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Männern. Sie waren gründlich verunsichert – und sie mußten die Überlebenden der gesunkenen Karavelle aus dem Wasser bergen. Eben war das Schiff endgültig in den Fluten untergegangen, und jetzt riefen die Männer, die zwischen der Unglücksstelle und den Schiffen und Booten schwammen, um Hilfe.

      „Ein Hai!“ schrie einer von ihnen.

      „Lampen setzen!“ befahl Cubera. „Rasch!“

      Öllampen wurden an Peekhaken befestigt und von Bord der Schiffe aus über das Wasser gesenkt. In den Lichthöfen erschienen die Köpfe der Schiffbrüchigen, und alle sahen jetzt, wer den Schrei ausgestoßen hatte.

      Es war der Bootsmann der Karavelle. Er brüllte, als habe der Hai ihn bereits gepackt, und schlug im Wasser um sich. Plötzlich ging er unter.

      Zwei seiner Kameraden tauchten beherzt nach ihm und holten ihn wieder an die Oberfläche zurück. Der Mann schlug mit den Fäusten nach ihnen und gebärdete sich wie ein Besessener. Aber ein Hieb gegen seine Schläfe, den ihm einer der beiden Helfer verpaßte, nahm ihm das Bewußtsein. Sie drehten ihn auf den Rücken und schleppten ihn zur „San José“ ab.

      Cubera bereitete sich auf einen grausigen Anblick vor. Sein Gesicht verhärtete sich. Er stellte sich vor, daß der Hai dem Bootsmann die Beine abgebissen hatte.

      Als der Mann an Bord gehievt wurde, atmete Cubera dann aber doch unwillkürlich auf. Er war unversehrt – nichts war geschehen. Kein Hai hatte angegriffen, es war reine Einbildung gewesen. Die Nerven waren mit dem Bootsmann durchgegangen. Er hatte, wie sich wenig später herausstellte, einen treibenden Trümmerteil für die Rückenflosse eines der grauen Mörder gehalten. Die Strapazen der letzten Stunden, das erbitterte Gefecht und die Niederlage – all das hatte mit dazu beigetragen.

      Aber der Bootsmann war nicht der einzige, der völlig erschöpft und demoralisiert war. Vielen ging es wie ihm, und nur ein letzter Rest Selbstbeherrschung bewahrte sie davor, laut loszuschreien.

      Die meisten Schiffbrüchigen waren inzwischen aus dem Wasser geborgen, und die Schaluppe und die beiden Jollen brachten sie zu den Schiffen. Cubera verfolgte, wie auch die letzten aus der See gezogen wurden, und er sah zu, wie der Kapitän der Karavelle mit grimmiger Miene an Bord der zweiten Galeone auf enterte.

      Was sollte jetzt geschehen? Cubera verdoppelte die Ausguckposten, sie hielten nach allen Seiten Ausschau. Aber die beiden unheimlichen Angreifer kehrten nicht zurück. Etwas Zeit war verstrichen, das Stundenglas wurde gerade umgedreht.

      Cubera fuhr sich mit der Hand über das Kinn und stellte fest, daß er nicht nur deprimiert, sondern auch gleichsam verlegen war – sich selbst und seihen Männern gegenüber, die allmählich den Glauben an ihn als Verbandsführer verlieren mußten.

      Was sollte er als nächstes tun? Jeder Versuch, auf dieser Teufelsinsel zu landen, war fehlgeschlagen. Ein weiterer Anlauf konnte nicht unternommen werden – die Verluste waren bereits zu hoch. Cubera biß sich auf die Unterlippe.

      „Wir schaffen es nicht“, sagte er zu seinem Ersten Offizier. „Es hat keinen Sinn, noch einmal anzugreifen!“

      „Was haben Sie vor, Señor?“

      „Das weiß ich selbst noch nicht“, erwiderte Cubera offen. „Aber geben Sie mir die Seekarte.“

      Der Erste reichte ihm die zusammengerollte Karte. Cubera öffnete sie und blickte im Licht der Hecklaterne darauf. Fast verzweifelt suchte er nach einer Lösung für seine Probleme. Aber wo lag sie? Er war nicht nur gescheitert, er war jetzt auch einer permanenten Bedrohung ausgesetzt, denn jeden Augenblick konnten der kleine Dreimaster und die Galeone wieder erscheinen, um einen weiteren Blitzangriff zu fahren. Und die Schäden an den eigenen Schiffen? Wo und wann sollten sie gründlich behoben werden?

      „Wir setzen Segel und laufen ab“, sagte er schweren Herzens. „Wir haben zur Zeit keine andere Wahl.“

      „Welchen Kurs? Wohin?“

      „Grand Turk, die größte der Turks-Inseln. Dort reparieren wir die Schäden und fassen neue Entschlüsse.“

      „Jawohl, Señor Capitán.“

      „Es gibt jetzt keinen anderen Weg. Informieren Sie die Kapitäne, und geben Sie meine Befehle weiter.“

      „Señor Capitán“, sagte der Erste. „Es ist nicht leicht, diese Inselfestung zu erobern. Keinem anderen an Ihrer Stelle wäre das gelungen. Der Gegner kämpft mit allen Tricks und hat Waffen, mit denen wir nicht rechnen konnten.“

      „Ich danke Ihnen für Ihre Worte. Aber ich hätte voraussehen müssen, daß sie mit Zähnen und Krallen kämpfen.“ Cubera ersparte sich keinen Vorwurf, und er dachte nicht daran, sich zu rechtfertigen und die Verantwortung für das, was geschehen war, von sich zu schieben.

      „Wie erklären Sie sich die Anwesenheit von Indianern auf der Insel?“ fragte der Erste Offizier.

      „Möglicherweise sind es Inselkariben, die sich mit den Engländern verbündet haben. Eine merkwürdige Partnerschaft – und doch denkbar. Ich gehe sogar so weit, zu behaupten, daß die Freibeuter sie absichtlich hergeholt haben.“

      „Seltsam, wirklich seltsam.“

      „Von dem Führer der Engländer, diesem Philip Hasard Killigrew, heißt es, daß er ein großer Freund der Eingeborenen sei.“

      „Er hat wahrscheinlich seine Gründe dafür“, sagte der Erste. „Vielleicht haben ihm diese Wilden mal das Leben gerettet. Aber es bringt uns wenig ein, das zu erörtern, nicht wahr?“

      „Eben. Ich frage mich nur, ob er auf der Insel ist.“

      „Killigrew? Die Landetrupps haben keinen einzigen weißen Mann gesehen.“

      „Und doch sind Weiße auf der Insel“, sagte Cubera. „Es ist nur eine Vermutung von mir, aber ich glaube nicht, daß ich damit falsch liege.“ Er grübelte weiter nach. Welchen Sinn hatte es aber, noch über die Bewohner der Insel nachzudenken? Seine Wut zwang ihn dazu, und irgendwie suchte er immer noch nach schwachen Stellen in der Verteidigung. Aber es gab sie nicht, er fand jedenfalls keine.

      Durch Zuruf von Bord zu Bord wurde die Order weitergegeben. Das neue Ziel hieß Turks Islands, und Don Garcia Cubera befahl sofortigen Aufbruch.

      Fast schwerfällig setzten sich die drei Schiffe nach der Bergungsaktion ostwärts ab. Karl von Hutten, Arkana, Pater David und Hesekiel Ramsgate verfolgten ihr Ablaufen von einem Versteck an der westlichen Südbucht.

      „Jetzt haben sie die Nase voll“, sagte Ramsgate grimmig. „Und Old Donegal und Renke Eggens sind endlich wieder da. Das Blättchen hat sich gewendet. Und wir haben keinen einzigen Verlust.“

      In der Tat gab es unter den Schlangen-Kriegern nur Verwundete. Einer von ihnen war bei der Landung und dem Angriff der Jollenbesatzung zwar ziemlich schwer getroffen worden und hatte viel Blut verloren, aber die Kriegerinnen hatten ihn sofort versorgt, und Arkana hatte inzwischen melden können, daß auch für ihn keine Lebensgefahr bestand.

      „Fast tun mir die Spanier leid“, sagte Pater David. „Ihr dürft nicht vergessen, daß sie meine Landsleute sind. Aber ich will ihr Tun nicht entschuldigen. Hätten wir nicht eisern gekämpft, hätten sie uns alle getötet.“

      „Darauf kannst du Gift nehmen, Pater“, sagte von Hutten. „Der Kommandant mag ein guter Mensch sein, aber die Fairneß geht bei ihm bestimmt nicht so weit, daß er uns verschont, wenn er siegt.“

      „Aber jetzt siegt er nicht mehr“, sagte Ramsgate. „Jetzt hat er nur noch drei Schiffe.“

      Arkana legte ihm die Hand auf den Unterarm.

      „Da!“ zischte sie. „Hört ihr das?“

      Der leise, klagende Ruf eines Nachtvogels war zu vernehmen, er kam von der Wasserseite.

      „Das ist einer der Zwillinge“, sagte Arkana. „Old Donegal gibt uns das Zeichen, daß er die Verfolgung aufgenommen hat.“

      Sie täuschte sich nicht. Wenig später glitten die Schatten der beiden

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