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in allen gewöhnlichen Bedeutungen des Wortes der erste Schritt in Richtung Einweihung ist. Dies stellt eine unnotwendig strenge Einstellung dar, denn der »Wille zu Leben« und der »Wille zu Sterben« sind miteinander nicht unvereinbar. Das wird in dem Moment ersichtlich, wenn Leben und Tod als Phasen einer einzigen Energiemanifestation verstanden werden.6

      Damit nähern wir uns dem Geheimnis der Jod-Caph-Regel. Die Taube wurde seit Urzeiten der Liebesgöttin und damit der Karte XI – Lust zugeordnet, denn die Huren wurden schon im alten Babylon Täubchen genannt. Sie wurde direkt mit der Sinnlichkeit assoziiert, aber nicht eine Sinnlichkeit zum Zwecke der Zeugung, sondern reine Lust um der Lust willen. Da Lust und Liebe im menschlichen Inventar auf einer ähnlichen Frequenz liegen, hat sich das lüsterne Symbol in der Lust verdrängenden Kultur des Christentums allmählich zu einem Archetyp des Friedens transformiert. Ihr Gegenpart ist die Löwenschlange. Xnoubis oder Abraxas entspricht einem gnostisch-manichäischen Symbol, das den dunklen und den lichten Aspekt im Gottesbild vereint. Vor allem die Manichäer glaubten, dass die Schöpfung aus einer Vermischung Gottes mit dem Teufel entstanden wäre (Gott gab die Seele, der Teufel den Leib) und die Erlösung nur stattfinden könnte, wenn sich der Mensch dieser Anteile in sich bewusst werden würde. Während die Taube auch oft die Vagina symbolisiert, repräsentiert die Löwenschlange das Sperma. Turm und Hohepriester sind »Feinde«, denn der Turm bedroht den Hierophanten. Während letzterer (korrespondierend mit dem Buchstaben Vau) das erigierte, aktive Glied symbolisiert, steht der Turm für den »Sturz« des Phallus nach dem Orgasmus. Die Gestik des Hierophanten deutet auf sexualmagische Masturbationstechniken hin, die offene linke Hand erinnert an die Formel Jod-Caph hin (Jod = Sperma, Caph = offene Hand).

      3 Für Crowley stellt die mit einem Schwert bewaffnete und dunkelblau gewandete Gestalt die Hüterin des Neuen Æons dar. Er prophezeit: Lasst die Frau mit einem Schwert gegürtet vor mich treten.7 Die mit dem Schwert gegürtete Frau ist aber nicht – wie viele glauben – die Frau, die ihren Intellekt entwickelt (= Königin der Schwerter), sondern die Priesterin, die ihren Vorgänger besiegt und ihre spirituelle Herrschaft mit einem lähmenden Schwertstoß in das Tabernakel seines Sterbenden Gottes beginnt.8 Nun muss er ihr vor dem Altar der Göttin ministrieren, denn ohne ihren Geist kann er den Kern des Mysteriums nicht begreifen (ist es doch die Natur des alles kontrollieren wollenden Erkenntnisvorgangs selbst, die eine vollständige Erkenntnis des Erkannten ausschließt, solange die Welt als Bild der eigenen Vorstellung erfahren wird). Die Bewaffnung mit dem Schwert kann auch bedeuten, dass sie sich einen Mann zur magischen Arbeit nimmt, um der Göttin zum Gefallen ihr eigenes Verzücken zu opfern. Es ist dies im Grunde eine Umkehrung der Prinzipien aktiv und passiv in der magischen Operation.

      Andere Verbindungen

      – Psychologische Zusammenhänge –

      Der Hierophant steht in einem gegenseitig sich ergänzenden Verhältnis zum Kaiser. Dieser versinnbildlicht eine kollektive Vater-Projektion als Symbol des autoritären Patriarchats, und jener stellt die (väterlichen) Himmelsgötter dar, die in den Domen und Kathedralen mittels eigens entwickelter Rituale zum Zweck der Heimkehr und der Versöhnung angerufen werden können. Im Gegensatz zum eher unbewusst wirkenden Bild der Hohepriesterin – der empfänglichen Seite der Psyche, die das verschleierte Geheimnis der Seele oder die höchste Form spirituellen Wissens und der Einweihung in sich aufnimmt – kennzeichnet der kirchliche Regent mit seiner Buß- und Erlösungsszenerie eine hierarchisch gegliederte Glaubens-Architektur. Der Oberpriester, in den Eleusinischen Mysterien Hierophant genannt, war zwar ursprünglich jener auserwählte Träger der wahren Tradition, der die heiligen Mysterien ins Licht des Bewusstseins hob. Im Laufe der menschlichen Entwicklung wurden die weiblichen Instinkte aber in den Hintergrund gedrängt. Der Vollzug der heiligen Riten der Muttergöttin sowie die sexuellen Prädikate weiblicher Spiritualität wurden immer konsequenter unterdrückt und durch das blutlose Idealbild einer keuschen Muttergöttin ersetzt. Damit war der Weg frei für den moralischen Zeigefinger Gottes, der in der Geschichte der Menschheit neben Ordnung, Hoffnung und himmlischer Vorfreude auch sehr viel Leid aufgehäuft und Elend heraufbeschworen hat.

       Deshalb sei hier die mephistophelische Frage erlaubt:

      Ist er etwa der Erfüllungsgehilfe des Teufels und somit der Teufel selbst, der in der Absicht des Geistes, alles wieder in die Erkenntnis des Ganzen zurückzuholen, die Menschen für das Verdrängen seiner wahren Person verspottet? Oft nimmt er hinter seiner Maske auch heute noch groteske Züge an, wenn er in der Funktion eines Kirchenfürsten in Kriegsfällen die Waffen segnet. Diese Doppelbödigkeit ist nicht nur eine historische, sondern eine strukturelle Eigenart der organisierten Massen, denn streitende Parteien fühlen sich grundsätzlich besser, wenn sie glauben, Gott auf ihrer Seite zu haben.

      Crowley notiert: Obwohl das Gesicht des Hohepriesters gütig und lächelnd erscheint, und das Kind einen freudigen Eindruck von ausgelassener Unschuld vermittelt, kann man nur schwerlich bestreiten, dass im Gesichtsausdruck des Eingeweihten etwas mysteriöses, ja sogar finsteres, vorhanden ist. Und setzt gleich noch einen oben drauf: Er scheint sich an einem heimlichen Scherz zu ergötzen, auf Kosten eines anderen. In dieser Karte ist ein deutlicher, sadistischer Aspekt vorhanden.9 In der Tat – wenn wir genau hinblicken, lässt sich eine maliziöse Hintergründigkeit auch kaum verstecken: Das sardonische Lächeln im Gesicht strahlt ein so starkes Gefühl von Sicherheit und Wissen aus, dass man geneigt ist, ihm nicht nur den Sendboten religiöser Inhalte, sondern auch die Rolle des Messias zu glauben. Das ergäbe einen Sinn, denn solange der Hierophant nicht merkt, dass der Teufel in ihm selbst sitzt, kann er in seinem Namen Erlösung predigen und dabei glauben, dass er es im Auftrag Gottes tue. Er vermag nicht zu sehen, dass der Teufel, den er in sich selbst verdrängt, ihm von außen umso häufiger begegnet.

      Deutungen

      In der Liebe erscheint der fromme Bruder im Licht des Geistes als Inbegriff der Tageshelle, der nicht nur seine eigene Familie »orchestriert«, sondern auch allen kleinen und verletzten Seelen ständig den Großen Papa oder die Über-Mama vorspielt. Mit großem Elan stürzt er sich auf diese Aufgabe, in der Hoffnung, Erfahrungen zu machen, durch die er die Menschen noch besser verstehen kann. Er ist beseelt, über die Enge hinauszuwachsen, ohne seinen aufgeblasenen Idealen immer ins Auge zu blicken und sie als das zu erkennen, was sie sind: irreale Manifeste als Kontrapunkt zu seinem allerheiligsten Streben, ständig die Leute zu segnen und nur überhöhte Ziele anzupeilen. So ist Liebe, wenn er sie denn spürt, oft die Liebe zu seiner

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