Скачать книгу

Man hat mir etwas derart Lächerliches noch nie in meinem Leben vorgeworfen.“

      „Dein Leben war nur kurz“, sagte das ziegenbärtige Männchen, „und es wird auch nicht mehr lange währen. Es sei denn, du gibst deine schändliche Tat endlich freimütig zu, Ali Mustafa.“

      „Ich habe nichts zuzugeben“, sagte der Angeklagte stolz und mit erhobenem Kopf. „Deine sogenannten Zeugen, hoher Kadi, sind erbärmliche Schufte, die mich um mein Vermögen gebracht haben. Sie haben intrigiert und mich durch ihre falschen Beschuldigungen vor Gericht gebracht. Wo sind die Zeugen denn, warum werde ich ihnen nicht gegenübergestellt?“

      „Die Zeugen sind bereits vernommen worden. Eine Gegenüberstellung ist nicht mehr erforderlich.“

      Der Ziegenbärtige verzog ein wenig das Gesicht. Er dachte an den großen Beutel mit Goldstücken, den er erhalten hatte. Wenn er Ali Mustafa nicht zum Tode verurteilte, konnte das für ihn selbst sehr üble Folgen haben. Nicht nur, daß er das Gold zurückgeben mußte, für ihn als Kadi stand noch mehr auf dem Spiel – Ansehen, Würde, Glaubwürdigkeit und was der edlen Dinge mehr waren.

      „Die Anschuldigungen sind erfunden“, sagte der Gefangene noch einmal laut und deutlich. „Ich habe nie mit den Spaniern und Venezianern zusammengearbeitet, wie man mir das vorwirft. Ich kenne keinen einzigen Venezianer und erst recht keinen Spanier.“

      „Du bist der Kollaboration mit dem Feind überführt“, sagte das Männchen böse. „Du hast mit den Teufeln zusammengearbeitet, die uns empfindliche Niederlagen beigebracht haben.“

      Ali Mustafa lachte leise und hart. Ein verächtlicher Zug lag um seine Mundwinkel.

      „Wo sind die Beweise, hoher Kadi? Bisher habe ich nur falsche Worte vernommen. Mit wem habe ich zusammengearbeitet, wo habe ich mich mit Spaniern und Venezianern getroffen? Bringt mir endlich den Beweis, hoher Kadi.“

      „Verurteilt ihn endlich“, plärrte einer der alten Männer ungnädig. „Seine Schuld ist erwiesen. Wir haben noch mehr Fälle.“

      Der Kadi nickte und erhob sich mit gekrümmtem Rücken.

      „Im Namen Allahs verurteilen wir dich nach dem Gesetz des heiligen Korans. Man wird dich morgen, nach dem zweiten Gebet des Muezzin vom Leben zum Tode befördern. Der Henker wird dich, Ali Mustafa, vor eine Kanone binden. Wenn die Kanone gezündet wird, ist der Gerechtigkeit Genüge getan und dein Frevel gesühnt worden.“

      Ali Mustafa hatte nichts anderes erwartet. Er sah den Kadi mit einem höhnischen Blick verächtlich an.

      „Seit wann bestimmen die heiligen Gesetze des Korans, daß der Angeklagte vor eine Kanone gebunden wird? Mir ist kein derartiges Gesetz bekannt.“

      „Das Urteil ist gesprochen!“ schrie das Männchen ärgerlich. „Du wirst nicht durch das Henkersschwert bestraft, sondern durch die Kanone. Das ist ein unehrenhafter Tod, und genau den hast du verdient, Ali Mustafa. Dir steht das letzte Wort zu. Hast du noch etwas zu sagen?“

      In den kohlschwarzen Augen des Türken funkelte es.

      „Ja. Verflucht sollt ihr alle sein, ihr hohen Herren, weil ihr durch meinen Tod eine goldene Nase verdient. Seid auf ewig verflucht, ihr und der Henker!“

      „Bringt ihn hinaus!“ kreischte der Kadi wild. „Bringt ihn ganz schnell hinaus, damit sich der Fluch eines zum Tode Verurteilten nicht erfüllt.“

      Voller Entsetzen sahen die drei Kadis zu, wie sich die Schergen auf Ali Mustafa stürzten und auf ihn einschlugen. Als er zusammenbrach, schleppten sie ihn an den Ketten hinaus.

      Und da geschah das Unfaßbare: Der Kadi mit dem Zickenbart regte sich über die Verwünschung und den Fluch derart auf, daß sein Gesicht blau anlief, er am ganzen Körper zu zittern begann und schließlich zu Boden fiel, wo er sich in wilden Zuckungen wand.

      Zwei Minuten später war er tot. Sein altes Herz hatte die Aufregung nicht verkraftet.

      Die beiden anderen wurden bleich. Fassungslos starrten sie auf den Toten am Boden. Der Kadi lag jetzt auf dem Rücken. Sein Mund war wie zu einem Schrei geöffnet, seine gebrochenen Augen stierten seelenlos durch die Decke hindurch.

      „Bei Allah“, stöhnte der eine. „Das hätten wir nicht tun sollen. Er ist Nachfahre Suleiman des Großen. Sein Geist wird nicht eher Ruhe geben, bis sich der Fluch auch an uns erfüllt.“

      Der andere Kadi gab keine Antwort. Gebrochen an Leib und Seele stürzte er aus dem Verhandlungsraum. Er fühlte sich sterbenselend.

      Für Ali Mustafa begann eine schlimme Nacht. Den Schergen war nicht entgangen, daß der „Fluch“ sofort in Erfüllung gegangen war. Sie waren selbst sehr abergläubisch, und so droschen sie auf Ali Mustafa ein, wenn er sich auch nur leicht bewegte.

      „Du wirst Allah danken, wenn morgen die Kanone abgefeuert wird“, sagte sein Wächter. „Der Tod wird dir eine Erlösung sein, denn noch ist die Nacht nicht zu Ende.“

      Danach wurde Ali Mustafa in einen stickigen und heißen Raum gebracht, wo man ihm die Augen verband. Es ging weiter in einen anderen Raum, wo er Stimmengewirr hörte. In dem Raum brannten nur ein paar Ölfunzeln, aber Ali sah das schwache Licht nicht. Er konnte überhaupt nichts erkennen.

      „Heißt ihn willkommen“, sagte eine dunkle Stimme.

      Leises Gelächter erklang. Ali Mustafa erhielt einen Tritt in den Rücken und fiel der Länge nach hin.

      „Los, küß den Boden und neige dich vor Allah!“ rief ihm jemand zu.

      Als er das unfreiwillig getan hatte, fielen sie wieder über ihn her. Diesmal rissen sie seine Kleidung herunter und zogen ihm die Schuhe aus.

      Dann wurde er „willkommen geheißen“, wie sie es nannten.

      „Vierundvierzig Hiebe“, sagte ein Mann, der die Bastonade überwachte. „Gebt ihm vierundvierzig Hiebe auf die Fußsohlen. Für jedes Wort der türkischen Eidesformel einen Schlag.“

      Eine mörderische Prozedur begann, als der Kerl mit dem Stock zuschlug. Ali Mustafa krümmte sich und versuchte aufzuspringen, doch zwei starke Männer hielten ihn unbarmherzig fest.

      Die Schmerzen waren kaum zu ertragen. Er biß sich auf die Lippen, bis er Blut im Mund spürte. Seine Fußsohlen brannten, als würde er durch glutendes Feuer laufen, und jeder weitere Hieb entrang ihm ein gequältes Stöhnen.

      Die Schläge hörten nicht mehr auf. Ewigkeiten ging das so weiter, ein Klatschen, ein Zusammenzucken, bis er überhaupt kein Gefühl mehr in den Füßen hatte.

      Dann war es endlich vorbei – vierundvierzig Hiebe, für jedes Wort der türkischen Eidesformel einen Hieb.

      Sie stellten ihn auf die Beine. Aber er konnte nicht mehr laufen und brach wieder zusammen. Die Schmerzen waren grauenhaft und kaum noch zu ertragen.

      „Bringt ihn weg“, sagte die Stimme. „Bringt ihn in den vornehmen Raum mit dem Bad, damit er sich erholen und ausruhen kann.“

      Ali Mustafa sah nur rote Nebel kreisen. Er spürte, wie ihn zwei Mann hart bei den Armen ergriffen und wegzerrten. Um ihn her raunten leise Stimmen, alles war wie in dicke Watte gepackt. Nur dieser grauenhafte Schmerz blieb.

      Seine Beine schleiften über den Boden. Die Kerle renkten ihm fast die Arme aus.

      Dann warfen sie ihn in einen anderen Raum. Es war ein kleines enges Steinverlies, in dem kniehoch übelriechendes kaltes Abwasser stand. In diese stinkende Brühe ließen sie ihn hineinfallen.

      „Gib doch zu, daß du mit den verdammten Venezianern paktiert hast“, sagte einer seiner Wächter fast mitleidig. „Du ersparst dir dadurch eine Menge Ärger. Morgen ist sowieso alles vorbei.“

      „Ich habe nichts zuzugeben“, keuchte Ali. Stöhnend brach er in der kalten Brühe zusammen und übergab sich.

      Wie lange er so gelegen hatte, wußte er später nicht mehr. Aber es mußten wieder Ewigkeiten vergangen sein.

      Irgendwann

Скачать книгу