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Smaragdschmuck mitgehen lassen. Und die Ledermappe mit den geheimen Dokumenten für den Gouverneur, die auch ihren Wert besitzen! He – seht nach, ob er noch mehr von Bord geschmuggelt hat!“

      Die Männer suchten das Schiff ab, und nur kurze Zeit später meldete sich einer von ihnen aus dem Kombüsenschott: „Proviant und zwei Schläuche mit Trinkwasser fehlen, verdammt noch mal!“

      Mangusto, de Vargas und der Sargento waren zum Backbordschanzkleid gestürzt und spähten in die Nacht, aber von dem Beiboot war nichts mehr zu sehen. Es hatte einen Mast, den man in die Öffnung einer Ducht stecken und verstagen konnte, und war in der Lage, ein Großsegel und eine Fock zu führen.

      Dadurch hatte Sabreras sehr schnell im Schutz der Nacht untertauchen können.

      „Wie hat er die Sachen bloß auf das Boot bringen können?“ sagte der Sargento immer wieder. „Wie bloß? Ich begreife das nicht.“

      „Aber ich.“ Lopez Mangusto sagte es voll ohnmächtiger Wut. „Wir haben ihn unterschätzt, das ist es. Er wußte, daß eine Meuterei bevorstand. Schon am Tag hat er alles in dem Boot versteckt, was er braucht. Hölle, so bringt er es möglicherweise doch fertig, bis nach Panama zu segeln. Dieser Dreckskerl!“

      „Suchen wir ihn“, sagte de Vargas. „Weit kann er nicht sein. Ich schätze, er segelt nach Nordosten. Wenn die ‚Esperanza‘ auch lädiert ist – wir erwischen ihn schon.“

      „Und wenn nicht?“ fragte der Sargento.

      „Dann können wir uns in Panama und der gesamten Neuen Welt nicht mehr blicken lassen, du Schwachkopf“, erwiderte Lopez Mangusto.

      Niemals hätten die Meuterer danach trachten dürfen, Sabreras wiederzufinden. Niemals hätten sie eine Stunde und mehr darauf verwenden dürfen, in nordöstlicher Richtung zu segeln und bei immer neuen Kurskorrekturen die Wasserfläche nach dem Flüchtigen abzutasten. Niemals – denn sie steuerten selbst in ihr Verhängnis.

      Lieber hätten sie sich sofort nach Westen wenden sollen. Mit etwas Glück hätten sie wahrscheinlich bald eine Insel erreicht, vielleicht sogar die Isla del Coco nahe des fünften Grades nördlicher Breite, die nicht weit entfernt lag.

      Doch das Glück war eben nicht auf ihrer Seite.

      Der Ausguck im Vormars sah als erster den Schatten von Steuerbord nahen. Jawohl, er hielt die Augen offen und schlief nicht, wie man das manchmal bei nicht besonders guten, übernächtigten und erschöpften Wachtposten hatte – er sah diese riesigen Konturen aus der Nacht wachsen, aber im ersten Moment verschlug es ihm regelrecht die Sprache.

      Danach brüllte er „Alarm“ und „Schiff an Steuerbord“ und noch einiges andere, aber das änderte nichts mehr.

      Der unheimliche Segler entpuppte sich als Dreimaster. Er schob sich längsseits, bevor die Spanier auf den Gefechtsstationen waren. Spät, viel zu spät rumpelten die Culverinen, die Demi-Culverinen und die Minions der „Esperanza“ aus.

      Und als sich dann noch ein anderer Geistersegler aus der Dunkelheit schälte, war es mit der Fassung der entnervten Mannschaft völlig vorbei. De Vargas konnte Befehle schreien, soviel und sooft er wollte, Mangusto konnte nach Herzenslust toben, der Sargento Disziplin verlangen – es hatte alles keinen Zweck mehr.

      Enterhaken flogen, der Dreimaster schor längsseits der „Esperanza“. Menschenleiber quollen über die Schanzkleider.

      „El Lobo del Mar!“ Der Schrei gellte über Deck und heizte die Panik noch mehr an.

      Philip Hasard Killigrew und seine Mannschaft hieben ein paar Spanier nieder, die sich ihnen entgegenstellten, aber danach hatten sie leichtes Spiel. Ihre Tromblons und Musketen, Pistolen und Arkebusen brauchten sie nicht mehr einzusetzen. Hasard holte sich nur Aurelio de Vargas vor die Klinge und hielt ihn fest. Ben Brighton griff sich Lopez Mangusto, und Carberry packte den zappelnden, zeternden Sargento.

      „So hab ich mir unser Wiedersehen immer vorgestellt“, brummte der Profos. „Sollen wir jetzt abrechnen, was, wie?“

      Das schwarze Schiff legte sich gegen die Backbordseite der spanischen Galeone. Fender aus Kork und Tauwerk fingen den Aufprall ab. Siri-Tong, die Wikinger, der Boston-Mann, Juan und viele andere enterten ebenfalls auf die „Esperanza“ über.

      „Streicht ihr die Flagge?“ rief der Seewolf.

      „Si, Senor“, keuchte de Vargas. „Wir ergeben uns. Wir wollen nicht sterben.“

      „Zum Teufel mit euch allen!“ schrie Mangusto.

      Ben schlug ihm die Faust gegen die Stirn. Es war ein Jagdhieb, der den widerspenstigen Mann sofort niederstreckte. Ohnmächtig sank er hin.

      „Siri-Tong!“ rief Hasard. „Ihr steigt am besten gleich in die Frachträume hinunter und beginnt mit dem Löschen der Ladung.“ Er lächelte den Kriegsschiff-Kommandanten an. „Oder soll ich lieber umladen sagen? Na, ist ja egal. Wo steckt Sabreras?“

      „Den haben wir von Bord gejagt.“

      „Du lügst, Spanier.“

      „Seewolf“, stieß de Vargas hervor. „Mir ist nicht daran gelegen, den Helden zu spielen. Ich will nur die nackte Haut retten. Ich appelliere an deine Ehre. Wenn du uns alles genommen hast, was wir an Bord mitführen, was nutzt dir dann noch unsere Hinrichtung?“

      „Gar nichts“, erwiderte Hasard. „Ich bin kein Mörder. Aber bevor wir euch türmen lassen, mußt du mir alles über Sabreras erzählen. Alles, klar?“

      De Vargas schwor es. Bei Gott, der heiligen Jungfrau, Spanien und seiner Mutter – bei allem, was ihm lieb und teuer war.

      8.

      Im Morgengrauen erreichte Sabreras die Küste. Das Ufer war felsig und steil, wie drohend ragten die wuchtigen Steinmauern in den Himmel.

      Er hatte ausreichend zu essen und zu trinken, eine Waffe und Munition, und allein die prunkvolle Krone der Chibcha-Indianer machte ihn zu einem beneidenswert reichen Mann. Nur eins fehlte ihm an Bord des einmastigen Bootes: die Navigationsinstrumente.

      Er wußte nicht, wo er war. In der Nähe von Panama auf keinen Fall, dachte er, dort wäre ich frühestens am Abend des heutigen Tages gelandet.

      Andererseits war er aber sicher, das Festland vor sich zu haben, keine Insel. Er konnte es sich nur so erklären: Er war weiter nach Norden abgetrieben worden, als er dachte. Jetzt befand er sich westlich von Punta Mariato oder gar im Golf von Chiriqui – oder möglicherweise noch weiter westlich versetzt.

      „Wie auch immer“, sagte er leise. „Es hat keinen Zweck, Panama mit dem Boot erreichen zu wollen. Ich muß landen und mich dann nach Osten wenden. Killigrew und Siri-Tong – das alles werdet ihr mir büßen. De Vargas, Mangusto und alle anderen von der ‚Esperanza‘ – ich werde euch hetzen lassen wie tolle Hunde.“

      Als er dicht unter Land war, mußte er aufpassen, nicht von den Brandungswellen erfaßt und gegen die Felsen geworfen zu werden. Das Boot wäre zertrümmert worden.

      So lavierte er hart am Ufer entlang und forschte nach einem Landeplatz. Aber seine Bemühungen fruchteten nichts. Das Felsenland war schroff und abweisend, es wollte ihn nicht. Nirgends gab es den schmalsten Einlaß, es war wie verhext.

      Die Sonne kletterte höher und gewann an Macht. Ihre Strahlen setzten ihm zu und trieben, ihm den Schweiß aufs Gesicht und auf den Leib. Er begann zu fluchen. War denn alles gegen ihn?

      Er spielte schon mit dem Gedanken, nur das Notdürftigste an seinem Gurt festzuschnallen, ins Wasser zu springen und das Boot aufzugeben. Nur eine Überlegung hielt ihn davon ab. Wenn er am Ufer war, was sollte er dann tun? Klettern? Die Wände waren zu steil, und er hatte keine Übung als Bergsteiger. An den Klippfelsen entlangstolpern also? So war er jedem, der von See aus auftauchte, schutz- und deckungslos ausgeliefert.

      Und es bestand ja immer noch die Möglichkeit, daß der Seewolf, dieser hartnäckigste aller englischen Korsaren, nach ihm suchte.

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