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von Professor Doktor Klamm noch abzuliefernden Obduktionsberichts von dem vorläufigen Ergebnis der Leichenbeschau durch den Assistenzarzt Engelmann ausgehen, ist die tot aufgefundene Frau offensichtlich einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. Es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die Person«, er blickt auf den schriftlichen Bericht, den er von Lutz Krause soeben erhalten hat, »der Jenny Bartels-Klinck, geboren am 28.10.1977 in Oldenmoor, Kreis Steinburg. Kollegin Hink konnte inzwischen feststellen, dass eine Frau mit diesem Namen und einer zu der Toten passenden Beschreibung am letzten Sonnabend, dem 8. Mai, um elf Uhr vormittags bei der Polizeistation Mettenhof am Skandinavienkai von einem Herrn Julian Volkmann als vermisst gemeldet wurde. Im vorliegenden Bericht wird Herr Volkmann als ihr Jugendfreund und gegenwärtiger Wohnungsgeber des Opfers bezeichnet. Offensichtlich ist jedenfalls, dass der Leichenfundort nicht der Tatort ist. Auffällig ist zudem eine Übereinstimmung des am Ehering eingravierten Heiratsdatums des 7. Mai mit dem Tag, an dem die Tat mutmaßlich begangen wurde. Eine Beziehungstat ist also naheliegend. Als erste Schritte werden wir besagten Jugendfreund sowie den geschiedenen Ehemann, Leutnant zur See Klinck, am Tirpitzhafen aufsuchen und befragen sowie zur Identifizierung der Leiche auffordern. Selbstverständlich werden wir aber auch in sämtliche weitere Richtungen ermitteln. Wir erstatten Ihnen Bericht, sobald wir Neuigkeiten haben. Wir dürfen uns jetzt empfehlen?« Er steht auf und nickt in die Runde. »Wir möchten uns unverzüglich an die Arbeit machen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«

      *

      »Ja, Frau Kriminalhauptkommissarin, ich muss Ihnen gestehen, dass ich der Autor dieser vorgetäuschten Akte bin!«, beichtet ein zerknirschter Hugo Treumann, der mit gesenktem Haupt vor Nilis Schreibtisch steht.

      »Wie kommen Sie dazu, Treumann, was ist Ihnen da nur eingefallen?« Nili sieht ihn herausfordernd an. »Das kann böse Konsequenzen für Sie haben! Als Hausbote des LKA haben sie doch eine Vertrauensstellung, die Sie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen sollten – noch dazu so kurz vor Ihrem Ruhestand!«

      »Ich weiß, Frau Masal, Sie haben selbstverständlich recht! Aber ich konnte einfach mein armes Patenkind nicht mehr weiter so vergrämt sehen, das müssen Sie verstehen! Das Mädel leidet seit dem Vorfall unter schlimmsten Depressionen. Sie hat deswegen auch ihren vormaligen guten Arbeitsplatz bei den Stadtwerken sowie fast alle ihre Freunde und Bekannte verloren. Cindy lebt nun mehr schlecht als recht von der Stütze und verkriecht sich nur noch in ihrer Einzimmerwohnung. Dieser miese Kerl, den sie einst so sehr geliebt hat, hat sie kaputt gemacht und läuft unbescholten und frei herum. Das konnte ich nicht mehr mit ansehen und habe deshalb die wenigen Unterlagen, die Cindy in dieser Sache überhaupt besaß, zusammen mit dem von mir verfassten ›amtlichen Protokoll‹ in einen alten Aktendeckel – der bei uns zur Vernichtung anstand – eingebracht und diesen neu beschriftet. Es tut mir leid, ich wollte Sie und Ihre netten Kollegen keineswegs hintergehen, aber ich dachte mir, da Sie bei den letzten Cold Cases so erfolgreich ermittelt haben, wäre das Hineinschmuggeln in Ihren Aktenberg ein gangbarer Weg, damit das arme Kind vielleicht endlich zu ihrem Recht kommt. Ich bedaure sehr, dass ich Sie damit verärgert habe, Frau Masal, glauben Sie mir bitte!« Dicke Tränen laufen über die Wangen des Sechzigjährigen.

      »Ist ja gut, Treumann, beruhigen Sie sich! Es wäre einfacher und ehrlicher gewesen, wenn Sie sich mit diesem Sachverhalt direkt an uns gewandt hätten. Seien Sie so nett, nehmen Sie die Akte wieder mit und bringen Sie sie mir in einem neuen und unbeschriebenen Aktenordner zurück. Abgesehen von Ihrem kleinen illegalen Dreh, über den ich ausnahmsweise hinwegsehen möchte, nehme ich Ihnen den darin geschilderten Tatbestand als durchaus plausibel ab und wir werden sehen, ob sich diese Untat irgendwie wieder aufrollen lässt. Jedenfalls benachrichtigen Sie bitte Ihr Patenkind, sie möchte sich morgen früh um neun hier melden, damit ich sie persönlich befragen kann. Außerdem benötigen wir von ihr die Zustimmung, das Städtische Krankenhaus von der ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden, damit wir an die Behandlungsakte und die Fotos gelangen, die die behandelnde Ärztin gemäß ›Akteneinsicht‹«, Nili zwinkert mit den Augen, »von Frau Frohm am Tage danach gemacht hat. Anschließend können wir entscheiden, ob wir bei der Oberstaatsanwaltschaft vorstellig werden, um eine Neuaufnahme des Falles zu beantragen.«

      Treumann wischt sich die Tränen aus dem Gesicht. »Ich … ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken kann, verehrte Frau Krim…«, stottert er und wird jäh von Nili unterbrochen: »Nun gehen Sie schon, Mann, bevor ich’s mir anders überlege!« Breit lächelnd deutet sie mit einem Blick zur Tür.

      Treumann nickt nur und eilt hinaus.

      Dann dreht sich Nili zu Ferdl um, der sehr geschäftig an der Tastatur seines PCs hantiert. »Nach dieser Cindy brauchen Sie also nicht mehr zu recherchieren, Ferdl, die erscheint morgen früh bei uns. Wie sieht es mit dem Zeugen Thieslaff aus, irgendwas Neues?«

      »Hab scho sei Anschrift: Marco Thieslaff, neunundsechzig Jahre alt, Rentner, gebürtig in Kiel, wohnhaft Paradiesweg 78 im Schwentinetal. Hab ebenfalls an g’wissen Rafael Kohlmann, achtunddreißig Jahre, auch in Kiel geboren, g’funden, der ist g’meldet am Hafkamper Weg 22 in Heikendorf, Kreis Plön.«

      »Gut gemacht, mein werter Herr Fachinspektor! Dann rufe ich gleich Margrit und Robert an, sie sollen bei den Herren vorbeifahren und sie für morgen Vormittag zur Befragung einbestellen.«

      Wenig später kommt Hugo Treumann herein und bringt einen unbeschriebenen Aktenordner. Nili, die gerade telefoniert, nickt ihm nur zu und deutet auf ihren Schreibtisch, auf dem der Bote die Akte deponiert. Sie blättert durch die vier beschriebenen Seiten, die sich darin befinden. Treumann verbeugt sich nur kurz und verlässt hastig den Raum.

      »Ja, Herr Oberstaatsanwalt, wirklich ein sehr merkwürdiger Fall von unterlassener Tatverfolgung, von der uns heute zufälligerweise unser Hausbote berichtet hat. Ich habe vorsichtshalber erste Erkundungen veranlasst, vor allem eine Zeugenbefragung, um konkrete Fakten hervorzubringen. … Ja, es betrifft Herrn Treumanns Patenkind, eine junge Frau namens Cindy Frohm, die auf dem Nachhauseweg nach einer feuchtfröhlichen Feier bei Freunden mutmaßlich von ihrem Bekannten brutal zusammengeschlagen und dann auch noch hilflos auf der Straße liegen gelassen wurde. Ich denke, es ist wieder so ein arger Fall von Gewalt gegen Frauen, dem wir nachgehen sollten. Am besten, ich bringe Ihnen die Akte persönlich vorbei und trage vor, was wir wissen, dann können Sie entscheiden, ob und wie der Fall wieder aufgenommen werden kann. … Gut, dann morgen Nachmittag um halb vier, danke sehr für den raschen Termin! Übrigens, nochmals herzlichen Dank für das wunderschöne Fest. Herr Doktor Mohr und ich haben es sehr genossen. Bitte grüßen Sie herzlichst Ihre liebe Frau Hannelore und Kitt von uns. … Ach, die ist gerade bei Ihnen? Dürfte ich sie kurz sprechen? … Ja danke, Ihnen auch! … Hi Kitt, auch dir nochmals vielen Dank für deine herrliche Doktorhut-Party. … Ja, ja, okay, das Video hat auch uns Riesenfreude gemacht. Du, könnten wir uns heute Abend irgendwo treffen? … Ja, natürlich, in unserer Taverna Syrtaki wäre prima. Ich denke, ich hätte da eventuell eine Mandantin für dich. … Ja, darüber sollten wir uns auch unterhalten. Also schön, um sieben bei Georgios und Marita! Ich sehe zu, dass Waldi auch dazukommt. Freue mich! Pura vida!6 Tschüss!«

      Nachdem Nili das Gespräch beendet hat, meldet sich das Städtische Krankenhaus. Zufrieden nickend nimmt sie das Gespräch entgegen. »Herzlichen Dank, geehrte Frau Doktor Wallgarten, dass Sie netterweise zurückrufen. Ich darf mich vorstellen, Kriminalhauptkommissarin Nili Masal vom Sonderermittlungsteam im LKA. Wir kümmern uns um sogenannte Cold Cases … Ach Sie haben schon davon aus den Medien erfahren, prima! Es handelt sich hier um einen Fall von ernster Misshandlung an der Person einer jungen Frau namens Cindy Frohm, der Mitte November vorvorletzten Jahres … gut, sehr schön, dass Sie sich daran erinnern können. Selbstverständlich, das wissen wir! Sie erhalten Frau Frohms Erklärung zur Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, sobald sie diese morgen Vormittag hier bei uns unterschrieben hat. Es wäre nett, wenn Sie die Akte und vor allem die Fotos, die Sie laut Aussage der Geschädigten von ihr gemacht haben, raussuchen lassen. Ich schicke Ihnen so gegen vierzehn Uhr jemanden vorbei, der sie abholt und Ihnen im Gegenzug die Erklärung übergibt. … Prima, ich danke Ihnen sehr für Ihre Unterstützung! Schönen Tag noch.«

      Als Nili auflegt, kommen Margrit und Robert herein.

      »Ein Widerling, dieser Kohlmann!«, raunt Robert wütend. »Der hat uns abblitzen

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