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Frauenstimme.

      „Fremder, hab keine Angst vor mir!“

      Josea, dachte Carberry sofort, Himmel, dieses Prachtstück von einem Frauenzimmer ist zu Besuch aufgekreuzt. Habe ich’s mir doch gedacht! Na, die Weiber wissen eben, wo die größten Qualitäten verborgen sind!

      Sie verharrte neben dem einzigen niedrigen Fenster des Raumes. Carberry schob sich auf sie zu. Er beugte sich mit verzückter Miene zu ihr hinunter und wollte irgend etwas Unsinniges, völlig Unangebrachtes sagen, das ihm gerade einfiel – da erstarrte er.

      Statt in das zarte Antlitz Joseas zu blicken, hatte er das zerknitterte Gesicht einer Greisin vor sich. Ein abgemagertes Gesicht war das, faltige, ledrige Haut spannte sich über die Knochen und erfüllte die Höhlungen mit schlaffen Runzeln.

      „Hol’s der Henker“, entfuhr es dem Profos, „des Teufels Großmutter höchst persönlich!“

      „Fremder“, zischte die Alte. „Ich will dir helfen und dich retten, denn unter diesem Dach darf kein weiteres Unheil geschehen. Verstehst du mich?“

      „Mit Ach und Krach.“

      „Hör mir gut zu. Einer deiner Freunde ist mit Charutao in den Keller hinuntergestiegen. Du mußt ihn als ersten niederschlagen.“

      „Wen?“ fragte Carberry verwirrt.

      „Charutao natürlich, wen denn sonst?“ sagte die Abuela ärgerlich. „Anschließend solltest du ins Freie gehen und den beiden beistehen, die gerade von Pinho und Iporá, diesen schmutzigen Bastarden, zum Brunnen begleitet werden. Dort wollen sie Wasser holen, aber Pinho und Iporá werden sie niederknüppeln, das schwöre ich dir. Und wenn sich deine Freunde zu sehr wehren, werden meine Leute nicht zögern, sie im Brunnen zu ersäufen.“

      „Ja, da hört sich doch alles auf“, murmelte Carberry, der sich jetzt schon sehr viel nüchterner und wacher fühlte.

      „Schließlich wäre da noch der Schwarzhaarige, der mit Josea zum Dachboden hinaufgestiegen ist“, wisperte die Alte. „Um ihn bereite ich mir aber die wenigsten Sorgen.“

      „Ich auch. Hasard kann sich am besten von uns allen helfen, und von dem Mädchen läßt er sich nicht um den Finger wickeln.“

      „Vorwärts, ich zeige dir jetzt eine Treppe, die in den Keller führt“, sagte die Abuela. „Beeil dich. Und tu mir einen Gefallen, Ja? Im Stall liegt ein Boot, eine lächerliche, häßliche Nußschale. Zerstör sie. Zerschlag das elende Ding, verstanden, mein starker Freund?“

      „Ja, Rose von Portugal“, antwortete der Profos. „Wir schaukeln das schon. Ich verspreche es dir. Ich habe jetzt nämlich die Nase voll.“

      9.

      Shane und Ferris hatten im Kaminzimmer noch einen Schluck Riojo-Wein zu sich genommen und von dem Schinken gekostet, bevor sie mit Pinho Brancate und dessen jüngstem Sohn das Haus verlassen hatten. Als sie zum Ziehbrunnen hinter der Herberge marschierten, jeder mit zwei Fäßchen unter dem Arm, wandte Ferris Tucker sich leise an den graubärtigen Riesen.

      „Shane, ob der Schinken wohl vergiftet ist?“

      „Was, das fällt dir jetzt ein?“

      „Mir ist eben erst der Verdacht gekommen. Der Wein, den diese Galgenstrikke uns unterjubeln wollten, scheint ja mit einem Schlafmittel angereichert zu sein.“

      „Ferris“, zischte Big Old Shane. „Hast du denn nicht gesehen, wie sich auch Pinho Brancate einen ordentlichen Kanten von dem Schinken zwischen die Kiemen geschoben hat?“

      „Darauf habe ich nicht geachtet.“

      „Du bist ein gottverdammter Klamphauer. Was hast du mir für einen Schreck eingejagt!“

      „Shane, ob es wohl richtig war, den Profos in dem Hinterzimmer zurückzulassen?“

      „Natürlich. In seinem Tran wäre er uns jetzt bloß zur Last gefallen. Wir dürfen die beiden Kerle nicht aus den Augen lassen. Wäre Carberry mit von der Partie, hätten sie außerdem mit ihm leichtes Spiel.“

      „Du denkst, die greifen uns an?“

      „Ja“, antwortete Shane. „Willst du noch mehr wissen?“

      „Nein, das reicht mir“, sagte Ferris voll Grimm. „Still jetzt, die Burschen drehen sich nach uns um.“

      Die beiden Brancates hatten den Ziehbrunnen hinter dem Haus erreicht. Pinho wandte den Kopf und lächelte seinen „irischen Gästen“ zu, man konnte seine untadeligen Zähne im Mondlicht schimmern sehen, das jetzt durch eine Lücke in den Wolkenbänken fiel. Iporá war bereits damit beschäftigt, den Holzkübel aus der Tiefe des Brunnens heraufzuziehen.

      „Das Wetter bessert sich“, sagte der Herbergswirt. „Der Wind hat, merklich nachgelassen, und bestimmt hat sich auch die See beruhigt.“

      „Jawohl, es klart auf“, sagte Big Old Shane. Er setzte seine Fässer neben dem gemauerten Brunnen ab, entkorkte die Öffnungen und richtete sich mit einem knappen Blick in den Himmel wieder auf. „Im Morgengrauen können wir dann wohl den Anker hieven, die Bucht verlassen und weitersegeln, um unsere Reise fortzusetzen – wenn alles gutgeht.“

      „Ja, wenn alles gutgeht“, echote Ferris Tucker. Er hatte seine Fässer ebenfalls zu Boden gelassen und harrte der Dinge, die da folgen würden.

      Iporá hielt plötzlich in seiner Tätigkeit inne und blickte ziemlich entgeistert in den Brunnen hinunter. Seine Stimme klang hohl von den Innenwänden wider, als er zu seinem Vater sagte: „Padre, da ist was – ein Widerstand. Ich kann den Kübel nicht hochziehen.“

      Pinho trat neben ihn. „Laß mich mal“, brummte er, aber so sehr er auch zerrte und ruckte, der Kübel ließ sich keinen Zoll höher ziehen.

      „Senores“, sagte Pinho Brancate in gespielter Verzweiflung. „Können Sie nicht mal mit anpacken? Zu viert schaffen wir es vielleicht.“

      „Oder das Tau reißt“, widersprach der rothaarige Schiffszimmermann. „Hat denn so was die Welt schon gesehen? He, Senor, kannst du mit deinem eigenen Brunnen nicht umgehen?“

      Der Herbergswirt überhörte dies geflissentlich. Er schien ganz in seine Tätigkeit vertieft zu sein.

      Big Old Shane und Ferris Tucker traten an den Brunnenrand, hüteten sich aber, sich über den Mauersims zu beugen.

      Pinho Brancate und sein Sohn fuhren plötzlich zu ihnen herum. Der Kübel, bislang noch von beiden am Seil festgehalten, sauste in die Tiefe und klatschte Sekunden später unten ins Wasser, weil die Portugiesen das Seil losgelassen hatten. Statt dessen hatten sie sich mit dicken Knüppeln bewaffnet, die in eigens dafür angebrachten Eisenhalterungen an der Brunneninnenseite gehangen hatten. Ohne daß die „lieben Freunde“ es gemerkt hatten, hatten die Brancates blitzschnell zu diesen Waffen gegriffen.

      Das Versteck der Knüppel war Pinhos glorreiche Erfindung. Er war sehr stolz darauf, denn schon mehrfach hatte es sich als eine wahrhaft grandiose Einrichtung bewährt.

      Die Freundlichkeit war wie weggewischt aus Pinhos und Iporás Mienen. Ohne Warnung droschen sie auf den ehemaligen Schmied von Arwenack und Hasards rothaarigen Schiffszimmermann ein. Sie dachten, leichtes Spiel zu haben, weil sie das Überraschungsmoment ausnutzen – aber bei Shane und Ferris waren sie an die Falschen geraten.

      Überrascht waren die beiden keineswegs, sie hatten ja mit einem Ausfall der zwielichtigen Portugiesen gerechnet. So erfolgte ihre Reaktion jetzt gedankenschnell. Ferris sprang zur Seite. Iporá schlug mit dem Knüppel ins Leere und wurde durch die Wucht des Hiebes aus dem Gleichgewicht gebracht. Es riß ihn nach vorn.

      Big Old Shane blockte den brutalen Schlag des Vollbärtigen ab, indem er den rechten Fuß hochschwingen ließ. Seine Stiefelspitze traf Pinhos Knüppelarm an dessen Unterseite, und zwar so heftig, daß der bullige Mann aufstöhnte.

      Den Knüppel ließ er aber nicht los.

      Ferris

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