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Zeppelin und Black Sabbath gab es im okkulten musikalischen Eintopf anfangs der 70er Jahre ein paar weitere Kracher wie Deep Purple oder Rainbow mit ihrem Sänger Dio9, anfänglich noch die Rolling Stones, die 1967 von keinem Geringeren als von Anton Szandor La Vey, Gründer und Hohepriester der First Church of Satan, der Satanskirche in San Francisco, zu ihrer grandiosen Platte Their Satanic Majesties Request inspiriert worden sind, wenn man dem Gerücht Glauben schenken darf. Kurz darauf entstand der Song Sympathy for the Devil, um deren Eingebung sich der satanische Oberhirte mit Kenneth Anger, Filmemacher und selbsternannter Crowley-Schüler, der zusammen mit dem Sexualforscher Robert Kinsey die erotischmagischen Fresken des Meisters in der Abtei Thelema in Cefalù aus dem Staub hervorbuddeln und fotografieren ließ10, zeit seines Lebens stritt. Das Lied wurde dann auch nur sehr bedingt eine Hymne für Satansanbeter, dafür aber ein Hit für die ganze Welt. Ähnlich konfuse Mythen ranken sich um das 30-Minuten-Filmkunstwerk Lucifer Rising, das einer Zusammenarbeit zwischen Anger und den Rolling Stones entsprungen sein soll. Anger, eine der Protagonisten der amerikanischen Untergrundfilmszene, produzierte zwar ein packendes, künstlerisch interessantes, wenn auch aus heutiger Sicht nicht übermäßig schockierendes Sittengemälde, das seinerzeit für großes Aufsehen sorgte. Weniger des teuflischen Inhalts, sondern mehr der äußeren Begleitumstände wegen, als Jagger in dem Film die Hauptrolle spielte sollte, nachdem sein Vorgänger, der Gitarrist Bobby Beausoleil von der Gruppe Lovecraft aus unerklärlichen Gründen Amok gelaufen ist und im Zusammenhang mit der Kommune um Charles Manson gemordet haben soll. Jagger hat dann zwar in einem Fragment, Invocation of My Demon Brother, den Luzifer gemimt und den Soundtrack eingespielt, ist aber nach dem verheerenden Massaker der Hell’s Angels im Dezember 1969 in Altamont Speedway, die als Ordner bestellt waren und eine Welle der Gewalttätigkeit auslösten, bei dem die 18jährige Schwarze Meredith Hunter erstochen wurde, wieder ausgestiegen. Es war ein Fall, der damals um die Welt ging, und seither zählt Altamont als das schwarze Gegenstück zum sonnigen Woodstock. Der Soundtrack zu Lucifer Rising, dem Crowleys Hymn to Lucifer unterlegt ist und zu dem nach unbestätigten Gerüchten Jimmy Page eine Filmmusik geschrieben haben soll, wurde von Bobby Beausoleil mit seinem Freedom Orchestra 1967 eingespielt und 2002 im Hochsicherheitstrakt vollendet, wo er eine lebenslängliche Strafe wegen des besagten Mordes, möglicherweise aber auch im Zusammenhang mit seinen Kontakten zu Charles Manson und dessen Family, verbüßt. Auf der undatierten CD Anfang der 90er Jahre wird er zumindest als Composer aufgeführt. Während sich die Rolling Stones wieder ins kommerzielle Showbusiness verabschiedeten, ging die Sache für einen anderen exzellenten Musiker, Graham Bond, der sich für Crowleys unehelichen Sohn hielt und in dessen Organisation Musiker wie beispielsweise Dick Heckstall-Smith, Jon Hisemann, Jack Bruce, Ginger Baker oder John McLaughlin zu absoluten Berühmtheiten heranreiften11, nicht so glimpflich aus. Seine beiden letzten Platten waren Holy Magick (1970), auf der er in ägyptischer Sprache ein Kabbalistisches Kreuz anbetete und ein Pentagramm-Ritual vollzog, und We Put Our Magick On You (1971), ein kleines Opus über White Magic, also Magie, die die hellen Kräfte der Menschen freisetzt, weswegen auch beim Herabrufen des Großen Lichts, dem Zelebrieren des Crowley-Rituals The Bringing Down of the Light, sinnigerweise eine Studiowand in Flammen aufgegangen sein soll, bevor man ihn 1974 unter merkwürdigen Umständen völlig verstümmelt unter der Londoner U-Bahn hervorzog und nur aufgrund seines Siegelringes identifizieren konnte. Mein persönliches Inferno erfolgte kurz zuvor, 1972, als mir der Bayerische Freistaat ohne Nennen von Gründen, aber wahrscheinlich wegen dem Spektakel um Teufelsmessen und nackten Jungfrauen in den Medien die Arbeitsbewilligung in Deutschland nicht verlängerte.

       Kenneth Anger, Lucifer Rising,

       The Soundtrack Album of the Film, 1967 (2002 vom Komponisten im Hochsicherheitstrakt vollendet)

       Graham Bond, We Put Our Magick On You, 1971, Vertigo

       Regensburger Woche, 25. März 1971

      2006

      Alle diese Episoden und noch viele andere tauchten wieder in meinen Erinnerungen auf, als ich diese einführenden Worte schrieb. Aus der Distanz von beinahe vierzig Jahren schienen mir meine Visionen aus heutiger Sicht nichts anderes als die von der kreativen Aufbruchstimmung einer gesättigten Nachkriegsgeneration in einem Wirtschaftswunderland ohne Arbeitslosigkeit getragenen spätpubertierenden Zukunftsvorstellungen gewesen zu sein, was so allerdings nicht stimmt, denn sie waren ein bewegtes Zeugnis einer Zeit, die für mich absolut authentisch war. Es könnte aber sein, dass diese kritische und distanzierte Haltung eine späte Rache an meiner jugendlichen Illusion war, die aus meiner heutigen Sicht nicht hielt, was ich mir damals versprach (das ist normal). Aber auch diese Bilder werden wieder verblassen und die post-psychedelischen Strohfeuerchen in meinem Hirn erlöschen, spätestens dann, wenn dieser Text zu Ende geschrieben ist. Die Erinnerungen werden in der Tiefe versinken, die Gedanken an die guten alten Dope-Zeiten, zu deren Beginn wir 67/​68 mehr oder weniger high auf den Matratzen lagen, die Stones, Pretty Things, Cream, Hendrix, Zappa oder Vanilla Fudge reinzogen und glaubten, am nächsten Abend wie Vodoopriester oder apokalyptische Reiter der entfesselten Masse unser okkultes Credo in die entzündeten Ohrknöchelchen zu trommeln und am darauf folgenden Morgen in einem Paradies der Liebe ohne kapitalistische Produktions- und Gesellschaftsordnung zu erwachen, wo uns der Herr mit allen Engelsscharen in der Hymne All you need is love segnen konnte, wenn wir nicht gerade zwischen den fetten Joints Liebe machten. Diese Insel der Seligen ist einer Phase der Achterbahnfahrt der Seele zwischen dem Himmel der Informationsfluten, die uns das Internet beschert hat, der Industrialisierung der Kultur, dem Spektakel der Medien und der Angst vor Terroristen und vor dem Verlust des Arbeitsplatzes gewichen. Zwischen Lichtarbeitern und Hooligans, gerechten Kriegern und Terroristen, Selbstversorgung und Hartz IV. Im Grunde ist eigentlich nichts anders als vorher, nur wussten wir das – und das war unsere Lebensqualität – damals nicht.

      Was blieb vom Ganzen eigentlich übrig? Außer ein paar tollen Erinnerungen an die Haschischnebel in der Morgendämmerung rauchverhangener Zimmer, in denen die Pfeifen die ganze Nacht nicht ausgingen, an die glimmenden Aschen der Riesenjoints, die einem bei der Anfahrt an die Gigs auf den Hinterbänken des Busses in der Müdigkeit der Nacht manchmal in die Schlafsäcke fielen, an die vielen Groupies und die verfickten Matratzen junger Rebellen, die den ersten Gruppensex ihres Lebens zelebrierten, oder die Aktionen auf der Straße, die ein neues Freiheitsgefühl vermittelten. Eigentlich nichts, ein paar zerfledderte Platten, vergilbte Fotos, Posters und Presseartikel von unseren Geisterbeschwörungen im Bayerischen Wald. Nichts als nur Nostalgie – wenn … ja wenn da nicht jener Oktobertag im Jahre 1989 gewesen wäre, an dem mich Ursi, meine große Liebe, von der ich damals seit drei Jahren getrennt war, obwohl sie zu der Zeit wieder in meinem Haus wohnte, beschwor, sie zu begleiten. Sie wollte einen Tarotvortrag von Hajo Banzhaf besuchen, der 1986 sein viel beachtetes Erstlingswerk (Das Tarot-Handbuch) und 1988 den Bestseller Das Arbeitsbuch zum Tarot herausgebracht hatte, mit denen er in den Buchhandlungen auf Tarot-Tour war.

       Ursi mit Papagei Hugine im Blick, 4. Februar 1993

      1989 (Der Geist klopft an)

      Als wir die Buchhandlung Rösslitor in St. Gallen betraten, stand Banzhaf wie ein Wellenbrecher auf dem obersten Podest der Treppe, die links in den Vortragssaal und rechts in die Esoterikabteilung führte. Ich sprach ihn an, denn es war kaum möglich, an ihm vorbeizukommen, ohne ihm auf die Zehen zu treten, und siehe da, plötzlich klopfte der Geist an. Hajo wusste sofort, wer ich war, obwohl wir uns noch niemals im Leben begegnet waren, denn, wie das Schicksal so spielt, er war, wie man heute sagt, »Scout«

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