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er, ganz in der Tradition der Romantiker, einen Gegenpol zur gnadenlosen Globalisierung – unserer epochalen Revolution – hin zum anderen, wunderbar Grenzenlosen, alles möglich Machenden, hin zum Imaginären, das wir gemeinsam mit ihm als doch Mögliches erfahren können.

      Das Werkzeug für seine magische Philosophie heißt nicht nur TARO, ROTA oder gar RAT(I)O, sondern er hat sich auch den besonderen unter den Tarots ausgesucht und dessen Initiator: den Thoth Tarot und Edward Alexander Crowley, der sich seit seinen jungen Erwachsenenjahren Aleister nennen wird.

      Dieser Aleister Crowley war eine der faszinierendsten und schillerndsten Personen seiner Zeit, der es zu eigenem literarischem Erfolg brachte und auf ewig festgehaltenem literarischem Ruhm als zweifelhafte, böse Hauptfigur im Hintergrund in William Somerset Maughams Roman Der Magier, ein Roman, der immerhin in die Reihe der 50-bändigen Bibliothek der Süddeutschen Zeitung aufgenommen wurde, die damit warb, »50 große Romane der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts, ausgewählt von der Feuilletonredaktion der Süddeutschen Zeitung«. Dabei wäre vielleicht der große Somerset-Maugham-Roman Der Menschen Hörigkeit eine Alternative gewesen. Aber eben, Crowley faszinierte, und tut es bis heute, denn das Magische verzauberte zu allen Zeiten und eben auch heute noch.

      Aleister Crowley ging als Magier und als Mensch bis an die eigenen Grenzen, um zu Erkenntnissen zu gelangen, die jenseits seiner technikgläubigen, industrialisierten und dem neuen Gott Fortschritt hörigen Gesellschaft lagen. Doch wenn Crowley seine Grenzen erforschte, um daraus den Gewinn zu ziehen, ein großer Magier zu sein, so trieb er andere, insbesondere Frauen, weit jenseits der ihrigen: in Abhängigkeit, Hörigkeit, ins Elend, ins Irrenhaus oder sogar in den Tod. Dabei hatte er seinen Ruhm, insbesondere den in der Nachwelt, ursächlich zwei Frauen zu verdanken: seiner Ehefrau Rose und, rund 40 Jahre später, Lady Frieda Harris. Rose nämlich war es, die ihm Aiwass, den Boten des ägyptischen Gottes Thoth (Gott der Magie, der Weisheit und der Wissenschaft, aber auch der Schreiber und des Kalenders) ankündigte. Sie befahl ihm, in den Tempel zu gehen und alles zu notieren, was ihm eine geheimnisvolle Stimme diktierte. Das führte schließlich zur Niederschrift seines berühmten Liber Al vel Legis, mit dem er den Neuen Äon der Göttin, ein neues Zeitalter, das der Frauen, einleiten wollte. Dieses Manuskript war 1904 auf merkwürdige Weise verloren gegangen. Jahre später fand er es »rein zufällig« auf dem Dachboden von Boleskine wieder, zur gleichen Zeit, als er von Rose geschieden wurde. Und Lady Frieda Harris war es, von der er glaubte, dass sie einen Tarot nach seinen Vorstellungen und oftmals sehr konkreten Anweisungen, den Regeln des Golden Dawn folgend, kreierte. Doch er merkte nicht oder wollte vielleicht nicht sehen, dass die Malerin Harris sich nicht immer an diese Vorgaben hielt, weshalb manche der Farbbeschreibungen aus dem Liber 777 (in Band II rechts neben den Kartenabbildungen aufgeführt) auch nicht mit dem tatsächlichen Bild korrespondieren. Außerdem fügte Harris einigen Bildern einen weiteren, nicht unbedeutenden Aspekt hinzu: Sie benutzte Rudolf Steiners »projektive Geometrie« für die Gestaltung, besonders gut zu erkennen beispielsweise bei Magus, Hohepriesterin, Eremit, Stern oder Königin der Kelche, aber selbst in Crowleys Signumskarte, dem Ass der Scheiben, noch wahrnehmbar. Und: Steiner war nicht sonderlich interessiert, weder am Golden Dawn noch am O.T.O., dem Erben Aleister Crowleys, wiewohl er eine Zeitlang Mitglied des österreichischen Ablegers des O.T.O. war, sondern verfolgte lieber seine eigenen anthroposophischen Interessen.

      Deshalb seien die Fragen gestattet: Müsste der Aleister Crowley Thoth Tarot nicht zumindest auch Frieda Harris Namen im Titel oder Untertitel tragen? Müsste das Liber Al nicht zumindest eine Widmung für Rose enthalten?

      So laden wir Sie ein zu lesen:

      Diese von Akron festgehaltenen äußerst interessanten biographischen Abrisse aus dem Leben des Aleister Crowley – und damit ebenso Abrisse aus dem Leben einiger höchst interessanter Frauen –, illustriert durch viele Bilder, die fremdes Leben anschaulich machen. Und zugleich auch zu Charles Freys eigener Geschichte, die davon erzählt, wie er dem Magier begegnete, die aber zugleich und vor allem eine unterhaltsame authentische Zeitreise ist in eine kurze Periode der Geschichte des letzten Jahrhunderts, in der noch rebelliert wurde, probiert, experimentiert und gelebt – ohne Zukunftsängste, sondern mit Erstaunen auf die Wunder aller Welten.

      Der Verlag

      Ich bitte deinen geneigten Geist um Nachsicht, wenn ich dieses Buch gleich mit ein paar kritischen Bemerkungen eröffne, aber ich denke, für den unvorbereiteten Leser ist es hilfreich, sich in der Auseinandersetzung mit deiner genialen, oft aber auch brachialen und intellektuell kaum zu bewältigenden Botschaft, dem Buch Thoth, nicht alleine zu fühlen. Dahinter verbirgt sich – du ahnst es – meine eigene Erfahrung. Bei meiner ersten Beschäftigung mit dem Thoth Tarot 1981 fühlte ich mich ziemlich frustriert draußen im Regen stehen gelassen, denn ich brachte die für mein damaliges Empfinden stellenweise zusammenhanglos aus verschiedenen esoterischen Lehren assoziierenden und miteinander in Beziehung gebrachten Erklärungen nicht auf die Reihe, bis ich schließlich entnervt aufgab und später auf das deine Message verdrängende, aber eingängig und reflektiert geschriebene Handbuch Gerd Zieglers1 zugriff, das 1984 unter dem Titel TAROT – Spiegel der Seele erschienen war. Was ich damals noch nicht wissen konnte war, dass sich deine Kartenbeschreibungen mit ihren kabbalistischen, magischen und mystischen Korrespondenzen ohne die Kenntnis und Hinzuziehung deiner Lebensphilosophie gar nicht erschließen lassen. Auf der einen Seite erschien mir dein monströses Opus zwar als schier unerschöpflicher Fundus esoterischen Wissens, eine wahre Fundgrube geistiger Tiefe, gespickt mit Einsichten und Erkenntnissen, die völlig neue Dimensionen aufschlossen, und sich im Bestreben, größere Zusammenhänge zu finden, in Schwindel erregende psychologische Höhen hinaufkatapultierten. Auf der anderen Seite beschlich mich aber immer wieder das komische Gefühl, dass du den Leser in deiner widersprüchlichen Art auf die Schippe nehmen wolltest, wenn du, nur um ein Beispiel zu nennen, einerseits bei jeder sich bietenden Gelegenheit von Engeln, Dämonen und anderen außerirdischen Wesen schwärmst, die es zu beherrschen oder zu integrieren gilt, dich aber unversehens als mystischer Atheist bekennst, der sämtliche magischen Erscheinungen als Bestandteile der menschlichen Psyche definiert, und durch das willkürliche Aneinanderreihen und Zitieren endloser Gedankenschlangen sowohl aus seinem Lebenswerk wie auch aus vielen Bereichen der Weltliteratur den atemlosen Leser im sprichwörtlichen Sinn erschlägst.

      Heute ist mir klar: Im Grunde handelt es sich bei diesem Buch um den Weg des Narren, der sich um den Preis, seine kindliche Unschuld bewahren zu können, von allen Götzen und Dogmen befreien muss, um seinen Platz anstelle der alten Götter einzunehmen. Dabei vernichtet er seine Eltern, seine inneren Autoritäten, befreit sich von allen falschen Propheten, sprengt die Ketten seiner Konditionierungen und erschafft das Neue Æon aus sich selbst heraus um den Preis der Erkenntnis, dass der Mensch am Ende seines Lebens trotz all seiner Bemühungen einsam und allein dasteht. Dass dieses neue Zeitalter im Grunde nichts anderes als die Vision eines malträtierten Ego darstellt, die Flucht in einen eigenen Wahn, um dem Sektentrauma seiner Kindheit zu entfliehen, wurde mir klar, als ich eine Notiz in deinem Tagebuch fand. Du schriebst: Habe ich überhaupt etwas Wertvolles getan, oder bin ich weiter nichts als ein läppischer Nichtsnutz, der als eine Serie von Veränderung dieser oder jener Art existiert? Ein Ausschuss, Feigling, Strohmann? Ich kann keinerlei Antwort darauf finden, der Urteilsspruch lautet stets eindeutig auf »Schuldig!« Das war für mich der entscheidende Hinweis, der mich auf die Fährte brachte, die sich für mich heute so darstellt: Alle deine prophetischen Visionen sind in Wahrheit wahrscheinlich eine Flucht vor dir selbst – vor deiner eigenen Vergangenheit. Alle deine Erläuterungen sind einerseits sehr detailliert und differenziert, im gleichen Atemzug in ihrer oft ziemlich willkürlich aneinander gereihten Fülle aber sehr verschwommen, und irgendwie erscheint es mir, als ob es dir wichtig gewesen wäre, eine Vision zu entwickeln, an die du glauben konntest. Schließlich ist es gefährlich, die Illusion hinter der Vision zu erfassen, die Klarheit der Wahrheit, denn dann gäbe es ja nichts mehr, vor dem man davonlaufen könnte. Deine Rolle ist die des einsamen Unverstandenen, der ausgestoßen aus den Reihen der Menschheit seine exzentrischen Bahnen zieht. Da dein jugendlicher Geist anfangs noch nicht mit dem »höheren Licht« korrespondierte, konntest du das Schöpfungszentrum nicht erkennen. Trotzdem

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