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      Jedenfalls schien eurem geneigten Schreiber die Zeit zum Aufbruch allmählich gekommen, denn kaum hatte er einen gewissen regionalen Status als Magier erreicht, war Aleister Crowley plötzlich Kult und strömte in Form einer neuen Welle von Okkultrockern aus allen Musikboxen und Radiohitparaden, während die Beatles gleichzeitig nach Indien zu ihrem Yogi Maharishi pilgerten, bevor sie sich später im Magical Mysterie-Filmprojekt verirrten. Man nannte dieses Phänomen mit seiner Mischung okkulter Elemente von Bühnenshow, lasziven Texten von Schwarzen Messen, Hexenkult und Teufelsbeschwörungen und sinistren Plattenhüllen Okkultrock. Wenn es aus heutiger Sicht ähnlich der gestylten Gruftie-Szene auch eine völlig harmlose Sache war, die einfach ein bisschen mit den Zitaten des Okkultismus spielte, so erschienen solche Leute nach außen doch ungeheuer gefährlich und irgendwie mit dem Teufel im Bunde. Natürlich hatten die Gerüchte einen gewissen Hintergrund, aber der war weder teuflisch noch magisch. Er hatte zwei ganz simple Namen: halluzinogene Drogen und – daraus abgeleitet – jugendliche Überheblichkeit und Größenwahn. Es war die vorherrschende Haltung der Rockstars gegenüber dem Establishment und den Medien, wobei sie sich – und wir mit ihnen – dabei unwahrscheinlich klug vorkamen. Statements der (ab-)gehobenen Art wie beispielsweise Wir versuchen, mit unserer Musik den Leuten in dieser beschissenen Welt einen Sinn zu geben, vom Frontman der Gruppe Black Sabbath anlässlich ihres Plattendebüts vor der versammelten Presse zum Besten gegeben, waren keine Ausnahme. Das war einfach so. Der Spruch war nicht einmal überdurchschnittlich dämlich, sondern bloß durchschnittlich blöd, wenn ich auch zugeben muss, dass mich nicht nur das Cover mit der verfallenen Mühle, dem verfaulten Tümpel und der gespenstischen Lilith im Vordergrund vom Hocker haute, sondern auch der so genannte Tritonus, jene verminderte Quinte, die schon Niccolo Paganini zum Teufelsgeiger machte und die den Titelsong Black Sabbath einleitete, vom passenden Glockengebimmel umrahmt, das gern als untermalender Effekt in Gruselfilmen verwendet wird. Zehn Jahre später widmete der Sänger dieser Band, Ozzy Osbourne, seinem Vorbild einen Song, Mr. Crowley, der, wenn auch etwas hirnrissig, bei den Leuten gut ankam und für einen vollen Klingelbeutel sorgte. Osbourne war sowieso der Genialste, wenn es darum ging, sich mit den Federn Meister Therions zu schmücken, und er scheute sich nicht, zusammen mit Crowley samt Scharlachfrau auf einem durch Fotomontage zusammengebastelten Plakat zu posieren. Das aber nur nebenbei.

       Boleskine House (Landschaft)

      Durch die Welle der Entrüstung seitens der erschreckten Bürger und Moralhüter wurden auch Mitläufer und Trittbrettfahrer für die Gazetten ein ergiebiges Thema, wie heute noch, wenn es um Okkultismus oder Satanismus geht, und plötzlich fanden wir uns im ersten scheuen Lichtstrahl des öffentlichen Interesses, wenn auch etwas mehr im Schattenbereich, für den ein zweiter Scheinwerfer aufgestellt werden musste, damit der Schatten ins Licht hervorgelockt werden konnte. Die Zeitungen schrieben von einer neuen Geisteshaltung, einer neuen Religion, die dem Aufbruch zu den indischen Yogis nach beatlemanischer Art diametral entgegenstand. Als Seuchenherde rekrutierten sie die okkulten Rockgruppen, die den Nährboden für diese Brut bildeten. Der ganze Affenzauber war natürlich mehr albern als gefährlich, ein Instrument der eigenen Persönlichkeitsfindung, aber durch das Gewicht, das sich da wie ein Lavastrom über uns »Satansjüngern« ausgoss, standen wir mit einem Mal im Mittelpunkt und mussten uns für dieses Vertrauen gegenüber der Öffentlichkeit irgendwie rechtfertigen. Wir taten das, indem wir mit dem gesellschaftlichen Klischee in Übereinstimmung zu kommen suchten. Das war gerade der Kick, denn würden wir die Menschen in ihrer Erwartung enttäuschen, dann würden sie die »teuflische« Projektion wieder von uns abziehen, das brüchige Gerüst unserer neu erworbenen Identität fiele wie ein Kartenhaus in sich zusammen und wir wären wieder das, was wir schon vorher waren – nichts! Also holten wir unseren größten Schmonzes aus der inneren Selbstdarstellungskiste und die Journalisten haben alles gefressen, was wir ihnen auftischten, obwohl sie es eigentlich besser wissen mussten – aber sie wussten natürlich auch, was bei den Lesern gut ankommt. Es ist das Thema, das nach dem Sex die tiefsten inneren Instinkte anspricht: die verdrängte Lust am Bösen als eine Form der unerlebten Freiheit. Ich war, ohne es richtig zu verinnerlichen, schon ganz im Sinne Crowleys unterwegs, nicht im Geiste Crowleys, aber immerhin im passenden magischen Gewand. Den betreffenden Namen hatte ich gleich zur Hand: Blackstone Inspiration. So taufte ich 1969 unsere Untergrund-Zeitung.

       Werbung für die Hard-Rock-Gruppe Led Zeppelin. Auf der Titelseite unterstreicht Jimmy Page seine Verbindung zu Crowley.

      Im Buch, das mir mein »Schutzengel« überlassen hatte, standen auch ein paar gruslige Storys von einem geheimnisvollen Landsitz, in dem Crowley mit seinen Geistern kommuniziert und seine erste große magische Zeremonie abgehalten haben soll. Die Leute im Dorf hatten alle Angst vor ihm und seinen dunklen Kräften und es wird auch von Menschen berichtet, die den Verstand verloren oder unter mysteriösen Umständen ums Leben kamen. Dort, am Ostufer von Loch Ness, inmitten der alten, an das Grundstück grenzenden keltischen Gräber, die in den Sagen als Treffpunkt schwarzer Hexen beschrieben wurden, war die Rede von der Beschwörung von Abra-Melins Dämonen, die Crowley herbeirief, aber nicht unter Kontrolle brachte, vom Chaos, das ausbrach, von Dienern und Freunden, die ins Delirium fielen.6 Als sich in der Szene herumsprach, dass Jimmy Page, der gefeierte Leadgitarrist der sagenumwobenen Rockgruppe Led Zeppelin Crowleys gespenstischen Landsitz Boleskine mit Blick auf Loch Ness gekauft hatte, um sich zwischen den Tourneen oder Plattenaufnahmen zurückzuziehen und Magie zu tanken, nebst einem Buchladen mit dem sinnigen Namen The Equinox, Crowleys gleichnamiger Zeitschrift, da war’s unserem jungen Helden klar: Eine gute Band musste her, mit der er auf Tournee gehen konnte (= Die Reise des Helden), und ein Landhaus, um die okkulten Feiern zu veranstalten. Also formierten wir eine passende Band und zogen in den Bayerischen Wald, mieteten ein altes Gemäuer, probten wie die Verrückten und feierten Schwarze Messen, gaben Interviews, hielten Pressekonferenzen ab und gaben eine Pressemitteilung heraus, dass wir für unsere Bühnenshow eine passende Darstellerin suchten, die sich als »nackte Jungfrau« ans Kreuz schlagen ließ7, experimentierten mit Texten, die verschlüsselte Botschaften enthielten8, wenn man sie rückwärts abspielte, eine Technik, die Crowley zugeschrieben wurde und die ich mir auch aus dem besagten Buch entlehnt hatte. Dieses Rückwärtseinspielen von Plattenaufnahmen, wodurch geheime Botschaften übermittelt werden, wurde später berüchtigt. Das prominenteste Beispiel ist Led Zeppelins Welthit Stairway to Heaven, der vordergründig einen Passus aus der ägyptischen Mythologie beschreibt, rückwärts gespielt aber ein satanisches Glaubensbekenntnis enthält. Uns schienen diese Gedankengänge plausibel, denn wir hatten gelesen, dass die Satanisten einfach das Christentum umkehrten, indem sie statt einer Friedenstaube einen schwarzen Raben zur Kultfigur machten. Es war ja ganz leicht, so böse wie Crowley zu sein: Wir mussten nur die Grabkreuze auf dem Friedhof auf den Kopf stellen und das Vaterunser rückwärts beten, diesen ganzen verrückten Unsinn halt, der in seiner gängigen Einfachheit die Gefühle bewegte und unsere unterschwellig dunkle romantische Art ans Tageslicht brachte. Gut, ich will es hier zugeben: Wir hatten auch ein bisschen Hegel und Fichte in unser magisches Bekenntnis eingestreut, denn ganz so bekloppt wollten wir unter den Studenten nicht dastehen.

       Die Frau am Kreuz (nach dem ursprünglichen Model 1971, das für die Band posierte)

      »In Regensburg wurden ihnen die Instrumente gestohlen, in einem Kölner Lokal wurde ihre ganze Anlage ein Raub der Flammen. Trotzdem sind Amon Düül weiter ›topfit‹, was sie am Samstag um 20 Uhr in der Regensburger Uni-Mensa unter Beweis stellen wollen. Neu ist, daß die Gruppe jetzt zusammen mit der Thallmassinger Kommune ›Black Mass‹ ein musikalisches Kollektiv bildet, was einen interessanten Klangkörper geben dürfte. ›Black Mass‹ allein sind, so der Ingolstädter ›Donaukurier‹, bereits ihr Eintrittsgeld wert.« Mittelbayerische

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