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die wir uns erlauben, um uns über unsere inneren und äußeren Motivationen klar zu werden. Das Ziel liegt darin, durch Beharrlichkeit, innere Reife, Ausgewogenheit und Kompetenz der eigenen Nichtigkeit und Sinnlosigkeit zu begegnen, um zu spüren, was uns wirklich wichtig ist. Sicher keine Zukunft, die in rosaroten Farben geschildert wird, und auch keine Luftschlösser und hohlen Versprechungen – die sind uns ein Gräuel. Hier ist nicht der schnelle Gewinn, sondern der langfristige Erfolg das Ziel. Deshalb ist es uns wichtig, Illusionen zu hinterfragen und unkontrollierte Emotionen aus unserem Umfeld zu vertreiben. Diese Operationen bezahlen wir aber wiederum mit dem Fehlen himmelhoch jauchzender Vorfreuden und schäumender Erwartungen – darin liegt der Preis dieser seriösen Karte: Die Evokation eines depressiven inneren Seelenanteils, der sich Wahrheit nennt. Der asketische Ruf des Eremiten nach heilender Beschränkung gereicht uns nur dann zum Vorteil, wenn wir nicht nach marktschreierischer, übertriebener Einsicht streben, sondern Wissen und Erkenntnis einfach nur als die Pflastersteine auf dem Weg zu nehmen, auf dem wir uns zur (inneren) Wahrheit bewegen. Dann, aber nur dann, eignet er sich als weiser innerer Ratgeber, der die ihm Folgenden im sprichwörtlichen Sinn nicht hinters Licht führt.

      Auch in Liebe und Beziehung ist diese Karte ziemlich widersprüchlich. Im spröden Verlangen, uns von den betörenden Illusionen angenehmer Selbsttäuschungen zu befreien und uns stattdessen mit der mentalen Verarbeitung und Vertiefung der Wirklichkeit zu konfrontieren, übernimmt sie gerne die Rolle des asexuellen Alten, der wie Diogenes mit seiner Laterne auf der Suche nach Menschen oft auch nur auf der Flucht vor sich selbst ist. Dieser fühlt sich am wohlsten dabei, wenn er nicht von außen behelligt wird, denn die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis absorbiert viel libidinöse Energie und Kraft. Er ist der Sachwalter der geistigen Verdichtung und misstraut der Schwingung der Emotionen, die für ihn als Luftschlösser schon immer Unüberprüfbarkeit und Irrationalität verkörpern. Auf der anderen Seite ist es manchmal auch ein Misstrauen gegen sich selbst, weil er eine gefühlsmäßige Übereinstimmung mit dem Sinn seines Lebens ohne tiefere Erkenntnis nicht akzeptieren kann. Gefühle sind für ihn ein derart beängstigendes Terrain, dass er sie so sehr in sich verschließt, dass er sich selbst den Weg zu ihnen versperrt, bis sich die nicht gelebte Energie dann als Frust oder einem Gefühl des Unbehagens bemerkbar macht. Diesen Mangel kompensiert er wiederum durch pflichtbewusstes Streben in die Tiefe, und Zielstrebigkeit oder Pünktlichkeit stellt er folgerichtig über Leidenschaft. Das zeigt: Der depressive und schmerzgeile Hagestolz steht für das Fehlen jeglichen libidinösen Gewürzes mit Ausnahme vielleicht der Masturbation, womit er seine Sparflamme-Leidenschaft ein bisschen aufpeppen kann. Er mag zwar nur der sichtbare Däumling an der Brust des höheren Selbst darstellen, der aus der Vogelperspektive mehr den Anteil seiner eigenen Projektionen als den anderer Menschen aus Fleisch und Blut erkennt; andererseits kann er seine eigenen Beziehungsmuster hinterfragen und feststellen, was ihm am anderen wirklich wichtig ist. Deshalb beruht die Karte auf einer die Libido nicht so sehr unterstützenden Haltung, die mehr die inneren Ziele und geistige Haltung pflegt, denn ihr Credo gipfelt in der Einsicht, dass der suchende Mensch mehr einer starken inneren Führung als einer äußeren Begleitung bedarf.

      Der Eremit in der Kabbala

      – Tiefergehende Erkenntnisse –

       Jod = Jehova = Gott-in-uns-selbst

      Der hebräische Buchstabe, der sowohl die Jungfrau wie auch den Eremiten regiert, ist Jod, der erste und höchste Buchstabe im JHVH, dem Namen Gottes oder Tetragrammaton – die Grundlage der Weisheit oder der Vater aller Dinge. Als eigentlicher Same des Alphabets steht die winzige Flamme auch für die Urschöpfung, die potente Kraft oder das Mysterium des Spermiums, das in Beantwortung der Frage Was ist das Ziel? oder Was ist der Sinn der Schöpfung? aus der Leere in den Raum herüberschwingt.

      Wer sind wir? – das ist die Frage, die sich hinter dem Namen Gottes verbirgt. Gott zieht uns an, weil wir intuitiv spüren, dass er auf irgendeine Art in uns ist oder wir in ihm zumindest ein Bild unserer Sehnsucht umfassen, das uns auf bestimmte Weise entspricht. Der Schöpfungsmythos ist irgendwie unsere eigene Geschichte: die Suche nach JHVH = Gott-in-uns-selbst. Deshalb verbirgt sich in Jod neben dem Spermium auch das Mysterium der Quelle des menschlichen Bewusstseins, in dem sich die individuelle Erkenntnis spiegelt oder rekapituliert. Crowley schreibt: In diesem Trumpf wird das gesamte Mysterium des Lebens in seinem allergeheimsten Wirken gezeigt.12

       Liber Al: Liebe ist das Gesetz (I/​57) versus Tu was du willst! (I/​40)

      Liebe unter Willen ist das Bild im magischen Spiegel13, wenn Tu was du willst den aufmerksamen Betrachter vor dem Spiegel repräsentiert. Im objektiven Betrachten seiner Weltbetrachtung kann er die durch das Bewusstsein huschenden Bilder anhalten und sich gleichzeitig als Beobachter beobachten, der sich als gespiegeltes Bild im Spiegel seiner eigenen Vorstellung erkennt. Was aber ist der wahre Wille?

      Der wahre Wille ist das sich selbst in den Hintern beißende Gesetz. Will heißen: Habe ich meinen wahren Willen erlangt, dann brauche ich nicht mehr zu wollen, sondern das, was geschieht, ist Ausdruck des Geistes, der mich als Impuls durchströmt. Dieser Geist braucht weder Gesetz noch Wille, denn er ist sowohl Gesetz wie Wille, Ausdruck des höheren Selbst, nicht vom Willen getrennt, aber vom Ego entfernt, und in dieser Funktion für den unbewussten Menschen auch innerer Feind. Solange sich dieser seinen psychischen Mechanismen nicht bewusst ist, ist Tu was du willst überflüssige Makulatur; ist er sich aber über die inneren Zusammenhänge klar, wird der Spruch zum sinnvollen Pfad, der sich durch die Verinnerlichung seiner Botschaft am Ende aber selbst überflüssig macht.

      Fassen wir zusammen: Der wahre Wille braucht kein Gesetz, zumindest nicht für die, die ihn ausüben, und für die anderen kann er ebenfalls keine Leitschiene sein, da sie ihn gar nicht kennen. Im Grunde genommen handelt es sich um einen Circulus vitiosus. Doch der Eremit weiß Rat: Der wahre Wille bedeutet zu tun, was sich nicht verhindern lässt, und dies auch zu wollen!

      Liber 77714 und weitere Korrespondenzen

      Verborgenster Keim allen Lebens Schlangen Plan, Jungfrau, der Eremit geht, ein stummer Kastellan.

      Titel: Der Magus der Stimme der Macht – Der Prophet des Ewigen

      Bild: Ein in Gewand und Kapuze gehüllter Alter, der eine Lampe und Stab mit sich trägt

      Zahl: 10, 20 (ausgeschrieben)

      Buchstabe: Jod/​Iod/​Yod = I/​J/​IVD (Hand). Der Alte ist dem Buchstaben Jod zugeordnet, der Hand bedeutet. Seine Hand trägt das Licht. Dieses wiederum symbolisiert Erkenntnis und auf der höheren Stufe innere Weisheit und Versenkung.

      Pfad: 20 von Chesed nach Tiphareth. ChSD steht für Verdichtung und Kristallisierung und TPhRTh für die innere Mitte, die Sehnsucht in Erkenntnis transformiert. Tiphareth symbolisiert auch das erkennende Bewusstsein,

      Gottheiten: Kronos, Hüter der Zeit, oder Thot und sein hellenistisches Derivat Hermes Psychopompos, Führer der Seele in die Unterwelt (Hermes engl. Hermit = Eremit)

      Mythen: Methusalem, der älteste der biblischen Urväter, Nestor, der weise Ratgeber des Agamemnon oder Diogenes in der Tonne, der auf Alexanders Angebot, ihm einen Wunsch zu erfüllen, nur bat: Geh mir aus der Sonne!

      Symbole: Ashram, Kloster, Zölibat, Einöde, Wüste, einsamer Gipfel; die Kerze als Synonym für Kontemplation und die Laterne als Platzhalter für die Suche nach der verborgenen Wahrheit oder dem ewigen Licht

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