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musste Mark an Nathan denken. Newell hatte ihn beim Kampf gegen das abtrünnige Rudel als Köder benutzt. Ohne zu zögern. Doch diesen Gedanken behielt er für sich, während Newell mit seiner Tirade fortfuhr.

      »Er misst dem Wort eines Abtrünnigen mehr Bedeutung bei als dem eines anderen Alphas … Obwohl der Abtrünnige Mitglieder aus seinem und meinem Rudel attackiert und getötet hat! Das ist eine Beleidigung, die ich nicht hinnehmen werde.« Er wartete, als würde er eine Reaktion erwarten.

      Mark durchforstete fieberhaft sein Gehirn nach der richtigen Antwort. »Ja, Alpha«, sagte er schließlich.

      Newell nickte nur kurz. »Und ich werde dir deinen Fehltritt mit der Jacke verzeihen. Dieses Mal. Doch in Zukunft wirst du keine Rudelangelegenheiten mehr ausplaudern. Hast du das verstanden?«

      Mark hatte Seb, dem neuesten Mitglied des R-Rudels, von seiner neuen Jacke erzählt. Aber ihm war nicht klar gewesen, dass das als ‚Ausplaudern von Rudelangelegenheiten’ galt. »Ja, Alpha. Danke.«

      Newell lächelte, doch es sah nicht besonders freundlich aus. »Ich habe dir und Will diese Jacken als Zeichen der Dankbarkeit unseres Rudels geschenkt. Wenn den Jacken irgendwelche Gerüche anhafteten, wusste ich nichts davon. Ich konnte nicht voraussehen, dass jemand aus Harleys Rudel dich wegen dieser Jacke attackieren würde. Das ist Harleys Problem, nicht meines. Und der Rat der Alphas wird das sicherlich auch so sehen.« Er hielt inne und sah zu Wes. Sie tauschten einen Blick aus, dann lächelte Newell wieder. »Wem hast du sonst noch davon erzählt?«

      »Von den Jacken?«

      Newell nickte.

      »Äh … niemandem, glaube ich.« Sie hatten die Jacken erst heute Morgen bekommen. Dann waren sie direkt zum R-Rudel gefahren.

      »Und Will? Hat Will etwas erzählt?«

      »Ich …« Mark sah zu Jason. Woher sollte er wissen, ob Will jemandem davon erzählt hatte?

      Jason trat neben ihn, sodass ihre Schultern sich berührten. »Will arbeitet heute Nacht in einem der Clubs. Er wird wahrscheinlich gerade schlafen, also hatte er vermutlich keine Gelegenheit, irgendjemandem davon zu erzählen.«

      »Gut.« Newell richtete seine Aufmerksamkeit nun auf Jason. »Sieh zu, dass das so bleibt.«

      »Ja, Alpha.«

      »Das gilt auch für dich.« Als Newell Mark ansah, veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er wirkte nicht unbedingt freundlich, aber zumindest etwas weniger schroff. »Es ist nicht so, als habe ich etwas zu verbergen. Ja, anscheinend roch die Jacke nach dem abtrünnigen Rudel, aber das war ein unglücklicher Zufall. Zum Glück ist nichts passiert.«

      Ich wäre fast getötet worden.

      »Und zum Glück ist zumindest einer aus Harleys Rudel nicht völlig nutzlos.«

      Alec.

      Er hatte Mark das Leben gerettet.

      »Der Rat der Alphas wird mit dem ganzen Rudel reden wollen. Je weniger Leute über diese Angelegenheit Bescheid wissen, desto besser ist das für uns.« Er wandte ihnen den Rücken zu. Das hieß sicher, dass sie entlassen waren.

      Jason schien das ebenfalls so zu deuten, denn er bugsierte Mark in Richtung Tür.

      Als Mark die Hand nach dem Türgriff ausstreckte, fügte Newell noch etwas hinzu. »Jason, sieh zu, dass Mark sicher zu seiner Wohnung gelangt. Nach den Ereignissen heute wird er sicher Ruhe brauchen.«

      Jason nickte. »Ja, Alpha.«

      »Und dann komm zurück hierher. Wir haben viel zu besprechen.«

      Mark und Jason verließen den Konferenzraum und gingen schweigend die Treppen hinunter. Die Wände hier waren zwar schallgedämpft, aber es bestand trotzdem die Möglichkeit, dass jemand sie hörte. Eigentlich wusste Mark sowieso nicht, was er sagen sollte.

      Seine Wohnung lag im anderen Gebäude und sobald sie nach draußen traten, blieb Jason stehen, sah sich auf der Straße um und schien sich schließlich zu entspannen. Mark spürte ebenfalls, wie sich seine verkrampften Muskeln etwas lockerten. Die frische Luft tat gut nach der angespannten Atmosphäre drinnen. Doch er hatte so viele Fragen und Zweifel. Hier würde es zumindest niemand hören, wenn er den Mut fand, seine Fragen zu stellen.

      Jason setzte sich in Bewegung und ging auf das andere Gebäude zu, jedoch langsamer als üblich. »Ich habe nicht viel Zeit. Er könnte Verdacht schöpfen, wenn ich zu lange brauche.«

      Mark musste nicht fragen, wen er damit meinte. Doch … »Ist es also wahr? Was Alpha Harley ihnen vorwirft?« Ihnen. Er weigerte sich, Jason ebenfalls zu einem der Schuldigen zu erklären. Noch.

      Jason seufzte und massierte sich die Schläfen. »Ich weiß es nicht. Fuck, ich habe ein ganz mieses Gefühl bei der Sache. Wir sollten gar nicht darüber sprechen. Erwähne es niemandem gegenüber, ja? Es geht um die Sicherheit des Rudels. Okay?« Er hielt Mark am Arm zurück. »Sprich auch nicht mit Will darüber.«

      Mark schluckte. Will war sein bester Freund und sie erzählten sich normalerweise alles. »Okay.«

      »Nur eine Sache: Falls an all dem wirklich etwas Wahres dran ist, musst du wissen, dass ich nicht mit drinstecke. Du kannst mir vertrauen, Mark. Ich würde dich nie in Gefahr bringen.« Er legte Mark eine Hand auf den Nacken und zog ihn an sich.

      Jasons beruhigender Geruch hüllte ihn ein und beruhigte sofort seine flatternden Nerven. Wenn sein Alpha dasselbe getan hätte, wäre das Gefühl sicher völlig anders gewesen … Mark wusste, dass das nicht so sein sollte, ganz abgesehen davon, dass er noch so viele weitere Zweifel hatte. Er behielt diese Gedanken lieber für sich. »Was machen wir jetzt?«

      »Du tust gar nichts, außer in deine Wohnung zu gehen und dort zu bleiben. Wie dein Alpha es gesagt hat.«

      »Aber …«

      »Deine Wohnung ist gerade der sicherste Ort für dich. Der Rat der Alphas wird bald mit den Ermittlungen beginnen, und wenn an Harleys Anschuldigungen wirklich etwas dran ist, dann werden sie es herausfinden. Niemand kann dem Rat etwas vormachen.«

      Mark schüttelte sich. Wenn der Rat der Alphas jemanden eines Verbrechens überführte, konnten sie denjenigen so bestrafen, wie sie es für richtig hielten. Sogar mit der Todesstrafe.

      Jason brachte ihn bis zu seiner Wohnung und verabschiedete sich mit dem Versprechen, morgen vorbeizuschauen und nach ihm zu sehen.

      Mark war so erleichtert, wieder zu Hause zu sein, dass er an der Wand zusammensackte. Zum ersten Mal seit Stunden konnte er sich wieder einigermaßen entspannen. Was für ein beschissener Tag. Erst jetzt wurde ihm wirklich klar, dass er fast draufgegangen wäre. Seine Hände begannen zu zittern und er ballte sie angestrengt zu Fäusten. Das Adrenalin, das schon lange verebbt war, jagte nun wieder durch seine Adern. Er hatte die Gedanken die ganze Zeit weggeschoben.

      Es ist nichts Persönliches.

      Das hatte er sich die ganze Zeit gesagt. Der Geruch des feindlichen Rudels auf seiner Lederjacke hatte Tim Walters, den normalerweise stets gelassenen Arzt des R-Rudels, durchdrehen lassen. Das war nur ein Instinkt gewesen, der Instinkt, seinen Gefährten Seb zu beschützen. All das hatte nichts mit Mark zu tun.

      Aber war es nur ein unglücklicher Zufall?

      Newell konnte manchmal ein ziemlicher Arsch sein und die Hälfte des Rudels wusste insgeheim, dass er alles andere als ein guter Alpha war. Aber würde er wirklich das Leben eines Rudelmitglieds einfach so aufs Spiel setzen? Mark wollte es nicht glauben, aber warum sollte Alpha Harley lügen? Warum sollte er die Sache vor den Rat bringen, wenn er keine handfesten Beweise hatte? Der Rat kümmerte sich normalerweise nicht um Streitereien zwischen Rudeln, außer, es ging um sehr ernste Anschuldigungen. Falsche Anschuldigungen wurden ebenfalls hart bestraft. Niemand wollte den Rat der Alphas wütend machen. Nur ein Gedanke bewahrte Mark davor, durchzudrehen: Jason hatte mit der Sache nichts zu tun. Sein Beta war auf seiner Seite. Erst, als er sich das erneut vor Augen rief, hörten seine Hände endlich auf zu zittern.

      Ein Klopfen an der Tür

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