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in allem wenig erfreulich“, sagte der Kapitän, der ihm gegenübersaß.

      „Ich weiß“, entgegnete Cubera. Er schob die Ellenbogen auf den Tisch und faltete die Hände. „Deshalb komme ich auf meine einleitenden Worte zurück. Wir dürfen nicht klein beigeben. Wir müssen kämpfen, denn wir haben es hier mit einem Gegner zu tun, der der spanischen Krone ernst zu nehmende Schwierigkeiten bereiten kann. Wenn sich die englischen Piraten weiter mit den Indianern verbünden und in diesem östlichen Bereich der Karibik festsetzen, dann entsteht dadurch eine ständige Gefahr für Spanien.“ Er lehnte sich wieder zurück. „Meine Order lautet also: Schnellstmögliche Behebung der Gefechtsschäden und anschließend erneuter Angriff auf die Pirateninsel. Wir haben drei Tage Zeit, unsere taktische Planung dafür zu entwickeln.“

      Die Männer nickten zustimmend.

      „Gibt es noch Fragen?“ Cubera blickte in die Runde.

      Es blieb still. Die Kapitäne und Offiziere kannten ihren Verbandsführer. Er hatte an vielen Gefechten und Schlachten teilgenommen und dabei gewiß mehr Erfahrung gesammelt als alle Teilnehmer dieser morgendlichen Lagebesprechung zusammen. Don Garcia Cubera, das wußten sie, war alles andere als ein Eisenfresser, der über Leichen ging und Menschenleben opferte, ohne mit der Wimper zu zucken.

      Aber Cubera war zäh. Er gab so schnell nicht auf.

      Eben dies wußten sie auch. Man stand nicht auf verlorenem Posten, wenn man sich seinen Anordnungen beugte. Cubera entzog sich niemals der Verantwortung, die er als Führerpersönlichkeit übernommen hatte. Er war nicht der Mann, der andere vorschickte, damit sie für ihn die Kastanien aus dem Feuer holten.

       2.

      Auf der „San José“ verhielt es sich nicht anders als auf den übrigen Schiffen des zusammengeschmolzenen Verbandes.

      Jede Hand wurde für die dringend notwendigen Arbeiten an Deck gebraucht.

      So ergab es sich zwangsläufig, daß sich Capitán Cubera an die vier Lakaien des Gouverneurs erinnerte, die seit dem fehlgeschlagenen Fluchtversuch in Remedios in der Vorpiek hockten und über ihre niederträchtigen Charaktereigenschaften nachdenken durften. Keine Frage, daß sie sich während des Feuersturms vor der Pirateninsel nicht besonders wohl gefühlt hatten.

      Wenn Cubera aber geglaubt hatte, vier zerknirschte und um Gnade flehende Jammerlappen vor sich zu sehen, dann hatte er sich gründlich getäuscht.

      Der Erste Offizier hatte die Gefangenen aus der Vorpiek holen lassen. Sie trugen noch ihre Handfesseln, als sie – von zwei bewaffneten Seesoldaten bewacht – zum Steuerbordniedergang des Achterdecks geführt wurden.

      Cubera hatte sich zum Niedergang begeben und blickte auf die Kerle hinunter.

      Rein äußerlich boten sie ein Bild des Elends. Ihre einstmals prächtige Lakaienkluft war dreckig, speckig und stellenweise zerrissen. Die Silber- und goldfarbenen Tressen und Pailletten funkelten nicht mehr im Sonnenlicht, sondern waren stumpf geworden und an vielen Stellen abgeschabt. Die Gesichter der vier Gouverneursdiener waren bleich und eingefallen und von sprießenden Bartstoppeln verunziert.

      Doch ihre innere Einstellung stand in krassem Widerspruch zu ihrem abgewrackten Äußeren.

      Jener, der vorn stand, pumpte sich auf und riß den Mund auf, kaum daß sie vor dem Niedergang stehengeblieben waren. Er war ein schwammiger Bursche mit fettig-strähnigem Haar. In wenigen Jahren würde er seinem Dienstherrn, dem sehr ehrenwerten Don Antonio de Quintanilla, zweifellos sehr ähnlich sein, was den Körperumfang betraf.

      „Ich protestiere gegen …“

      Der Erste Offizier wirbelte herum und schnitt ihm mit einer energischen Handbewegung das Wort ab.

      „Niemand hat dir Redeerlaubnis erteilt!“ fuhr er ihn an. „Du sprichst nur, wenn du gefragt wirst. Verstanden?“

      Der Schwammige zuckte zusammen und duckte sich unwillkürlich, als erwarte er, geschlagen zu werden.

      Der Erste wandte sich seinem Capitán zu und salutierte.

      „Gefangene wie befohlen zur Stelle, Señor Capitán.“

      Cubera nickte und bedankte sich mit einem Lächeln. Nur kurz wanderte sein Blick über die eifrige Betriebsamkeit, die überall an Bord herrschte. Da wurde gehämmert und gesägt, daß es ein Vergnügen war, es anzusehen. Die Männer waren von neuer Einsatzfreude erfaßt. Es tat Cubera gut, dies zu spüren. Er wandte sich den vier Lakaien zu.

      „Ich höre, Sie haben einen Protest vorzubringen“, sagte er ruhig. Dabei zogen sich seine Mundwinkel unwillig nach unten. „Gegen was, wenn man fragen darf? Die Redeerlaubnis ist hiermit erteilt.“

      Der Schwammige pumpte sich abermals auf, und ein wahrer Wortschwall sprudelte über seine wulstigen Lippen.

      „Gegen die menschenunwürdige Behandlung, Señor Capitán. Wir sind in der Vorpiek eingepfercht worden wie Tiere. Kein Lichtstrahl hat uns erreicht. Das Essen hat man uns hingeschoben, wie man Tieren ihren Fraß vorwirft. Wir durften uns nicht waschen und hatten nicht die geringste Möglichkeit zur Körperpflege. Selbst die Sträflinge in Havanna werden nicht so schlecht behandelt. Es ist dies der erste Moment seit – seit Tagen, daß wir wieder das Sonnenlicht erblicken.“ Der Lakai holte tief Luft und setzte zu einem neuen Redeschwall an.

      Capitán Cubera unterbrach ihn rechtzeitig.

      „Was das Sonnenlicht betrifft, da werden Sie Ihren Nachholbedarf ausgiebig befriedigen können. Im übrigen habe ich Ihren sogenannten Protest zur Kenntnis genommen. Ich will kein Wort mehr davon hören, sonst müßte ich Ihre Arrestbedingungen wegen ungebührlichen Benehmens verschärfen.“

      Der Schwammige wurde kalkweiß.

      „Aber“, stammelte er, „Sie – Sie können doch nicht …“

      „Ich kann sehr wohl“, entgegnete Cubera schneidend. „Kerle Ihres Schlages haben keinen Grund, das Maul aufzureißen. Erstens befinden wir uns auf einem Kriegsschiff und nicht in einem pompösen Gouverneurspalast. Und zweitens: Warum wurden Sie unter Arrest gestellt?“

      Augenblicklich starrten alle vier auf die Kuhlplanken, als gäbe es dort etwas höchst Interessantes zu suchen. Der Schwammige trat verlegen von einem Bein auf das andere, da er dem Blick Cuberas unmittelbar ausgesetzt war.

      „Dann rufe ich es Ihnen noch einmal ins Gedächtnis“, sagte der Capitán mit metallisch klingender Stimme. „In Remedios haben Sie den Gouverneur bei einem Fluchtversuch, der fast mit einem Mord geendet hätte, unterstützt. Sie können froh sein, daß Sie nicht standrechtlich abgeurteilt wurden, wie es zuvor mit dem Kammerdiener geschah. Damit das unmißverständlich klar ist: Sie haben kein Recht, anders behandelt zu werden als gemeine Verbrecher. Als einziger Vorzug wird Ihnen ein ordentliches Gerichtsverfahren gewährt werden.“

      Die vier Elendsgestalten duckten sich wie unter Peitschenhieben. Weder der Schwammige noch einer der anderen wagte, auch nur noch einen Ton von sich zu geben.

      Cubera hob den Kopf und suchte mit seinem Blick die Kuhl ab.

      „Señor Rodrigo?“ rief er dann.

      Rodrigo, einer der Schiffszimmerleute, eilte mit langen Sätzen herbei, baute sich neben den Gefangenen auf und nahm Haltung an.

      „Señor Capitán?“

      „Sie werden vier zusätzliche Hilfskräfte brauchen können, nehme ich an.“

      „Aber ja, Señor Capitán. Jeder gesunde Mann ist zur Zeit Gold wert.“

      „Gut.“ Ein Lächeln huschte über Cuberas Lippen. Er deutete mit einer knappen Handbewegung auf die Gefangenen. „Hier haben Sie vier gesunde Kerle. Geben Sie ihnen ein bißchen Arbeit. Achten Sie aber darauf, daß sie auf einem der oberen Decks eingesetzt werden. Die Señores beklagen sich über Mangel an frischer Luft und Tageslicht.“

      „Dem kann abgeholfen werden, Señor Capitán“, sagte

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