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an der Nase, da die Erde an Gaben überquillt.

      Alle Kräuter sind seinen Menschenkindern zuhanden, nachdem sie schon das Essen verlernt hatten.

      Die guten Dinge liegen auf den Straßen herum, das ganze Land tanzt vor Glück.

      Ströme, oh Nil, man opfert Dir.

      Man schlachtet Dir Rinder und bringt Dir große Opfer dar.

      Man mästet Geflügel für Dich und fängt für Dich Gazellen in der Wüste und richtet Dir Opferfeuer her.

      Von dem, was der Nil geschaffen, wird auch jedem anderen Gott geopfert:

      Weihrauch, feines Öl, Langhornrinder und Kurzhornrinder und Geflügel als Brandopfer,

      geschaffen vom Nil in seiner gewaltigen Höhle, von dem, dessen Namen keiner in der Unterwelt kennt und in dessen Gestalt kein anderer Gott je erscheinen kann.

      Ihr Menschen, die ihr alle Götter preist, fürchtet euch vor der Macht, die sein Sohn, der König, ausübt, der Allherr, der Ober- und Unterägypten gedeihen läßt.

      Auf, Verborgener, auf, Verborgener, mach Dich auf, Nil, Du Verborgener!

      Komm nach Ägypten, der Du die Gesetze gibst und die schwarze Erde gedeihen läßt.

      Auf, Verborgener, auf, Verborgener, mach Dich auf, Nil, Du Verborgener, der Du Menschen und Tiere am Leben erhältst mit Deinen Gaben des Feldes.

      Auf, Verborgener, auf, Verborgener, mach Dich auf, Nil, Du Verborgener!

      Im Osten und Westen von lebensfeindlichen Wüsten geschützt, im Norden von einem Meer, auf dem es zu Zeiten des Alten Reiches noch keine ernsthaft kriegsfähige Seeschiffahrt gab und im Süden von Katarakten, die ein Eindringen mit Booten verhinderten, konnte Ägypten ungestört zum Staat reifen und sich zu einer der ersten Hochkulturen der Menschheit entwickeln. Und aus dieser strategisch unvergleichlich günstigen Lage heraus ist auch zu verstehen, daß der Ägypter sich und sein Land als den Mittelpunkt der Welt betrachtete, der von den Göttern beschützt wurde, solange die Ausgewogenheit zwischen Himmel und Erde, die Maat, gewährleistet war.

      Abb. 5: Horus Harachte, der Horus des Horizonts, des Ostens.

      Das Zustandekommen dieses Paradieses läßt sich, wenn auch nur in sehr vereinfachter Weise, als Folge des Klimawechsels zwischen dem Paläolithikum, der Altsteinzeit, und der Kupferzeit erklären.

      Bis in die Jungsteinzeit, dem Neolithikum, herrschte im Niltal ein feuchtheißes äquatorialafrikanisches Klima, welches in Verbindung mit den tropischen Regenfällen in den heutigen Wüstengebieten für einen üppigen Regenwald mit genauso üppiger Fauna sorgte. Die Menschen der davor liegenden Epoche, des Mesolithikums, waren Jäger und Sammler, die ihr Lager dort aufschlugen, wo ihnen der Wald ausreichend Schutz und Nahrung bot. Waren die Ressourcen erschöpft, zogen sie weiter.

      Abb. 6: Gott Seth.

      Mit der Verfeinerung der Steinwerkzeuge und Waffen sowie dem fortschreitenden Klimawandel ging das Mesolithikum, die Mittelsteinzeit, in das Neolithikum über. Die Regenfälle wurden seltener und der Regenwald wandelte sich in eine Steppenlandschaft. Die Menschen ließen sich nieder, bauten Hütten, domestizierten Wildtiere wie zum Beispiel das Schwein und begannen mit dem Ackerbau, wobei die Jagd nach wie vor eine wichtige Rolle spielte.

      Die Versteppung setzte sich weiter fort. Der Humusboden der frühen Wälder wurde vom seltener werdenden Regen weggewaschen und vom Wind fortgeweht, die freigewordenen Flächen verkarsteten und wurden zur nahezu vegetationslosen Wüste.

      Was blieb, war das Fruchtland des Nils, denn mit dem Schlamm, den die stetig wiederkehrende Flut brachte, wurde es von Jahr zu Jahr erneuert. Nur hier konnten die Menschen noch leben, frei von den Bedrohungen der Wüste. So wie die Sonne jeden Abend unterging und am Morgen neu geboren wurde, brachte die Nilflut jedes Jahr neues Leben; blieb die lebenspendende Flut einmal aus, bedeutete das Hunger und Not.

      Doch wie das biblische Paradies hatte auch dieser Garten Eden seine Schlange, seine Eva und den dazugehörigen Apfel der Versuchung, was zwangsläufig dem paradiesischen Zustand ein Ende setzen mußte. Ägypten war im Ursprung rein landwirtschaftlich orientiert und verfügte über keinerlei Metallvorkommen. So kann man getrost Kupfer, Gold und Silber als den Apfel betrachten, der den Ägyptern, also der Eva, von der Schlange in Gestalt der Fremdvölker mit dem Versprechen der deutlichen Hebung der Lebensqualität offeriert wurde.

      Abb. 7: Unter- und Mittelägypten

      Der erste wirklich wissenschaftlich arbeitende Ausgräber in Ägypten und damit einer der Väter der klassischen Archäologie war der Brite Flinders Petrie (Abb. 8). Klassisch deswegen, weil er in seiner mehr als zweiundvierzig Jahre dauernden Arbeit die Tradition der modernen Archäologie begründet und mit seiner Grabungstätigkeit noch heute gültige Maßstäbe gesetzt hat.

      Abb. 8: W.M. Flinders Petrie in Serabit el-Chadim.

      Foto: Hilda M.I. Petrie

      Anders als seine Vorgänger und ein Großteil seiner Zeitgenossen ging Petrie bei seinen Grabungen äußerst behutsam und systematisch vor. Statt mit Hacke und Spaten arbeitete er mit Spachteln und Spateln und vor allem mit dem Pinsel. Unter Archäologen geht heute noch die Rede, daß Flinders Petrie einmal eigenhändig mit seinem Rasierpinsel drei Meter tief gegraben habe.

      Von den heute zur Verfügung stehenden Untersuchungstechniken konnten die frühen Archäologen nur träumen. Altersbestimmungen mit Hilfe der Messung radioaktiven Zerfalls in organischen Stoffen durch die C-14 Methode oder in keramischen durch die Thermolumineszenz waren nach dem Stand der damaligen Physik gänzlich unvorstellbar. Auch die Dendrologie, die auf den Jahresringen des Holzes basierende Datierung, war noch nicht entwickelt.

      Flinders Petrie wurde am 3. Juni 1853 in Charlton, unweit von London, geboren. Schon im Alter von 13 Jahren soll er sein nie mehr versiegendes Interesse an der Ägyptologie entdeckt haben, welche dann sein weiteres Leben bestimmte.

      1880 reiste er zum ersten Mal nach Ägypten, allerdings mit dem Vorsatz, die spleenige Meinung seines Vaters zu beweisen, daß bereits die Cheopspyramide nach Zoll und Fuß, den britischen Maßeinheiten, ausgerichtet war. Ein gewisser Piazzi Smyth vertrat damals die in England sehr populäre Ansicht, daß Zoll und Fuß ursprünglich ägyptische Maßeinheiten und damit seit Jahrtausenden bewährt seien. Und Petrie Senior war ein überzeugter Anhänger eben dieser Ansicht. Doch die Messungen an den Pyramiden in Gisa führten zu völlig anderen als den erwarteten Ergebnissen und so verschwand Smyths Theorie sehr schnell dahin, wo sie hingehörte, nämlich in der Versenkung.

      Petrie blieb in Ägypten, arbeitete mit anderen Ägyptologen zusammen und lernte in Grabungen vom Delta des Nils bis nach Theben in Oberägypten und den Felsen des Sinai aus ihren Fehlern.

      Akademische Grade strebte er nicht an und diese wären ihm auch unter normalen Umständen verwehrt geblieben, da er nie eine reguläre Schule besucht hatte. Er war stets von seinem Vater unterrichtet worden, der als Ingenieur und Landvermesser fast ständig auf Reisen war und den er begleitete. Auch das zur Vermessung der Pyramiden in Gisa notwendige Wissen war ihm von seinem Vater vermittelt worden.

      In England hatte inzwischen eine begeisterte Verehrerin der altägyptischen Kultur, Amelia Edwards, eine Stiftung ins Leben gerufen, deren Ziel in der Erforschung des alten Ägyptens lag, den Egypt Exploration Fund. Obwohl Flinders Petrie in seiner Arbeit ein Einzelgänger war, arbeitete er doch gelegentlich im Auftrag dieser Stiftung.

      Als 1892 am University College in London ein Lehrstuhl für die wissenschaftliche Erforschung Ägyptens eingerichtet werden sollte, sorgte Amelia Edwards dafür, daß Flinders Petrie zum ersten Professor der Ägyptologie in der britischen Geschichte

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