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Kinderchen Thyra und Thurgil zu sorgen begann.

      Ja, und auch Smoky, der Decksälteste der „Isabella“, war schon ganz zappelig. Wo war Gunnhild, seine Frau, mitsamt Klein David abgeblieben?

      Geradezu zögernd gingen die drei Schiffe wenig später vor der Küste der Eight Miles Bay vor Anker.

      „He!“ brüllte Thorfin Njal. „Was wird hier gespielt, bei Odin und seinen schwarzen Raben?“

      „Weiß ich das?“ schrie die Rote Korsarin zurück. „Die Schiffe sind jedenfalls nicht da!“

      „Dann spukt es!“ brüllte Carberry.

      „Es wird schon alles mit rechten Dingen zugehen“, sagte Hasard. „Jean, Renke, Oliver und Donegal haben aus irgendeinem Grund wieder auslaufen müssen.“

      „Es hätte wenigstens einer zurückbleiben können, der uns Bescheid gibt“, sagte Ben. „Ich finde das ziemlich merkwürdig.“

      „Also, wo sind die Kerle?“ brüllte Thorfin Njal mit Donnerstimme. „Wir haben doch diesen Treffpunkt vereinbart, verdammt noch mal!“

      „Kannst du nicht mal mit dem Gebrüll aufhören?“ rief Siri-Tong. „Du machst noch die Quallen im Wasser verrückt! Und die Kariben, die in den Dünen lauern könnten!“

      „Wer brüllt denn?“ brummte der Wikinger.

      „Ja, wer brüllt denn?“ echote der Stör, der die dumme Angewohnheit hatte, immer die letzten Worte seines Kapitäns nachzusprechen.

      Prompt fuhr der Wikinger zu ihm herum und stemmte die Fäuste in die Seiten. „Hör mal zu, du Wurm! Sollten auf der verfluchten Insel da tatsächlich Kariben in den Dünen lauern, schicke ich dich als ersten vor, damit sie dich anfallen und auffressen!“

      „Warum denn auffressen?“

      „Weil ich sie darum bitten werde.“

      „Oh, ich verstehe.“

      „Hältst du endlich das Maul?“ fuhr der Wikinger ihn an.

      „Ja.“ Aber auch der Stör war äußerst verwirrt. Er wandte sich ab und trat an das Schanzkleid zu Eike, Oleg, Arne und den anderen, die sich die Augen ausstarrten. Wo waren die Freunde? Ob da was passiert war?

      Hasard hatte unterdessen die große Jolle der „Isabella“ abfieren lassen. Rasch stellte er die Besatzung zusammen.

      „Ed, du begleitest mich“, sagte er. „Wir sehen nach, ob es an Land irgendwelche Spuren von unseren Leuten gibt. Ferris, Batuti, Roger, Dan, Luke und Gary – nehmt eure Feuerwaffen und entert in die Jolle ab.“

      Die Männer holten ihre Musketen und Blunderbusses. Der Gambia-Mann hängte sich seinen Pfeilköcher um und nahm seinen Langbogen, aber auch einen Morgenstern mit. Hasard holte aus der Kapitänskammer seinen mehrschüssigen Radschloß-Drehling. Dann enterte er mit den Männern in die Jolle ab.

      „Sir, nimm mich bitte mit!“ rief Smoky.

      „Nein, du bleibst hier.“

      „Aber Gunnhild und …“

      „Das ist ein Befehl“, unterbrach ihn Hasard. „Wir sehen jetzt erst mal nach dem Rechten. Anschließend beraten wir, was wir unternehmen.“

      Es war einleuchtend: Was immer an der Eight Miles Bay vorgefallen sein mochte, der Seewolf wollte nicht, daß Smoky mit dabei war, wenn sie etwas entdeckten. Doch eigentlich war es schon übertriebene Vorsicht, denn Hasard konnte sich nicht vorstellen, daß irgendein Gegner gleich vier Schiffsmannschaften überwältigte und dann auch noch die Schiffe verschwinden ließ. Die plausibelste Erklärung schien zu sein, daß ihre Freunde – aus welchen Gründen auch immer – sich von Great Abaco wieder zurückgezogen hatten.

      Der Wikinger und die Rote Korsarin hatten ebenfalls die Beiboote abgefiert. Aber Hasard bedeutete ihnen, noch abzuwarten. Erst wollte er sich ein Bild von dem verschaffen, was sie auf Great Abaco erwartete. Er nahm auf der achteren Ducht der Jolle Platz und griff nach der Ruderpinne. Das Boot legte ab, die Männer begannen zu pullen.

      Carberrys Miene war finster.

      „Eine Scheißsituation ist das“, murmelte er. „Gefällt mir gar nicht. Was steckt dahinter?“

      „Vielleicht nicht sehr viel“, erwiderte Dan. „Ich könnte mir vorstellen, daß ein paar Alis in den Dünen herumlungern. Renke, Oliver, Jean und mein Alter haben es daraufhin vorgezogen, an der Westseite vor Anker zu gehen.“

      „Das paßt nicht zusammen“, wandte Ferris ein. „Das mußt du selbst einsehen. Unsere Leute hätten mindestens einen Ausguck zurückgelassen, der uns ein Zeichen gibt.“

      „Und die Alis?“ fragte Dan.

      „Mann, mit den paar dämlichen Alis hätte Jean doch im Alleingang aufgeräumt“, sagte Roger. „Nein, die sind nicht der Grund.“

      „Trotzdem müssen wir höllisch aufpassen“, sagte Hasard. „Wenn es einen Gegner gibt, könnte er oben hinter den Dünenkämmen in Deckung liegen. Es brauchen nicht unbedingt die algerischen Piraten zu sein. Es können auch andere bewaffnete Schnapphähne sein.“

      „Sehr richtig“, sagte der Profos grimmig. „Aber dem ersten, der seine Nasenspitze zeigt, brate ich was über, daß ihm Hören und Sehen vergeht.“

      Das Boot glitt durch die Brandung, der Bug schob sich knirschend in den Ufersand. Die Männer vertauschten die Riemen mit den Musketen und Blunderbusses, die sie zwischen die Duchten gelegt hatten. Hasard hielt den Radschloß-Drehling schußbereit. Sollte ein Gegner auftauchen, der ihnen einen heißen Empfang zu bereiten gedachte, dann würden sie seinen Gruß gebührend erwidern.

      Carberry war mit einem Satz als erster auf dem Strand. Er tat ein paar Schritte, schaute sich aufmerksam um und entdeckte einen flachen Dünenkamm nicht weit entfernt. Es waren höchstens vier, fünf Yards bis dorthin, eine Distanz, die er mit drei Sätzen überbrückte. Er verharrte abrupt und hob die Muskete. Etwas Sand stob von seinen Stiefeln hoch.

      Hasard und die anderen Männer rückten nach. Verblüfft und alarmiert zugleich blickten sie zu dem Profos auf, als dieser plötzlich die Muskete sinken ließ, die Fäuste in die Seiten stemmte und brüllende Laute von sich gab.

      „Hölle, was ist denn jetzt in den gefahren?“ stieß Ferris betroffen aus.

      „Er röhrt wie ein Hirsch“, sagte Dan. „Das kennst du doch.“

      Batuti grinste breit. Irgendwie spürte er, daß das Profos-Röhren kein Zeichen für Gefahr war – sondern etwas anderes. Und auch Hasard glaubte dem Verhalten Carberrys zu entnehmen, daß alles jetzt eine einleuchtende Erklärung fand, die aber nichts mit Piratenüberfällen zu tun hatte. Wie es schien, nahmen die Dinge eine eher glückliche Wende.

      Carberry vermochte von seinem Standort aus in etwa in die Bucht zu sehen, wo die vier Schiffe ankerten. Erst war er wie vom Donner gerührt, dann fing er an zu röhren. Zum Henker, war denn das die Möglichkeit? Wie zum Greifen nahe lagen sie da vor Anker – die „Golden Hen“, die „Empress of Sea II.“, die „Wappen von Kolberg“ und die „Pommern“. Aber warum hatten sie die Schiffe von See her nicht sehen können?

      Die verdammten Kiefern waren schuld, jawohl. Ihre Wipfel waren so dicht, daß sie die Schiffe zur Meeresseite hin perfekt abschirmten. Von hier aus aber, vom Kamm der Düne, konnte man zwischen den Stämmen hindurchschauen. Und da lagen sie friedlich und einträchtig beieinander, diese höllischen Kähne, um die sie sich eben so gesorgt hatten.

      „Da sind sie!“ brüllte er. „He, ihr Affenärsche! Ihr Satansbraten! Seid ihr total verrückt?“

      Hasard wußte Bescheid, bevor er Carberry erreichte: Die Eight Miles Bay wurde ja, wie ihm bereits bekannt war, in ihrem nördlichen Bereich von der kleineren Cherokee-Bucht begrenzt. Nur dort konnten die vier Schiffe der Freunde ankern!

      „Haben sich versteckt vor uns, die Rübenschweine!“ brüllte der Profos. „Wollen uns ärgern, diese Komiker!“

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