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auf die Schinken zutraten. „Mein Vater will, daß Sie aufs beste bedient werden.“

      „Und Sie, Senorita?“

      Ihr Blick traf seine eisblauen Augen. Ihre Züge waren weich, unbeschreiblich weich und ebenmäßig – und voller Verheißung. „Ich tue, was der Padre sagt.“

      „Dann beraten Sie mich.“

      „Man muß ein Geschenk kosten, um zu wissen, wie es schmeckt“, erwiderte sie leise. „Ist Ihnen das nicht bekannt – Capitán?“

      „Ich heiße Philip mit Vornamen.“

      Sie blieb dicht vor ihm stehen und wandte sich ganz zu ihm um. „Vater würde mich schlagen, wenn er wüßte, daß Sie Josea zu mir sagen.“

      „Noch habe ich es nicht getan.“

      „Sind alle Iren so – so zurückhaltend?“

      Verdammte Koketterie, dachte Hasard, raffiniertes Biest, aber ich lasse mich von dir nicht einwickeln.

      „Iren sind Hitzköpfe voller Temperament“, antwortete er verhalten. „Hat dir noch keiner gesagt, daß sie den Portugiesen ähneln, Josea?“

      „Nein. Von dir könnte ich viel lernen, oder?“

      „Das kommt ganz darauf an.“

      „Du bist ein kluger Mann, Philip.“ Sie legte ihm die Hände auf die Schultern. „Es spricht aus deinen Worten, aus deiner Art, dich zu bewegen, daß du weit herumgereist bist und viele Erfahrungen gesammelt hast.‘“

      „Ein Narr wird höchst selten Schiffskapitän.“

      „Ich mag kluge Männer, und wenn sie zudem noch so gut aussehen wie du, verliere ich den Verstand“, wisperte sie. Sie schloß die Augen. Ihre Hände schoben sich um seine Schultern herum, glitten tiefer, ihr Mund näherte sich seinen Lippen. Stille umgab sie. Man konnte nicht hören, was unten im Haus gesprochen und getan wurde. Sie schienen sich jetzt in einer völlig anderen Welt zu befinden. Hasard erwiderte den Kuß des Mädchens. Weich, warm und verlangend waren diese Lippen – und für einen Augenblick ließ er sich doch von ihren Reizen und Liebkosungen gefangennehmen.

      Die Rechnung für seine Leichtfertigkeit kriegte er sofort präsentiert.

      Joseas rechte Hand fuhr an seinen Gurt. Sie tat aber nicht, was die meisten Mädchen in dieser Situation nun zweifellos getan hätten – sie verhielt sich völlig anders. Plötzlich hatte sie seine doppelläufige Reiterpistole gezückt, entschlüpfte seiner Umarmung und wich zwei Schritte zurück.

      O ja, sie konnte mit der Waffe umgehen. Schnell spannte sie beide Hähne des Radschlosses und zielte auf Hasards Brust.

      „Philip Drummond“, zischte sie. „Zwinge mich nicht, auf dich zu schießen. Glaub mir, ich tue es, falls du Widerstand leistest.“

      Der Seewolf hatte sich in der Gewalt. Hatte er nicht die ganze Zeit über fest damit gerechnet, daß die Brancates hinter dem Mantel der Herzensgüte und Hilfsbereitschaft ganz bestimmte Absichten verbargen? War dies nicht endlich der Beweis dafür? Die Schleier der Scheinheiligkeit waren gefallen, aber trotzdem erschütterte es ihn, daß ein Mädchen wie Josea an diesem Komplott teilnahm. Er mußte doch um seine Fassung kämpfen.

      „Wenn das deine persönliche Art zu scherzen ist, dann hör sofort damit auf“, sagte er leise. „Gib die Pistole her.“

      „Nein. Wir gehen jetzt zu Segura und Franca. Sie werden dich fesseln und knebeln, und ich rate dir, nicht zu schreien, um deine Leute zu warnen. Ich will dich nicht töten, aber in dem Fall wäre ich dazu gezwungen, wie gesagt.“

      „So ist das also.“ Hasard lächelte hart. „Ich hatte also wirklich recht mit meinen Ahnungen.“

      „Versuche nicht, mich zu überlisten“, wisperte sie drohend. „Gehen wir jetzt. Wir haben keine Zeit zu verlieren.“

      „Drei hübsche Mädchen, eins davon noch ein Kind, spielen die Lockvögel“, sagte der Seewolf unbeirrt. „Das habt ihr euch fein ausgedacht. Normalerweise gebt ihr den Gästen, die ihr ausplündern wollt, wohl von eurem Wein zu trinken, nicht wahr? Nur, damit habe ich insgeheim gerechnet …“

      „Womit?“

      „Daß ein Schlafmittel darin ist. Als ich vor einigen Jahren von einer Preßgang an Bord eines Schiffes verschleppt wurde, hatte man vorher auch versucht, mir einen Schlaftrunk einzutrichtern. Es klingt absurd, aber in gewisser Weise kann man von Nathaniel Plymson, diesem Schlitzohr, doch auch was lernen. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer, Josea. Mein Profos ist leider darauf hereingefallen und schlummert nun selig. Warum gebt ihr euren ‚lieben Freunden‘, die euch besuchen, nicht gleich Gift zu trinken?“

      „Schweig“, raunte sie mit wütend verzerrter Miene. „Wir sind keine Mörder. Die Abuela bereitet den Schlaftrunk zu, wir betäuben die Leute, denen wir etwas von ihrem Besitz abnehmen, und setzen sie später einige Meilen von hier entfernt aus, damit sie nie zurückfinden.“

      „Wer das glaubt, wird selig.“

      Josea rückte unwillkürlich näher auf ihn zu. „Nie würde ich einen Menschen umbringen, nie, hörst du?“ sagte sie leidenschaftlich. „Und das gleiche gilt für meine Eltern, Schwestern und Brüder. Im übrigen handeln wir aus Notwendigkeit, wenn wir hin und wieder jemanden um sein Hab und Gut erleichtern. Wir wollen nie wieder Hunger leiden, nie wieder. Du weißt nicht, wie grausam das ist.“

      „Jeder rechtfertigt sich auf seine Weise“, erwiderte er so ruhig wie möglich. „Aber der wirkliche Schurke ist euer Vater, der euch zu Dieben und Strandräubern erzogen hat.“

      „Schweig!“

      „Woher willst du eigentlich wissen, daß es bei uns etwas zu holen gibt?“

      „Segura und Franca haben uns bei Tisch Zeichen gegeben. Wir haben eine geheime Gestensprache.“

      „Ziemlich ausgekocht.“

      „An Bord eures Schiffes müssen Segura und Franca Wertvolles gesehen haben. Gold, Silber und Juwelen.“

      „In meiner Kammer. Dachte ich es mir doch, daß sie diese Entdeckung so schnell wie möglich weiterverraten würden.“

      „Ich wette, daß ihr kein Getreide befördert, Capitán“, flüsterte sie. „Ihr habt etwas ganz anderes an Bord.“

      „Und wenn es so wäre?“

      „Wir werden eure Kameraden dazu zwingen, uns das Schiff zu überlassen. Sie werden es nicht wagen, das Leben ihres Kapitäns und vier seiner besten Seeleute aufs Spiel zu setzen. Während sie sich in den Beibooten aus der Bucht entfernen, werden wir die Galeone von oben bis unten durchsuchen und uns nehmen, was uns gefällt. Später könnt ihr euer Schiff wiederhaben, aber dich, Philip, und deine vier Kameraden lassen wir natürlich an einem anderen Platz wieder frei …“

      Es war weniger der Gedanke an den Schatz in den Frachträumen der „Isabella“, der Hasard zum Handeln trieb. Vielmehr bangte er um das Leben seiner Männer, denn Josea konnte ihm viel über ihre „Diebesehre“ erzählen, er glaubte einfach nicht daran, daß Pinho, Charutao und Iporá Ben Brighton, Ferris Tucker, Shane und den Profos mit Samthandschuhen anfaßten.

      Unvermittelt tat er einen Schritt auf das Mädchen zu. Ehe sie es sich versah, hatte er ihren Arm mit der Reiterpistole gepackt und halb herumgedreht. Er entriß ihr die Waffe, die Gott sei Dank nicht losging, packte Josea grob mit der freien Hand und zerrte sie zu sich heran.

      Die Pistole, deren Hähne immer noch gespannt waren, stopfte er sich in den Gurt zurück. Dann hielt er Josea die rechte Hand vor den Mund und preßte ihn zu, bevor sie einen Schrei von sich geben konnte.

      „Du hast dich selbst verraten“, raunte er ihr ins Ohr. „Und eigentlich bin ich froh, daß du es nicht fertigbringst, wirklich auf jemanden zu feuern und ihn zu töten. Vorwärts, gehen wir jetzt zu Segura und Franca. Sie warten auf uns.“

      Er drängte sie zur Stiege, verhielt aber, bevor er mit ihr nach

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