Скачать книгу

hat!«

      Nili sieht die beiden mit fragender Miene an.

      »Er hat uns an der Tür mit barschem Ton abgefertigt, als wir ihn darüber informierten, weswegen wir gekommen sind, und dass wir ihn vorladen wollten«, ergänzt Margrit. »Dann hat er uns angeschrien. Wir sollen uns gefälligst bei seinem Anwalt melden, wenn wir etwas von ihm wollen. Schließlich hat er einfach die Tür vor unserer Nase zugeknallt. Ein süßes Früchtchen, unser Rafael! Aber wer dieser Anwalt sein soll, hat er uns auch auf unser wiederholtes Klingeln hin nicht verraten.«

      »Keine Bange, Leute«, sagt Nili besänftigend, »den kriegen wir schon noch bei den Hammelbeinen! Ich habe für morgen Nachmittag bereits einen Termin beim Oberstaatsanwalt, nachdem wir Frau Frohm befragt haben. Ich bin mir sicher, da bekommen wir eine amtliche Vorladung. Wie sieht es mit dem Zeugen Thieslaff aus?«

      »Den haben wir nicht persönlich angetroffen, aber bei seiner Tochter unsere Karte und eine Benachrichtigung, dass er morgen früh hier aussagen soll, hinterlassen!«, berichtet Robert, der schon etwas ruhiger geworden ist.

      Margrit ergänzt: »Und übrigens, noch etwas Eigenartiges: Bei der Polizei-Zentralstation in Schönberg weiß man angeblich überhaupt nichts von dem Fall. Keine Protokolleintragung bezüglich der Nachfrage einer gewissen Frau Cindy Frohm im vorvorletzten Monat November.«

      »Sagte ich doch: Da ist etwas faul im Lande Schleswig-Holstein!«, dichtet Robert Shakespeares ›Hamlet‹ um.

      *

      »Evkaristo, lieber Georgios! Vielen Dank auch an deine Marita in der Küche! Diesen Oktopus-Salat haben wir bisher so noch nie bei dir gegessen, aber er hat wieder mal hervorragend geschmeckt!«, lobt Nili Wirt und Köchin der Taverna Syrtaki, wo sie sich mit Kitt und Waldi zum Abendessen getroffen hat.

      »Ich gebe das Lob gerne weiter, aber ich muss gestehen, dass der Salat dieses Mal nicht von Marita, sondern von unserem neuen spanischen Küchenpraktikanten aus Vigo zubereitet wurde. Manolo, komm mal her!«, ruft er in die Küche.

      Kurz darauf erscheint ein jugendlicher Schwarzzopftwen mit wachen und lustig lächelnden dunklen Augen an ihrem Tisch. Er trägt eine weiße Jacke und eine karierte Hose. »Vielen danken«, sagt er und blickt verlegen zu Boden, »fur meine ensaladilla de pulpo a la gallega hat gut geschmackt.«

      Nili dankt ihm auf Spanisch und lobt noch einmal das leckere Gericht. Danach verziehen sich die beiden wieder in die Küche und Waldi schenkt roten Kamaris nach, den sie so gern und deshalb immer wieder bei ihrem ›Griechen um die Ecke‹ trinken.

      »Also, wie sieht es aus, Kitt? Was meinst du? Wird dein Vater zustimmen? Wäre es sinnvoll beziehungsweise Erfolg versprechend, den Fall wieder aufzurollen?«

      »Wenn das alles sich so darstellt, wie du es mir beschrieben hast, Nili, denke ich schon. Am besten wäre, wenn du die Akte mit der Aussage des Opfers sowie des Zeugen ergänzen könntest. Und ja, auch mit dem medizinischen Untersuchungsbefund und den Fotos des Krankenhauses. Ich glaube schon, dass Vater dir darauf eine amtliche Vorladung für den ominösen Täter ausstellen wird. In diesem Fall würde ich auch Frau Frohm sehr gern rechtlich vertreten, sollte sie einwilligen.«

      *

      Nachdem sie am nächsten Abend eine mit bestem Olivenöl reichlich beträufelte und aus fleischigen Cuore di-bue-Tomaten- sowie Mozzarella-di-bufala-Scheiben und Basilikumblättern selbst gemachte Insalata Caprese verspeist hat, sitzt Nili in ihrer Kieler Wohnung bei einer Tasse grünem Tee und tippt fleißig in ihr Tagebuch, in dem sie die wichtigsten Ereignisse und ihre interessantesten Fälle festhält. Sie folgt damit dem Beispiel ihrer Abuelita Clarissa, die schon seit früher Jugend die bedeutenden und intimsten Gedanken ihren Tagebüchern anvertraute und gelegentlich Tochter und Enkelin daraus vorliest. Nili konnte so wiederholt spannende Begebenheiten aus ihrer Familiengeschichte und von den ereignisreichen Tagen der Flucht der Großeltern Heiko und Clarissa, ihrer Mutter Lissy und ihres Onkels Oliver aus Nazi-Deutschland sowie aus ihrem langjährigen bolivianischen Exil erfahren. Nach dem Abitur und der längeren, durch eine unglückliche Liebesaffäre verursachten Unterbrechung begann sie erst wieder mit ihren Eintragungen, als sie zur Kriminaloberkommissarin befördert und von Hamburg zu ihrer Familie nach Oldenmoor zurückgekehrt war. Die getippten Berichte werden auf separaten, nur für sie selbst bestimmten Festplatten gesondert gespeichert.

       Ich sitze heute hier allein, weil Waldi mal wieder nach Berlin zu einem Informationsaustausch beim BKA fahren musste. Die Indizien im Fall Frohm (ja, wir haben tatsächlich einen Fall!) haben sich konkret erhärtet. Also der Reihe nach: Pünktlich um neun Uhr erschien Cindy Frohm und berichtete ausführlich über die Geschehnisse, die sich in der Nacht vom 13. zum 14. November des vorvorigen Jahres zugetragen hatten. Im Großen und Ganzen deckte sich ihre Erzählung mit dem, was wir bereits aus Treumanns ›Akte‹ erfahren hatten. Mit ihren Angaben und der Hilfe Ferdls bei der Durchforstung der diversen Kommissariate Kiels konnten wir gemeinsam die wahrscheinlichste Polizeistation herausfinden, bei der sie ihre ergebnislos gebliebene Anzeige am Tag darauf gemacht hat: Da die Fete im Gebiet unweit des Tatorts in der Paradiesstraße im Schwentinetal stattfand, war dies wohl das nahe gelegene Revier am Seebrocksberg. Auf meinen Anruf hin bestätigte man mir, dass dort tatsächlich ein entsprechendes Protokoll angefertigt und dieses ordnungsgemäß an die Staatsanwaltschaft übersendet worden sei. Man mailte uns sofort eine Kopie von Cindys Anzeige, die sehr wohl eine Aktenzeichennummer trägt und von einem gewissen Polizeimeister Ullrich gegengezeichnet worden war. Man konnte mir allerdings nicht erklären, warum man der Anzeigenden nicht sogleich die Nummer des Aktenzeichens mitgeteilt hatte. Während Cindy auf ihr getipptes Aussageprotokoll wartete, um es zu unterschreiben, erschien auch der Zeuge Thieslaff. Er erkannte die Frau sofort, machte eine nochmalige und gleichlautende Aussage und unterschrieb ebenfalls sein Protokoll.

       Mit Frau Frohms Bewilligung zur Entbindung von ihrem Patientengeheimnis schickte ich Robert zu Frau Doktor Wallgarten ins Städtische Krankenhaus. Sie mailte uns postwendend den medizinischen Untersuchungsbefund sowie die von ihr gemachten Fotos der Verletzungen als pdf- und jpg-Anhang. Die Verletzungen, die Rafael Kohlmann der armen Frau zugefügt haben soll, waren in der Tat äußerst brutal.

       Den üblen Gesellen hätte ich mir liebend gern persönlich vorgeknöpft und ihn ordentlich verdroschen (Aber, aber, Frau Kriminalhauptkommissarin, so etwas dürfen Sie doch nicht einmal denken!). Unerklärlich bleibt für mich dennoch, wieso man damals den Vorfall seitens der Polizei und der Staatsanwaltschaft nicht weiter verfolg hat (Schlamperei oder bewusste Verschleierung?). Es lag ja die eindeutige Aussage des Zeugen Thieslaff bei den Streifenpolizisten vor. Ferdl hat inzwischen recherchiert, dass diese beiden, Polizeimeister Uwe Jochimsen und Axel Waldmann, die Meldung Thieslaffs ordnungsgemäß auf ihrem Revier weitergaben. Sie sagten jedoch ihm gegenüber aus – entgegen der Behauptung des mutmaßlichen Täters Kohlmann –, sie seien im Rahmen ihrer routinemäßigen Streifenfahrt rein zufällig und nicht auf den etwaigen Anruf beim Notruf 110 am Tatort vorbeigekommen. Bewaffnet mit all diesen Beweismitteln, machte ich mich auf den Weg zu Oberstaatsanwalt Harmsen und legte sie ihm vor. Auch er war sichtlich erbost, weil die Angelegenheit derart unprofessionell von Polizei und Strafverfolgung gehandhabt worden war, und veranlasste die Ausstellung einer Vorladung des Rafael Kohlmann zwecks Befragung. Dann rief er in meinem Beisein Staatsanwalt Dr. Uwe Pepperkorn an und bat ihn, sich des Falles anzunehmen und ein internes Ermittlungsverfahren in den beiden betroffenen Polizeistationen einzuleiten. Er meinte auch noch, er wolle selbst in Erfahrung bringen, wer hier als Staatsanwalt zuständig gewesen sei und weshalb dieser eine Einstellung des Verfahrens veranlasst habe. So, liebes Tagebuch, das war’s für heute. Schade, ich muss diese Nacht allein schlafen! Werde noch eine SMS an Waldi schicken und mich beklagen, dass ich ihn so sehr vermisse. Und dann ab ins Bett! Morgen früh nach dem Joggen geht’s mal wieder auf den Schießstand, bin schon drei Mal vom Kollegen Hummel angemahnt worden.

      Конец ознакомительного фрагмента.

      Текст предоставлен ООО «ЛитРес».

      Прочитайте эту книгу целиком, Скачать книгу