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an, daß der Verband die Turks anläuft. Dort reparieren sie die Schäden und lecken ihre Wunden. Das haben sie jetzt dringend nötig.“

      Sie erhoben sich und gingen zu dem Platz, an dem jetzt die toten Spanier bestattet wurden. Pater David sprach ein Gebet für sie, und er wünschte sich aus tiefstem Herzen, daß künftige Opfer auf beiden Seiten vermieden wurden.

       8.

      Plymmie knurrte nicht mehr. Sie hatte sich auf der Kuhl der „Empress“ niedergelassen und den Kopf zwischen die Vorderpfoten gelegt. Unterschwellig begriff auch sie mit ihrem Hundehirn, daß der Überfall auf die Spanier zugunsten „ihrer“ Zweibeiner ausgefallen war. Es ließ sich ja auch leicht aus der Stimmung schließen, die an Bord der „Empress“ und der „Wappen“ herrschte.

      „Das war mal ein feiner Raid“, sagte Old O’Flynn und rieb sich die Hände. „Hoffen wir, daß es so weitergeht. He, ihr beiden, paßt ihr auch wirklich auf, wie es sich gehört?“

      Gemeint waren die Zwillinge. Hasard junior befand sich vorn, am Bug, Philip junior kehrte eben zum Achterdeck zurück.

      „Wir haben sie vor uns, Sir“, meldete er. „Und wir lassen sie nicht aus den Augen. Sie haben keine Chance, uns zu entwischen. Dazu sind sie nicht schnell genug.“

      „Ich will an ihrem Achtersteven hängen wie der Pilotfisch am Arsch des Haies“, sagte der Alte. „Kapiert? Wenn ihr sie verliert, fliegt ihr ins Wasser.“

      „Aye, Sir“, erwiderte der Junge trocken. „Aber Pilotfische haften eher an Walen als an Haien.“

      „Das ist mir egal“, sagte der Alte. „Die Hauptsache ist, sie kleben, so wie wir. Hölle, wir lassen die Dons nicht mehr in Ruhe, und sie werden notfalls noch nach Havanna zurückschwimmen, das schwöre ich euch.“

      „Nun übertreibe doch nicht so“, sagte Nils Larsen. „Das Kräfteverhältnis beträgt immer noch drei zu zwei, nicht zu vergessen die Schaluppe.“

      „Na und? Sie sind stark angekratzt, und ihre Kampfmoral ist weg. Hast du nicht gehört, wie sie geschrien haben?“

      „Natürlich“, erwiderte Nils. „Aber sie erholen sich auch schnell wieder.“

      Der Alte grinste jetzt wie der Teufel in Person. „Eben. Das sage ich ja auch. Und deshalb suchen wir sie wieder heim, ehe sie richtig Luft geschnappt haben. Vor allen Dingen schlagen wir zu, wenn sie absolut nicht damit rechnen.“

      „Wohin segeln sie deiner Ansicht nach?“ fragte Martin Correa.

      „Na, nach Grand Turk natürlich“, erwiderte der Alte. „Wohin denn sonst? Nach Kuba bestimmt nicht, das liegt im Westen.“

      „Ja?“ sagte Philip junior. „Oh, das haben wir gar nicht gewußt.“

      „Ich schätze, du kriegst heute nacht noch was hinter die Löffel“, brummte der Alte. „Du bist mal wieder unverschämt frech – wie dein Bruder.“

      „Was tun wir, wenn die Dons uns sichten?“ fragte Sven Nyberg.

      „Sie sichten uns nicht“, entgegnete Old O’Flynn mit tiefster Überzeugung. „Sie haben genug mit sich selbst zu tun.“

      Auch in diesem Punkt sollte er recht behalten: Don Garcia Cubera und seine Leute waren mit dem Aufklaren und den dringendsten Reparaturarbeiten vollauf beschäftigt, und so wurden die Beschatter, die an ihnen Fühlung hielten, von Bord der drei schwer angeschlagenen Kriegsschiffe nicht gesichtet. Überdies hatten die Toppgasten der Spanier nicht so scharfe Augen wie die Zwillinge. Die Distanz zwischen dem letzten Schiff im Verband und der „Empress“ war zu groß für sie. Sie sahen sie einfach nicht.

      Philip und Hasard hingegen bewiesen wieder einmal, wie scharf ihre Augen waren. Die Spanier segelten jetzt ohne Licht – eine Vorsichtsmaßnahme, die Cubera angeordnet hatte, um etwaige Verfolger abzuschütteln.

      „Hölle“, sagte Martin Correa und beugte sich unwillkürlich vor. „Ich sehe sie nicht mehr.“

      „Wir aber“, sagte Philip junior. „Sie haben den Kurs nicht geändert. Wir segeln immer noch im Kielwasser der Karavelle, die den Abschluß des Verbandes bildet.“

      „Donnerwetter“, sagte Martin anerkennend. „Toll, daß ihr das seht, wirklich.“

      „Dabei bist du der Lotse“, sagte Old O’Flynn mit hämischem Grinsen.

      „Ich habe aber nie behauptet, Augen wie ein Adler zu haben.“

      „Die haben nur wir O’Flynns“, erklärte der Alte großspurig. „Und bei den Jungen ist es natürlich das Erbteil der O’Flynns, das sich positiv durchgesetzt hat.“

      Martin beschloß, nichts mehr dazu zu äußern, es führte zu nichts. Nils und Sven grinsten sich zu. Selten hatte der Alte so gute Laune gehabt wie in dieser Nacht. Kein Wunder: Er hatte die Schlangen-Insel schon unter dem dröhnenden Beschuß des Gegners fallen sehen, und im voraus hatte er nicht nur um die Freunde getrauert, sondern auch um die „Rutsche“, seine Kneipe, die er vor nicht allzu langer Zeit eröffnet hatte.

      Dank der Aufmerksamkeit der Zwillinge vermochten sie auf weiteste Nachtsicht die Fühlung mit dem Verband zu halten. Zügig verlief die Fahrt, die Schiffe lagen hoch am Wind und hielten den östlichen Kurs. Old O’Flynn und Renke Eggens stellten kurze Berechnungen an und gelangten zu dem Schluß, daß sie in den ersten Morgenstunden die Turks-Inseln erreichen mußten.

      Nach Mitternacht, es war jetzt der 27. Juli, war das Ziel tatsächlich erreicht. Der Verband rundete Grand Turk, drehte bei und ging in einer Bucht der Ostseite vor Anker. Die Besatzungen der „Empress“ und der „Wappen“ beobachteten es aus angemessener Entfernung.

      „So“, sagte Old O’Flynn und kratzte sich am Kinn. „Da liegen sie und lecken sich. Damit sind sie eine Weile beschäftigt, vielleicht den ganzen Tag über.“

      „Greifen wir an?“ fragte Martin Correa.

      „Nein, mir ist inzwischen etwas Besseres eingefallen. Wir segeln zurück zur Schlangen-Insel.“

      „Aber – warum haben wir sie dann bis hierher verfolgt?“

      „Um ihren Ankerplatz zu orten, du Barsch“, erwiderte der Alte ungehalten. „Ist das nicht klar? Meinst du, ich will sie bei Tageslicht überall suchen?“

      „Nein“, sagte Martin. „Und ich bin ja auch nicht blöd. Ich meine nur: Wir sollten nicht unverrichteter Dinge wieder abziehen.“

      „Tun wir auch nicht. Wir klüsen zur Schlangen-Insel und sehen nach, ob unsere Freunde inzwischen mit den Schiffen eingetroffen sind. Daß sie längst da sein müssen, ist dir auch noch nicht aufgegangen, was?“

      Martin seufzte und zuckte mit den Schultern. „Ich bin als Junge mal hingefallen, deswegen bin ich wohl ein bißchen zurückgeblieben.“

      „Ich an eurer Stelle würde noch ein bißchen lauter brüllen“, sagte Nils. „Damit die Dons uns hören und Bescheid wissen, daß wir hier sind.“

      „Los jetzt“, sagte der Alte drängend. „Keine Zeit mit Quatschen verlieren. Wir hauen ab.“

      Kurze Zeit darauf lagen sie wieder auf Gegenkurs und segelten zurück. Der Wind wehte nach wie vor aus Nordosten, und sie brauchten für die Rückkehr etwas weniger Zeit als für die Fahrt nach Grand Turk.

      In den ersten trüben Schleiern der Morgendämmerung trafen sie ein, liefen durch den Felsendom in die große Bucht ein und gingen vor Anker. Wieder hatte der Alte sich nicht geirrt: Die „Tortuga“ von Jerry Reeves und die Schebecke Don Juan de Alcazars waren inzwischen eingetroffen. An Land gab es einen kleinen Menschenauflauf, alle waren zur Stelle: Arkana, Karl von Hutten, Ramsgate, Pater David und die meisten der Krieger und Kriegerinnen sowie der Werftarbeiter. Nur die Männer, die gerade Wachdienst hatten, waren auf ihren Ausguckposten geblieben.

      Die Besatzungen der „Tortuga“ und der

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