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das schauende und das zu verdauende Auge irgendwo treffen, wie zwei von gegenseitigen Berghängen aus aufeinander zu getriebene Tunnelhälften. Wie aus dem Nachspann ersichtlich, handelte es sich um das Innenleben des UnSchöne höchstunpersönlich, eine Reise durch seinen Körper, entgegen der Verdauungsrichtung oder „entgegen der (Be)Schwerkraft“. Auf den Schränken stehen pietätlose Wolper(un)dinger-Präparate, Modelle männlicher Geschlechtsteile verschiedener Tierarten sowie Einweckgläser und Schnapsflaschen mit toten UnTieren. Im Gegensatz zu VerBuddelschiffen vorlautet hier die Frage: Wie (ver)kam der Schiffbrüchige, der Unwortbrüchige, der Buddelschiffbetrachter in die Flasche? Wie verkam diese Flasche in diese Flasche? (Wie der UnSchöne später verklärt, wird das Untier klein in die Flasche entsetzt und darin aufungezogen.) Eindrucksvoll auch das Diorama einer Rebhuhnfamilie in ihrem unnatürlichen Lebens(Aussterbe)raum. Eine unidyllische Thanato-Obszönose, in der sie wie kafkaeske Hungerkünstler (unan)ständig Plastikkäfer zu verschmähen versuchen. An den Wänden hängen in Passepartouts gerahmte, vermutlich vom Straßenverkehr plattgewalzte Igel, Eidechsen und Vögel. Exponate eines Unschönheitswettbewerbs? Platitüden, wie sie dem UnSchöne unanständig aus dem Munde heraus (ver)kom-men. Únd das soll Kunst sein? Vielleicht geht davon der ein wenig an Spanplattenmöbel erinnernde beißende Geruch nach Formaldehyd aus, der dem Alkoholdunst beigemengt ist. Dieser geruchliche Grundton vermag jedoch den unterschwelligen Verwesungsgeruch nicht ganz zu überdecken. Und die Gerüche überdecken die Gerüchte nicht. Unwillkürlich vermutet Hölzel Leichen unter dem Estrich. Mit Schaudern fühlt er, wie die pietätlose Umgebung auf sein Denken abzufärben beginnt. Wie sich die angebleite Mitgefühllosigkeit eines Schrotschützen in ihm ausbreitet. Dann fällt sein Blick auf eine Art Fruchtschale. Zu seinem größten Befremden drängen sich darin zart blaugeäderte weibliche Brüste aneinander, wie unblutig frisch amputiert. Sie sehen schauderhaft echt aus, aber das kann ja nicht sein. Ein blaubärtiger Busen-Fetischist, dieser UnSchöne, der statt Totenmasken „kopflose Büsten“ seiner unter den Estrich entsorgten Abgeliebten sammelt? Die Verehrung eines vom Körper losgelösten, dann toten Organs ist doch eine Perversion! Eine Chimäre aus Nekrophilie und Fetischismus? Zweifellos können das nur, unbestritten sehr gelungene, Nachbildungen sein. Tätlichkeits-Imitate, wie Theaterblut. Für echt sehen sie zu echt aus. Enttäuschend echt! Unwillkürlich muss sich Hölzel vorstellen, wie der Schöne sie wohl angefertigt haben mag. Er versucht sich vorzuentstellen, wie der UnSchöne die Oberkörper junger Frauen nach vorne gebeugt hat, bis ihre Brüste Abdrücke in einer weichen, bald erstarrenden Masse hinterlassen. Dabei spürt er mit doppelter Befremdung eine Erektion und Exkretion der Vorsteherdrüse. Neugierde oder Begierde drängt ihn, seine Hand zwischen die Imitate zu drängen und obwohl nicht anders erwartet, empfindet er, dass sie weich und warm sind. Begrapschen, um zu begreifen. Fataler weise kommt genau in dem Moment der UnSchöne wieder herein und ertappt ihn dabei. Fühlen sich gut an, die Früchtchen, was? Der UnSchöne bietet Hölzel einen „Schlangenschnaps“ an, aber der lehnt dankend ab. Er sei leider in Eile, sagt Hölzel. Ein andermal mehr. Beim UnSchöne hat man die Qual zwischen Windeierlikör und Embryonenschnäpsen verschiedenster Sorten unlängst verschiedener Embryonen, oder Missgeburtenschnaps, Wolper(un)dinger-Likör, oder Eingeweideschnaps für Eingeweihte, oder Eingeweidewürmer-Schnaps, beispielsweise vom fast ausgerotteten Medina-Wurm, einer vom unmutwilligen Ausgerottetwerden bedrohten Untier-Unart. Diese Früchtchen-Liköre sind noch viel raritätlicher als echter Absinth. Und immer mit einem Schuß augapfel-konservierendem Formalin.

      Das ist also die Ranchu-Unzucht-Ranch, die unrühmlich-berüchtigte vergehntechnische Kreatur- und Kaputtspielzeug-Manuf(r)aktur, in der all die Monster herentstellt werden, die bei Hölzel über und unter dem Ladentisch durchgehen. Bückwaren, die nachgefragter sind als Erdsgebirgische Rächermännel. Marken(ab)produkte. Der UnSchöne führt seinen „Galeristen“ durch sein „Atelier, in dem mit Herzblut aquarelliert wird“. Aus der dämmrigen Tiefe der gemauerten Hinhaltungsbecken für Verunzierfische blicken dem Besucher beängstigende Monster entgegen. Unlustmolche, road-gekillte Axolotl mit profilneurotischen Reifenprofilabdücken auf dem Rücken. Bleiche, kiementragende Grottenolme, aus deren durchscheinenden Eingeweiden den uneingeweihten Betrachter Augen anblicken, von den er nicht weiß, ob es sich um noch zu gebärende oder schon gefressene, also überlebend erbrochene, nur äußerlich etwas angedaute Unwesen handelt. Ob unwohl der Eingeweidesack, in dem sie sich missbefinden, der Ulcus, der Uterus oder ein Verulkus is(s)t, unwürde sich bei dem Anblick ein Untier(un)arzt fragen. Selbstbetrachtung per Darmspiegelung? Ein abartiger Nar(r)ziss, der sich in sein Darmspiegelbild verliebt? Unwillkürlich tritt Hölzel zwei Schritte zurück und gewahrt eben noch über die Schulter hinweg, wie in dem hinter ihm gelegenen Becken das Wasser zu kochen beginnt. Ungeistesgegenwärtig wird ihm unklar, wer da hinein Gerät, fällt ins „Rote Messer“. Dem werden innerhalb weniger Minuten die Piranhas zwischen den vom Fleische befreiten Rippen hindurch schwimmen. Hölzel springt zur Seite, wodurch er sich zwangsläufig einem anderen Becken nähern muss, aus dem jetzt ein zahnstarrender Krokodilrachen emporschießt … Au, er hat mir das Auge auspicken wollen! Rachen hat unwohl was mit Rache anzutun. Das versucht er bei mir auch immer, sagte der Schwarzseher Schöne, nahm sein Glasauge heraus und rollte es auf dem Handteller wie ein Hellseher seine Glaskugel, ob(un)wohl der Pessimist eher ein Dunkelseher ist. Dieser Phago, das is(s)t in der Wissenschaftssprache das Unwort für Fresser, hat wie eine diebische Elster eine Vorliebe für alles Glänzende. Er stopft dem Phago mit einem kleineren Unartgenossen das Maul. „Ißt er nicht niedlich?“ Um die UnzuMutationsrate des Erb(un)gutes, der Vererbsünde, zu erhöhen mische er dem Futter gerne etwas Dioxin(nach)haltiges Transformatorenöl bei. Der Futtermittelskandal sei hier so unzweifelhaft, dass nur dessen Ausbleiben, der Entzug der beigemengten Genussmittel und (Ver)Stimulantien, Aufschreie auslösen unwürde. Und weil eine Unschönheitsfarm eine Faultierfarm ist, isst hier Gammelfleisch ungeratenzu eine Hauptnahrungsmittelmäßigkeit. Weil der UnSchöne das (Dada)Sein eng mit dem Essen und Gegessenwerden verknüpfte, verpflegte er ist bei jeder sich anbiedernden Ungelegenheit als isst auszusprechen, und war war bei ihm ein Synonym für gegessen. Sogar die Ismen (wie immer man das auch missdeuten soll) waren bei ihm Issmen. Iss men, eine versteckte Aufforderung zum Kannibalismus? Issmuss, Essen ist ein Muss, verpflegte er immer unintellektuell inakzeptabel zu (ver)sagen. Und nur die Selbstverachtung vermag Unserkeinen Simplizissimus vor dem Selbstverzehr, dem Kannibalissimus zu bewahren, jaunwohl! In nächsten Behälter würgt gerade eine Schlange etwas Angedautes oder einen Embryo aus. Das weiß man nicht genau. Man muß schauen, wo vorn und Hinte®n ist bei der Schlange. Diese Schlange habe wie die Wurst, um die es hier nicht geht, zwei Enden, könne aber auch nur einmal verenden. Wenn es hinten heraus verkam, könnte es eine Geburt sein. Ein paar Schlangen sind ovovivipar. Hier herrscht Stopfleber-Sattismus, Völlerei-Folter. Hier wird höchstens nach Gedankenunfreiheit gehungert!, prahlte der UnSchöne großfressig. Erschrecken beunruht erübrigens häufig auf schlechtem Gewissen. „Gestillt werden kann der Hunger nach Brot, grenzenlos ist der Hunger nach Schönheit, besonders in der Unfreiheit.“, plagiiert er bei der Verlegenheit ein unbekanntes Gedicht. Vielleicht haben Ihre Unzuchten die Unschönheit satt?, kann sich Hölzel beim Anblick der Schlange nicht verkneifen.

      Ja genau, die Unschönheit hat eine sättigende Wirkung, wogegen der Hunger nach Schönheit ein nie zu stillender is(s)t. Wir hungern selbstbelügnerisch nach Schönheit, aber sättigen uns mit Hässlichkeiten. Mit Tier- und Pflanzenleichen sind wir großverzogen worden. Die Schönheit hat keinen Nährwert. Das Unglück ist ja, wie schon von Heine besungen, auch viel anhänglicher und bestrickender als die treulose Hure Glück.

      Sehen Sie das nicht etwas zu pessimistisch, junger Freund, antwortete Hölzel nur, um sich auf keine Diskussion einzulassen.

      In einem der Becken torkeln und kreiseln wie verstört junge Störe, von denen Hölzel angetan ist und fragt, ob er ihm welche liefern könne. Bester heißen die Biester. Bester sei ein dilettantischer Bastard zwischen (undeutsch) Beluga (deutsch Hausen) und Sterlet, eine infertile selbstver- und zerstörerische (Un)Gebrauchskreuzung für die sogenannte Teichwirtschaft, sagt der UnSchöne. Ich nenne sie immer Verstöre. Die durch die Bastardierung hervorgerufenen genetischen Defekte lassen sie wie Tanzmäuse kreiseln, im Wasser dreidimensional. Angesichts dieser verspätmittelalterlichen Chimäre (un)würden sich sogar die Teichmönche bekreuzigen. Das seien Wasserpurzler, Ungebrauchskreuzungen, Zufalls-Unzuchtprodukte von unzureichender Unschönheit und nur in der Unnatur überlebensfähig,

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