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ist total verrückt“, sagte Philip im Brustton der Überzeugung. „Dem muß die Sonne zu lange auf den Schädel gebrannt haben.“

      „Reine Schikane“, fügte Hasard hinzu und deutete zur „Isabella“. Dort waren die Männer am Schanzkleid der Kuhl zu erkennen, wie sie interessiert herüberlinsten. Mitten unter ihnen Edwin Carberry, auf dessen Schulter Sir John als folgsames Federvieh thronte.

      „Paß auf“, knurrte Hasard, „jetzt tut er so, als ob er der einzige ist, der mit seinem Viehzeug umgehen kann. Dabei ist es mit Sir John nun wirklich nicht schwierig.“

      „Und Arwenack gehört zur ‚Isabella‘“, sagte Philip. „Das ist doch Absicht, daß sie ihn nicht an Bord geholt haben.“

      „Wem sagst du das“, seufzte sein Bruder. „Los, weiter. Notfalls schmeißen wir den Affen über Bord.“

      Sie packten den Deichselgriff des Handkarrens und zogen auf ein „Hau ruck“ von Hasard weiter. Die Szenerie am Strand blieb unverändert. Mit unendlicher Geduld harrte Arwenack auf seinem Platz aus, Plymmie wedelte nur noch heftiger mit dem Schwanz, als sie die Zwillinge sah. Der Schimpanse tat indessen so, als bemerkte er von allem nichts.

      „Dieses Luder weiß ganz genau, daß er auf der ‚Empress‘ nichts verloren hat“, sagte Philip schnaufend. „Tut so, als ob er kein Wässerchen trüben könnte. Und überhaupt – diese plötzliche Freundschaft mit Plymmie ist doch sehr merkwürdig.“

      „Überhaupt nicht“, entgegnete Hasard, „das ist doch richtig menschlich. Der gute Arwenack möchte ein bißchen Abwechslung. Also will er ausnahmsweise mal mit uns auf die Reise.“

      Zwei weitere Boote lagen bereits bei der „Empress“ längsseits. Die Männer, die dort mit dem Stauen von Proviant und Frischwasservorräten beschäftigt waren, blickten nun ebenfalls herüber.

      „Jetzt stehen wir richtig im Mittelpunkt“, sagte Philip, nachdem sie den Karren nahe an das Boot heranbugsiert hatten.

      Hasard marschierte entschlossen auf den Schimpansen zu und baute sich breitbeinig neben ihm auf.

      „Arwenack“, sagte er energisch, „los, raus aus dem Boot!“

      Der Schimpanse schien taub zu sein. Mit der freien Linken kratzte er sich auf dem runden Schädel und blickte scheinbar interessiert in die entgegengesetzte Richtung.

      Hasard packte ihn kurzerhand am rechten Oberarm und wollte ihn von der Ducht stoßen. Doch im selben Atemzug zuckte er zurück. Denn jäh ruckte der Schimpanse herum, fletschte die Zähne und stieß ein wütendes Keckern aus.

      „Himmel“, sagte Hasard erschrocken, „der ist ja richtig giftig.“

      Von den Schiffen hallte Gelächter über die Wasserfläche der Bucht.

      „So geht das auch nicht“, sagte Philip, der neben seinen Bruder trat. „Jetzt schaltet er erst recht auf stur. Und Plymmie tut so, als ob sie das Ganze nichts anginge.“

      In der Tat blickte die Wolfshündin unverwandt zur „Empress“, als spiele sich dort das wesentliche Geschehen ab und nicht hier, am Strand.

      „Plymmie!“ rief Hasard schneidend. Dann, als sie den Kopf wandte, zeigte er auf den Schimpansen und fügte mit erhöhter Lautstärke hinzu: „Faß! Los, pack ihn! Scheuch ihn weg!“

      Plymmie reagierte nicht. Ihre Augen waren groß und treuherzig, und ihr Schwanz wedelte nur noch ein bißchen schneller, als hätte der junge Hasard sie soeben eine liebe, gute Hündin genannt.

      „Hat alles keinen Zweck“, sagte Philip seufzend. „Mannen wir erstmal die Fässer an Bord. Wenn’s nicht anders geht, nehmen wir Arwenack eben mit. Glaubst du, ich will vom Affen gebissen werden?“

      „Dafür reißt dir Old Donegal den Kopf ab“, versicherte Hasard. „Aber vielleicht fällt uns ja noch was ein.“

      Notgedrungen begannen sie also, die Pulverfässer zwischen den Duchten der Jolle zu verstauen: Auch während des Gerumpels und Gepolters dachte Arwenack nicht im Traum daran, seine Achterducht zu verlassen. Nur noch fester packte er die Ruderpinne.

      „Einfache Sache“, sagte Philip unvermittelt, als sie das letzte Faß ins Boot wuchteten. „Wir schaffen es sowieso nicht allein, den Kahn rüberzupullen.“

      „Wem willst du das erzählen?“ entgegnete Hasard.

      Sein Bruder zog die Schultern hoch.

      „Wir sind eben fix und fertig von der Arbeit. Wer will uns denn das Gegenteil beweisen? Da müssen eben die Männer pullen, und schon sind wir die Verantwortung für den verdammten Arwenack los.“

      Beim Klang seines Namens stieß der Schimpanse ein triumphierendes Keckern aus. Die Jungen bedachten ihn mit einem wilden Blick, verzichteten aber darauf, ihn weiter herauszufordern.

      Hasard überlegte einen Moment.

      „Blödsinn“, sagte er dann, „ich weiß was besseres.“ Flüsternd erklärte er dem Bruder seinen Plan, als könnte Arwenack menschliche Worte verstehen und vorzeitig gewarnt werden.

      Philips Gesicht erhellte sich.

      „Dann mal los“, sagte er knapp, „das haut hin.“

      Kurzentschlossen lösten sie zwei Holzstücke vom wackligen Aufbau des Handkarrens und blockierten das Ruder damit in Geradeausstellung. Da Arwenack mit seiner Taktik fortfuhr, von allem nichts mitzukriegen, begriff er auch den Sinn der Verkeilung nicht. Dann schoben die Jungen das Boot eilends ins Wasser, schwangen sich auf die mittlere Ducht und begannen zu pullen.

      Erst Minuten später wurde dem Schimpansen klar, daß nicht der Kurs zur „Empress“ anlag, sondern zur „Isabella“. Sein Protest gellte über die Wasserfläche. Doch es half ihm nichts. Und von den Schiffen war nun auch kein Gelächter mehr zu hören.

      Kurz darauf bugsierten Philip und Hasard das Heck des Bootes an die Jakobsleiter der „Isabella“.

      Die Gesichter, die über das Schanzkleid lugten, waren verblüfft.

      „Mister Carberry!“ rief Philip militärisch. „Melde: Bord-Schimpanse vom Landgang zurück!“

      Hasard hielt währenddessen Plymmie unter Kontrolle, damit sie nicht etwa ihren Platz im Bugraum verließ. Arwenack hatte sein Keckern eingestellt und zog ein langes Gesicht.

      Einen Augenblick sah es aus, als würde der Profos lospoltern. Doch dann schluckte er nur, und sein Rammkinn ruckte zweimal vor und zurück.

      „Arwenack!“ brüllte er dann. „An Bord mit dir, du Affenarsch! Beweg dich, oder ich ziehe dir dein verdammtes Fell über die Ohren!“

      Diese Sprache war dem Schimpansen geläufig. Er zuckte zusammen und hatte es im nächsten Moment höllisch eilig, die Jakobsleiter hinaufzuhangeln.

      Erleichtert pullten die Jungen von der „Isabella“ weg, verkniffen sich aber jeglichen Kommentar. Sie wußten, wie grantig Ed Carberry in solchen Situationen werden konnte. Immerhin hatten sie ihn elegant ausgetrickst. Aus dem Spaß auf ihre Kosten war nichts geworden.

      Am Nachmittag, als die Tide günstig stand, glitt die „Empress“ auf den Felsendom zu. Abschiedsrufe und gute Wünsche von den Männern auf den großen Schiffen begleiteten die kleine dreimastige Karavelle mit dem Lateinerrigg.

      Old O’Flynn und die übrigen Männer winkten den Gefährten noch einmal zu. Dann erreichte die „Empress“, von Martin Correa mit sicherer Hand gesteuert, bereits die felsüberspannte Passage, in der kein Sonnenstrahl das Halbdunkel zu stören vermochte.

      Nichts erinnerte mehr an den Untergang der Kriegsgaleone „San Gabriel“, die hier von jenen acht Pulverfässern zerrissen worden war, die Karl von Hutten heimlich mit dem Mahlstrom hatte treiben lassen. Wohl waren bei der Detonation einige Gesteinsbrocken aus dem Dom gerissen worden. Doch die entsprechenden Stellen waren im Halbdunkel nicht zu erkennen.

      Gleich darauf öffnete sich die Weite der Karibischen See vor den Männern

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