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hervorstielt. Doch der Preis ist hoch: Ist die Mutterimago für ihn zu stark, dann kann er von ihrer unbewussten Kraft überwältigt und wie eine Spinne im Netz der Urschlange gefangen werden. Bei Goethe ist Fausts Reise hinab zu den Müttern die gefährlichste seiner Höllen, doch genauso wie der Narr mit einer Liebenden kehrt Faust mit seiner Helena zurück. Durch diesen erfolgreichen Akt ist die Beziehung zu seiner inneren Weiblichkeit verwandelt.

      Was zeigt uns dieses Beispiel im Falle Crowley? Wenn wir seinen Spruch akzeptieren, dass der Narr sozusagen alle Karten in sich beinhaltet, die sich als verschiedene Stationen auf seinem Lebensweg hintereinander entfalten, müssen wir auch umgekehrt hinnehmen, dass beispielsweise Kaiserin oder Hohepriesterin oder auch die Karte Lust, die ebenfalls eine Materialisation kompensierter negativer Gefühle darstellt, Teile des Gesamtwesens des Narren alias Aleister Crowley sind. Die vergewaltigte Scharlachhure aus der Mischung Hohepriesterin – Kaiserin– Lust ist sozusagen die aggressive Antwort auf das prüde mütterliche Sektenbild.11 Während er seine Projektion bewusst nicht durchschaut, dirigiert er sie unbewusst sehr gut: Es handelt sich um die schöpferische Kreation seiner zerstörerischen Neigungen, die von seinem eigenen Dämon so zurechtgeformt und zurechtgestutzt worden sind, dass sie ihn nicht mehr bedrohen können. Der Preis bedingt natürlich das Opfer der inneren Mutter, die nicht erlöst werden kann. Das eine hängt direkt mit dem anderen zusammen, denn seine Scarlet Woman hätte sich nicht entwickeln können, wenn er das Trauma mit seiner Mutter aufgearbeitet hätte.12 Deshalb verkörpern die Scharlachfrauen Crowleys dunkle Kraft, und die Tatsache, dass er in jeder Frauenbeziehung die innere Göttin sucht, die er äußerlich völlig zu beherrschen und in seinen Bann zu ziehen trachtet, zeigt, dass er in seinen Frauen eigentlich seine eigenen destruktiven Energien, die nach innen gerichtet waren, bearbeitete.

      Kehren wir zum Narren zurück. Der Segen der schrecklichen Begegnung mit der Mutter besteht darin, dass er gestärkt und geläutert aus dem Zusammenbruch hervorgehen kann, wenn sich der Staub in der Seele wieder gesetzt hat. Auf den Lebensbaum bezogen bedeutet das: Die tote Mutter verliert keine Zeit und kehrt als neugeborene Tochter wieder zurück auf den Thron.13 Aus psychologischer Sicht kann man auch sagen: Die unbewusste Mutter, die mit ihrem schrecklichen Gesicht den Weg des Narren kreuzt, nimmt nun den freundlichen Ausdruck der guten Mutter an. Er kann sie jetzt mit gutem Gewissen verlassen, ohne sich schuldig zu fühlen oder von ihr weiter abhängig zu sein. Der Ruf seiner Instinkte durchströmt ihn ohne Einbindung seiner desaströsen, unterentwickelten Neigungen, sondern in zunehmender Unterstützung seiner erwachenden Männlichkeit.

       Die Kaiserin als Shuttle zwischen Idee und Wirklichkeit

      Mit der Karte Kaiserin verlassen wir die Ebene der reinen Ideen und manifestieren uns im Bereich, den man als die Materialisierung unserer Vorstellung bezeichnen kann. Die Addition der Zahlenwerte I und II zeigt, dass sie die Polarität von Magier und Hohepriesterin in sich vereint, denn die III ist das Produkt der Vereinigung der beiden vorangegangenen Karten. Die materielle Ebene wird traditionell unterhalb der Welt der Ideen angesiedelt, was die Sichtweise des aus dem Himmel geworfenen Menschen spiegelt, der zu Gott aufschaut, der ihm das verlorene Paradies wieder zu finden verspricht. Zumindest, wenn er das tut, was ihm (später) der Hierophant aufträgt!

      Deshalb wohnt jeder Idee der vitale Antrieb der Kaiserin inne, sich im Leben zu verwirklichen. Es ist das weibliche Verlangen, die Sehnsucht nach der Urquelle durch das Gebären eigener Kinder zu stillen. Man könnte auch sagen: Atu III ist der Stempel, der die Schwingungen von I und II der Realität (IV und V) aufprägt, ein gespiegeltes Bild der Seele in einer Realität, die selbst Spiegel ist. Dieser unauslöschliche Wunsch nach dem Höheren ist der Funke des Magus, der allem Leben innewohnt: die Erkenntnis, dass es etwas Größeres geben muss als die eigene Existenz. Auf der vertikalen Achse zwischen der Idee und der Materie wird die Kaiserin, obwohl sie einen Teil von ihm selbst in sich trägt, damit zur Erfüllungsgehilfin von Magus und Hohepriesterin (auf der materiellen Ebene gleichzeitig auch zur Gegenspielerin des Kaisers).

       Fazit:

      Die ersten beiden Karten sind diejenigen, die die Ideen aus dem Nichts entstehen lassen, und die Kaiserin als Vollstreckerin ist die Dritte im Bunde, die aus deren Ideen feste Formen hervorbringt.

      Deutungen

      Im individuellen Bereich zeigt sich uns die Regentin von einer festen und soliden Seite, die die Dinge anpackt und nichts anbrennen lässt. Sie erfasst die Chancen intuitiv, unterstützt die lebendige, nährende Seite der Weiblichkeit und weist in ihrem Umfeld auf Beständigkeit und große Zuwendung hin. Dabei ist sie eine lustvolle, genießerische Person mit viel Wärme, außerordentlicher Erdverbundenheit und der Fähigkeit, Ideen zu realisieren und Neues hervorzubringen. Gleichzeitig versetzt sie uns in die beneidenswerte Lage, unsere Ideale mit der äußeren Realität unter einen Hut zu bringen und jene gestalterische Mitte zu finden, die unsere schöpferischen Wünsche nach Entfaltung unterstützt. Auf jeden Fall können wir die Früchte unseres Wirkens ernten, und was wir neu beginnen, verheißt erfolgreiches Gelingen. Deshalb brauchen wir uns auch nicht sonderlich anzustrengen, um die Aufmerksamkeit unserer Umgebung zu gewinnen. Huldvoll verteilen wir unsere Gunst an die Bewunderer, die unseren (Familien-)Hofstaat bilden, regeln für sie den Haushalt und überwachen das Budget. Der Advocatus Diaboli bringt die Schattenseite auf den Punkt: Wir sind die »Mutter«, die die Scholle bestellt, aber auch unseren erwachsenen Kindern selbst dann noch die Leviten liest, wenn sie schon längst aus dem Haus gegangen sind.

      In der Tiefe der Gefühle entspricht die Karte dem mütterlichen Trumpf, der innerhalb eines gesunden »Bauchgefühls« Lebenslust und sinnliche Kraft ausströmt. In der Liebe steht sie für jene weibliche Energie, die sich nicht nur nach körperlicher Erfüllung sehnt, sondern auch positive Veränderungen und Neuerungen anregt und die Seelen der Geliebten durchs Feuer schickt, um alle Schlacken zu verbrennen, die ihre Entwicklung behindern. Es ist der schmerzhafte Zugriff und eine manchmal entfesselte Leidenschaft, die sich mit Eifer nimmt, was nur selten Leiden schafft. Dabei handelt es sich um die Sehnsucht der Seele nach Rückbindung und Umarmung mit den unerschöpflichen Kräften der Göttin. Die Karte zeigt auch die vielleicht einmalige Chance an, den Bereich des Lebensnotwendigen mit der Erfahrung tiefster Erfüllung in harmonischem Einklang zu verbinden und so den Weg zu unserer wahren inneren Befriedigung zu finden. Nur sehr selten bricht die alte Schlange in ihr durch, die sich im dämonischen Reiz des Abgründigen windet und versucht, alles in die Folterräume ihrer Vorstellungen einzubinden, was sich ihr zu entziehen sucht. Allerdings müssen wir in den emotionalen Geröllhalden unserer Umgebung oft erst eine Nische im Schutt auspolstern, um darin weich und bequem liegen zu können, denn unsere Liebsten präsentieren sich im Fluidum des Triebes nicht selten wie völlig paralysiert in unserem Bann.

      Die Kaiserin im Lebensbaum

      – Tiefergehende Erkenntnisse –

      Daleth ist der hebräische Buchstabe für das römische D und die Zahl 4. Am Lebensbaum ist er Pfad 14, der Chokmah (Impuls/​Logos/​Spermium) mit Binah (Resonanz/​Weisheit/​Eizelle) verbindet. Er gleicht die Exponenten der beiden äußeren Säulen am Lebensbaum aus, denn hier stehen sich Vater (Jod in JHVH, Feuer, Schwefel, Zeugung) und Mutter (erstes He in JHVH, Wasser, Salz, Empfang) gegenüber und zeugen ihre beiden Kinder, Sohn (Vau in JHVH) und Tochter (zweites He in JHVH).14 Es ist die Achse der Befruchtung – die schöpferisch ewige Wiedergeburt.

      Genau in der Mitte wird diese Verbindung von Pfad 13 (Gimel) gekreuzt, der von Tiphareth nach Kether aufsteigt.

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