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Kahn – ach, der Teufel soll dich holen.“

      Ein Unheil kommt selten allein, dachte er, zwar kannst du die Verfolger auf Abstand halten, weil die ‚Esperanza‘ immer noch ein schneller Segler ist, aber jetzt stehen im eigenen Hause die Zeichen auf Sturm.

      Ein Komplott.

      Aber wenige Habseligkeiten genügen, um einen Mann unabhängig und reich zu machen, sagte er sich auch, und dann kann er auf seine Mitmenschen pfeifen.

      Die Planken der Galerie knarrten bedenklich unter seinen Füßen. Er warf noch einen Blick auf das sanft sprudelnde Kielwasser der Galeone, dann drehte er sich um und kehrte in die Kammer zurück. Nur eine Radschloßpistole steckte er sich in den Gurt. Auf den Degen verzichtete er und nahm nur ein Messer und Pulver, Kugeln und kleine Verdämmungspfropfen aus Filz mit. Er hatte sich nach dem Gefecht neu angekleidet und glaubte, adrett genug zu sein, um mit Würde Abschied von seinem Schiff nehmen zu können.

      Ohne Zögern schritt er nun den Mittelgang des Achterkastells entlang, trat durchs Schott ins Freie und schaute sich um.

      Auf der Backbord- und Steuerbordseite der Kuhl lagen die beiden Beiboote der „Esperanza“ in ihren Zurrings. Wie durch ein Wunder hatte das linke in dem Kampf keinen Schaden genommen. Sabreras hatte es am Nachmittag bei einem kurzen Aufenthalt auf dem Oberdeck selbst überprüft.

      An Steuerbord schälte sich die Gestalt von Aurelio de Vargas aus dem Dunkel.

      Es war eine ruhige, sternklare Nacht. Wie mit Silbertupfern durchwirkt erschien der samtene Himmel. Der Mond war als scharfgeschnittene Sichel hineingestanzt. Der Wind fiel immer noch von Süden ein. Er war lauwarm, weil er vom Äquator wehte.

      De Vargas verstellte seinem Vorgesetzten den Weg.

      „Ich muß mit dir reden“, sagte er.

      „Vorsicht mit dem ‚Du‘“, erwiderte Sabreras. „Die Wache könnte uns hören. Wo steckt sie überhaupt?“

      De Vargas wies nach vorn. Wie durch Spuk wuchsen die Gestalten von drei Männern auf der Back hoch. Er schaute nach achtern, und als Sabreras den Kopf wandte, erschienen oben auf dem Achterdeck weitere drei Männer.

      Und Lopez Mangusto und der Sargento traten nun aus dem Achterkastell. Hinter ihnen befanden sich ein paar andere Uniformierte – die restlichen Offiziere.

      „Hier scheint ja alles auf den Beinen zu sein“, sagte Sabreras. Es klang leichthin gesprochen. Keiner sollte seine innere Anspannung spüren.

      „Hast du das Stöhnen der Verwundeten am Tag nicht gehört?“ fragte der Kriegsschiff-Kommandant. „Jetzt schlafen sie endlich, aber sie haben die Unversehrten zur Genüge genervt. Alle haben die Nase voll. Keiner will mehr den Kopf für dich hinhalten, Sabreras.“

      „In Panama können sich die Leute ausruhen.“

      „Wir erreichen Panama nie.“

      „Du solltest dich lieber auch hinlegen“, meinte Sabreras ironisch. „Du scheinst Ruhe nötig zu haben.“

      „Es wird einen neuen Kampf mit dem Seewolf geben“, sagte de Vargas beharrlich. „Aber darauf lassen wir uns nicht ein. Wir laufen Panama nicht an und lassen uns nicht von diesem verfluchten englischen Piraten zu den Fischen schicken.“

      „Solange ich Kommandant auf diesem Schiff bin …“

      „Du bist es die längste Zeit gewesen“, sagte de Vargas.

      Vielleicht dachte er, Sabreras würde jetzt auf eine hinhaltende Floskel ausweichen und so tun, als verstünde er nicht. Vielleicht würde er um jeden Preis versuchen, die Autorität zu wahren.

      Aber de Vargas irrte sich.

      Sabreras hatte die Radschloßpistole plötzlich wie durch Zauberei in der Faust und richtete sie auf sein Herz. „Jetzt staunst du, wie? Ich habe damit gerechnet, daß ihr Bastarde meutert. Ich hätte dich nie zum Kommandanten meines Schutzverbandes ernennen sollen, Aurelio. Du taugst eben doch nichts. Du hast dich von Lopez, diesem durchtriebenen Hurensohn, überreden lassen, wie?“

      „Ich treffe meine Entscheidungen allein“, versetzte de Vargas gepreßt.

      „Paß auf, wie du sprichst, Sabreras“, sagte Mangusto, der unmittelbar vor der Querwand des Achterkastells stand. „Ich könnte dir in den Rücken schießen.“

      „Aber de Vargas nehme ich auf jeden Fall noch mit“, erklärte Sabreras scharf.

      „Männer!“ rief Lopez Mangusto. „Wenn wir auch Opfer bringen müssen, laßt euch von diesem Bastard nicht hereinlegen! Er hat einen Schuß und kann nur einen von uns ins Jenseits schießen – danach ist er dran!“

      „Sabreras“, sagte der Sargento mit schneidender Stimme. „Ergib dich! Du hast keine Chance gegen uns.“

      „Narr“, murmelte Sabreras. „Ich hätte dich doch lieber gleich degradieren sollen. Du taugst bestenfalls zum Aufklarer.“ Er stellte sich rasch hinter de Vargas, packte ihn am Gürtel und zog ihn mit sich zu dem an Backbord festgelaschten Beiboot. „Siehst du“, sagte er. „Soviel bist du deinen Komplicen wert. Abknallen lassen würden sie dich. Aber keine Angst, ich lege dich nicht um. Ich will nur freien Abzug.“

      „Den hast du.“

      „Wer garantiert mir dafür?“

      „Ich“, sagte de Vargas.

      „Womit? Mit deinem Wort? Daß ich nicht lache!“ Laut wandte sich Sabreras an den Rest der Besatzung. „Herhören! Ich verlange nichts von euch, nicht einmal Proviant. Ich will nur das Boot. Damit schlage ich mich irgendwie durch. Wenn ihr noch einen Funken Anstand habt, laßt ihr mich weg.“

      „Das kann er haben“, meinte der Sargento.

      „Aber de Vargas nimmt er nicht mit!“ schrie Mangusto. „Das lasse ich nicht zu!“

      „Er setzt sich doch für mich ein“, sagte de Vargas triumphierend zu Sabreras.

      „Narr! Er fürchtet, wir könnten wieder gemeinsame Sache machen, wenn wir mit dem Boot fort sind. Zwei Männer, die beim Gouverneur oder gar beim Vizekönig gegen ihn aussagen – das wäre sein sicherer Tod.“ Sabreras stieß einen ärgerlichen Laut aus. „Leider war ich gezwungen, euch beide bei unseren Reisen nach San Cristóbal auf den Galápagos-Inseln in mein Geheimnis einzuweihen. Ihr wart die einzigen, die herausgefunden hatten, was sich wirklich in den Truhen befand, die ich dort ablud. Ich beteiligte euch Bastarde also. Aber ich habe immer gewußt, daß es ein Fehler war, Mitwisser zu haben. Los, hilf mir, wir beide fieren das Boot ab. Aber gib acht. Ich ziele dabei mit der Pistole auf dich.“

      Wenig später glitt das Boot außenbords und dann in die Tiefe. Ungeschoren konnte Sabreras die „Esperanza“ verlassen. Er stieg an der Jakobsleiter nach unten, ohne die Landsleute noch eines Blickes zu würdigen. Die Radschloßpistole behielt er in der Hand – für den Fall, daß doch noch jemand auf ihn schoß.

      Aber de Vargas, Mangusto, der Sargento und die anderen wollten sich die Finger nicht beschmutzen.

      „Lassen wir ihn abhauen“, sagte der Sargento mit einem dünnen Grinsen. „Weit gelangt er ja doch nicht. Entweder schnappen ihn die Seewölfe oder irgendwelche anderen Piraten. Oder Wilde. Oder er verhungert und verdurstet. Und dann wären da ja noch die Tiburónes, die Haie, nicht wahr?“

      „Stimmt“, erwiderte Mangusto. „Aber mal angenommen, er schafft es, das Festland zu erreichen.“

      „Dann muß er einen weiten Fußmarsch bis nach Panama zurücklegen“, sagte de Vargas. „Und auf der Strecke wimmelt es von Strauchdieben und anderen Galgenstricken.“

      „Na dann“, meinte der Sargento überzeugt. „Dann ist sein Leben wirklich nur noch einen Pfifferling wert. Oder noch weniger.“

      Mangusto wandte sich plötzlich ab, lief durch den Gang bis zur Kapitänskammer und stieß die Tür auf. Ihm war ein Verdacht aufgestiegen. Siedendheiß durchlief es ihn, als er in der Kammer herumstöberte. Er wurde

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