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zu schützen. Verweise darauf, dass man durch die allgemeine Verfolgung aller Illegalen gerade die unschuldigen, hart arbeitenden, ihre Familien unterstützenden Illegalen jedem Verbrecher aussetzt, weil sich keiner von ihnen mehr traut, die Sicherheitsdienste der Polizei in Anspruch zu nehmen, sind so defensiv wie lächerlich. Denn genau so sind die neuen Gesetze gemeint: Die Sicherheit der Einheimischen braucht die flächendeckende Verunsicherung der Fremden – das ist keine Nebenwirkung, sondern Zweck der Sache. Eine echte legislative Errungenschaft also; die andere Kammer muss das Gesetz nur noch abnicken.

      Doch schon am nächsten Tag ist Trump ziemlich schlecht drauf. Trotz seiner per Wahlerfolg bewiesenen Großartigkeit und all seiner Erfolge im Amt will sich bei den etablierten Medien die Erkenntnis einfach nicht durchsetzen, dass er ein Glücksfall für Amerika ist. Und so fügt er der langen Geschichte seines Kampfes gegen die „mainstream media“ eine weitere Episode hinzu. An diesem Morgen sind es die zwei Moderatoren eines gerade bei Republikanern beliebten Morgenmagazins (Joe Scarborough und Mika Brzezinski von „Morning Joe“), die zu spüren bekommen, was es heißt, wenn Trump „Feuer mit Feuer bekämpft“:

      „Hab’ gehört, das niedrig bewertete ‚Morning Joe‘ spricht schlecht über mich (die Show gucke ich eh nicht mehr). Wie kommt es dann, dass die Niedrig-IQ-Crazy-Mika zusammen mit Psycho-Joe drei Nächte in Folge ums Neujahr herum zu mir ins Mar-a-Lago kamen und darauf bestanden, sich mit mir zu treffen? Sie blutete schlimm wegen eines Faceliftings. Ich hab’ Nein gesagt!“ (29.6.17)

      Für die Profis der Öffentlichkeit offenbart Trump mit seinem persönlichen Angriff auf „Crazy Joe“ und „Dumm-wie-ein-Stein-Mika“ (so ein weiterer Tweet) eine Schwäche: Er steht nicht über dem ‚Meinungsstreit‘, den sie führen, sondern reagiert empfindlich auf alles, was er als Beleidigung wahrnimmt – und das ist recht viel. Der Hauptbetroffene davon, dass Trump sich immer so aggressiv betroffen aufführt, ist sein eigenes Amt: Indem er sich – wie im Wahlkampf – als Partei bekennt und aufführt, als müsste er den Sieg noch erringen, wozu auch persönliche Gehässigkeiten unvermeidlich dazugehören, beschmutzt er die „Würde“ des hohen Amtes, das er mit seinen offenbar effektiven Methoden mittlerweile längst errungen hat. In diesem Sinne wird ein aufschlussreicher Vergleich gemacht:

      „Vielleicht sollten wir einen Moment lang mit Donald Trump Mitleid haben... Denn ihm geht offensichtlich die Härte eines George Washington ab, der einmal bemerkte, dass ‚die Pfeile‘ seiner Kritiker ‚niemals den verwundbarsten Teil von mir treffen könnten‘. Ihm fehlt auch das Selbstvertrauen eines Dwight Eisenhower, der einmal auf die Frage, ob er die Berichterstattung über ihn fair finde, sagte: ‚Naja, am Ende sehe ich nicht, was ein Journalist einem Präsidenten jemals antun könnte.‘“ (New York Times, 30.6.17)

      Oder, wie der angegriffene Moderator selbst es zusammenfasst:

      „Trump sollte sich mehr um die NATO oder den Aufbau einer Beziehung zu Angela Merkel kümmern als sich mit irgendwelchen Nachrichten-Moderatoren anzulegen.“ (Ebd.)

      Das ist schon interessant, denn damit verlangt die demokratische Öffentlichkeit von der Herrschaft Souveränität auch ihr und ihrer Kritik gegenüber: Den Präsidenten sollte polemische Kritik nicht jucken, jedenfalls nicht so sehr, dass er sich zu einem Gegenschlag herausgefordert sieht. Damit wird ausdrücklich die Freiheit der Macht anerkannt, journalistische Angriffe schlicht zu ignorieren – man besteht sogar darauf, wenn man genau darin „die Würde des Amtes“ erkannt haben will: Der höchste Amtsträger soll in der Gewissheit ruhen, im Besitz der einzig entscheidenden Kompetenz zu sein, nämlich den Weg der Nation zu bestimmen und sich in dieser Autorität praktisch unanfechtbar zu wissen. Diese Forderung gibt Auskunft über die wahre Natur der Freiheit, die die professionelle Öffentlichkeit für sich selbst verlangt: Sie ist bloß die Kehrseite der Freiheit, die die Presse den wirklichen Machthabern zuerkennt. Man besteht auf der Erlaubnis, das gesamte Tun und Treiben der Regierenden in Frage zu stellen, weil man weiß und akzeptiert, ja geradezu darauf besteht, dass die Öffentlichkeit von den Herrschenden als ungefährliche, weil praktisch inkompetente, eben als ‚bloße‘ Kritik behandelt wird. Das ist die Meinungsfreiheit, zu der die journalistische Öffentlichkeit von der demokratischen Hoheit ermächtigt sein will: Sie besteht in der strikten Trennung zwischen einer Äußerung von Kritik, die rücksichtslos sein darf, und der praktischen Konsequenz, die noch jeder Kritik immanent ist. Der Respekt, den man vom Präsidenten fordert, besteht in der souveränen Duldung von Meinungen, die bei aller Gehässigkeit dem angegriffenen Machthaber alle Freiheit lassen, selbst zu entscheiden, was aus ihnen folgt – und ob überhaupt irgendetwas.

      Das ist zwar wunderbar konstruktiv, beeindruckt Trump aber überhaupt nicht: Die Presse soll ja gerade Partei ergreifen, nämlich für ihn – und zwar gerade deswegen, weil er sich als Partei aufführt und auf niemanden Rücksicht nimmt. Genau das braucht es ja für den Kampf, der im Politikbetrieb der USA endlich zu führen ist – gegen alle, die sein volksdienliches nationales Konkurrenzprogramm nicht unterstützen. Er will ja gerade den Geist des Kämpfens und vor allem des Siegens, also der Erledigung aller Gegner, in die Politik (wieder)einführen, weil Amerika endlich wieder zum weltweit unangefochtenen Gewinner werden soll. Dazu gehört ein sehr entschlossener Kampf gegen seine Kritiker in den „mainstream media“; dieser Kampf bringt allerdings nicht bloß seine Feindschaft gegen sie zum Ausdruck. Seine tiefe Beleidigung zeugt vielmehr von einem stark empfundenen Rechtsanspruch auf Anerkennung; nicht bloß wegen seiner empfindlichen Seele, sondern wegen der Natur seiner politischen Position. Denn so sehr Trump sich als Gegner von Establishment & Mainstream versteht, so wenig versteht er sich dabei als Vertreter einer bloßen Randposition jenseits des Mainstreams, der mit dessen Feindschaft ohnehin fest rechnet. Er giert nach Lob und Anerkennung, weil er sich sicher ist, selbst der wahre Vertreter des wahren amerikanischen Mainstreams zu sein. Seine Grobheiten gegen seine Kritiker sind dabei sehr passend, weil er damit deutlich macht, dass die Beschimpfung des Präsidenten seine Gegner disqualifiziert.

      Kurz nach seiner Reise nach Polen und zum G20-Gipfel in Hamburg – für die er von der amerikanischen Presse relativ gute Noten bekommt – kehrt Trump nach Europa zurück, diesmal nach Paris, um anlässlich des französischen Nationalfeiertags und des Eintritts der USA in den Ersten Weltkrieg vor hundert Jahren die französisch-amerikanische Freundschaft zu feiern. Paris ist zwar immer noch nicht Pittsburgh, also kein relevantes politisches Sorgeobjekt für ihn, bietet aber eine schöne Gelegenheit, die Großartigkeit der amerikanischen Nation zu feiern, nämlich ihre vergangenen kriegerischen Großtaten, diesmal die Rettung Frankreichs und der Welt im Ersten Weltkrieg. Partnerschaft zwischen Nationen, eine profunde Verbundenheit zwischen Völkern – solche Werte und Ideale sind dem ‚America first!‘-Fanatiker also keineswegs fremd; sie gehören dort sogar zelebriert, wo sie in der schönsten Form offenbar werden, nämlich in der Waffenbrüderschaft. In ihr bewähren sich Völker mit Haut und Haar und bis zur letzten Konsequenz als Völker im elementaren Sinne: als Manövriermasse unter dem Kommando ihres Staates, die ihm durch ihren Einsatz und ihre Opfer zu seiner Durchsetzung gegen seinesgleichen verhilft – zu einem Sieg im Weltmaßstab in dem gefeierten Fall, für den Frankreich nicht einmal mehr alte Schulden bezahlen muss.

      Nach der Militärparade kommt eine Pressekonferenz, auf der Trump seinem Amtskollegen Macron sein größtmögliches Lob spendet: Er ist so wie Trump selbst, ein „großartiger Präsident, ein harter Kerl. Er wird die Leute nicht schonen, die gegen das Gesetz verstoßen und diese furchtbare Gewalt ausüben.“ Und eine gewisse Affinität zwischen den Vorstehern der großartigen Amerikaner hier und der grandiosen Franzosen dort, dem besten Präsidenten aller Zeiten hier und dem président jupitérien dort, lässt sich auch nicht bestreiten: Macron demonstriert es bei jeder Gelegenheit mit seinen zahlreichen Inszenierungen von Glanz und Gloria der französischen Macht vor den herrschaftlichen Prunkbauten des Landes und eben bei einer beeindruckenden Militärparade mit Trump an seiner Seite. Und beide führen es zusammen mit einer ausgedehnten Händedruck-Session auf den Champs Élysées in aller Deutlichkeit vor: Die Herrlichkeit der Macht lässt deren Inhaber heller erstrahlen, und die Standhaftigkeit der Machthaber wirft ein schönes Licht auf die Respektwürdigkeit der Macht, die sie kommandieren und repräsentieren.

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