Wobei er bemüht war, alles so aussehen zu lassen wie bei den anderen Taten», ergänzte Dr. Kniehase. «Damit wir später auch den Dohnensteig dem gesuchten Lustmörder zuschreiben und er nichts mehr befürchten muss.»

      Kappe nickte. «Ja, ganz meiner Meinung. Aus den Zeitungen könnte er genug über die vorangegangenen Morde erfahren haben. Aber dennoch dürfen wir die zweite Möglichkeit nicht außer Acht lassen, dass Schluchti auch die anderen vier Taten begangen haben könnte. Vielleicht ist er wie üblich zu Werke gegangen und hat zu spät erkannt, dass es seine Erna ist, die hier mit Kittlitz im Bett liegt. Aber so viel Zufall …?»

      «Was glauben Sie denn?», fragte Dr. Kniehase.

      Kappe zögerte mit einer Antwort. «Mal dies, im nächsten Augenblick aber wieder das andere. Auf alle Fälle haben wir jetzt etwas, in das wir uns verbeißen können. Wenn wir fieberhaft nach diesem Schluchti suchen, kann uns keiner mehr vorwerfen, dass wir untätig herumsitzen und auf den nächsten Doppelmord warten.»

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