Скачать книгу

unterbrach ihn mit rauhem Lachen.

      „Verband? Das klingt wie ein makabrer Scherz. Wir sind ein armseliges Häufchen Elend, nichts weiter. Was nutzen uns noch so viele Kämpfer, wenn wir nur drei erbärmliche Schiffe zur Verfügung haben?“

      „Mit Empfindungen und Folgerungen befassen wir uns später“, sagte Cubera energisch. „Zur Zeit geht es einzig und allein um die Fakten. Bitte!“ Er gab dem Ersten Offizier der „San José“ erneut einen auffordernden Wink.

      Der Galeonen-Kapitän rammte sich das Pfeifen-Mundstück zwischen die Zähne und atmete schnaufend durch.

      „Capitán Cubera hatte mich beauftragt“, fuhr der Erste fort, „die augenblickliche Zahl der einsatzbereiten Männer festzustellen. Ich habe die entsprechenden Zählungen an Bord der beiden Galeonen und der Karavelle durchführen lassen. Aber ich will Sie nicht mit übertriebenen Details langweilen, Señores.“ Er hob ein Blatt Papier von der Tischplatte auf, warf einen kurzen Blick auf die hastig hingeworfenen Zahlenkolonnen und blickte dann wieder in die Runde. „Die Leichtverletzten mitgerechnet, verfügen wir über insgesamt knapp tausend kampfbereite Männer.“

      Der Schaluppenführer, ein Sub-Teniente namens Vicente de Pinzón, stieß einen Zischlaut aus und schüttelte fassungslos den Kopf.

      „Tausend! Das bedeutet, daß unsere Verlustliste auch mindest tausend Namen umfaßt. Wenn Sie mich fragen, Señores – ein zu hoher Preis für die Einnahme einer lächerlichen Felsen-Insel.“

      Die Mienen der anderen blieben unbewegt, als hätten sie nichts gehört. Nur Cubera reagierte. Seine Augen wurden schmal, und seine Stimme klang frostig.

      „Es hat Sie aber niemand gefragt, de Pinzón. Ich weise nochmals darauf hin, daß wir uns zur Zeit ausschließlich mit den Tatsachen beschäftigen.“

      Der Schaluppenführer, ein hagerer Mann mit eng zusammenstehenden Augen, senkte den Kopf, um dem Blick des Verbandsführers auszuweichen.

      „Die Ist-Stärke umfaßt natürlich Mannschaften und Seesoldaten zusammen“, sagte der Erste Offizier der „San José“, „Stammbesatzungen und Gerettete, versteht sich. Die Männer sind auf die drei Schiffe verteilt, wobei wir auf den beiden Galeonen jeweils etwa dreihundertfünfzig und auf der Karavelle dreihundert Mann haben.“ Er räusperte sich abermals, legte seine Tabakspfeife beiseite und hob einen anderen Zettel auf. „Ich komme nun zu den Schäden, Señores. Nach den Feststellungen der Schiffszimmerleute sind sämtliche Schäden glücklicherweise mit Bordmitteln zu beheben. Bis zum Abschluß aller Reparaturarbeiten werden aber etwa drei Tage vergehen.“

      „Höchstens?“ fragte Cubera.

      Der Erste sah ihn an.

      „Es ist knapp gerechnet, Señor Capitán. Die Schiffszimmerleute sind davon ausgegangen, daß auch nachts gearbeitet wird, vierundzwanzig Stunden am Tag also.“

      „Das versteht sich“, entgegnete Cubera. „Bitte weiter.“

      „Viel mehr ist nicht zu berichten, Señor Capitán. Auf Ihre Weisung hin sind Ausguckposten auf der höchsten Erhebung landeinwärts in Stellung gegangen. Es wurde vereinbart, daß Meldungen durch Läufer übermittelt werden – oder durch Böller bei Gefahr im Verzug.“

      „Danke.“ Don Garcia Cubera nahm einen letzten Zug aus der Pfeife und lehnte sich zurück. „Um es gleich vorwegzunehmen, Señores: Ich bin nach wie vor der Meinung, daß wir diese Pirateninsel erobern werden – mit den restlichen drei Schiffen unseres Verbandes.“

      Betroffene Blicke richteten sich auf ihn, doch keiner der Männer erhob ein Widerwort.

      „Wir wissen inzwischen, womit wir zu rechnen haben“, fuhr Cubera fort. „Das heißt, wir werden unsere Taktik auf die Gegebenheiten einrichten müssen. Dabei handelt es sich zum einen um die Geschützstellungen in den Felsen und zum anderen um die Tatsache, daß uns erhebliche Schäden durch Brand- und Pulverpfeile und durch Wurfbomben zugefügt wurden. Nicht zu vergessen allerdings der Angriff der beiden unbekannten Schiffe von See her.“

      „Was uns eine weitere Karavelle gekostet hat“, sagte der Kapitän der zweiten Galeone grimmig. „Wir müssen damit rechnen, daß die Verteidiger der Insel Verstärkung erhalten haben.“

      „Wenn es sich so verhält“, entgegnete Cubera, „dann wird es keine nennenswerte Verstärkung sein. Es ist uns gelungen, den Piraten ebenfalls beträchtlichen Schaden zuzufügen. Vergessen Sie nicht, daß wir immerhin auch eins ihrer Schiffe versenkt haben. Ein weiteres wurde schwer beschädigt. Mehr haben wir auf dem Marsch zur Schlangen-Insel nicht gesichtet. Dieser Punkt sollte uns kein Kopfzerbrechen bereiten.“

      Er ahnte nicht, wie sehr er sich irrte. Denn sämtliche Schiffe des Bundes der Korsaren waren mittlerweile bei der Schlangen-Insel eingetroffen. Lediglich die „Le Vengeur“ fehlte. Beim Versuch, den Kampfverband in seinem Anmarsch aufzuhalten, war Jean Ribaults Schiff unter dem massierten Feuer der Spanier gesunken.

      „Lassen Sie mich noch einiges hinzufügen, was für unsere künftigen Entscheidungen wichtig sein könnte“, sagte Cubera nachdenklich. „Für mich persönlich war es eine äußerst bestürzende Überraschung, daß die Insel von indianischen Kriegerinnen und Kriegern verteidigt wurde. Wir hatten erwartet, ausnahmslos auf englische Piraten zu stoßen. Das ist das eine. Der entscheidende Punkt ist aber die Kampfesweise dieser Indianer.“

      „Wie sie mit ihren Geschützen umgehen können!“ rief einer der Offiziere. „Das können sie nur von Europäern gelernt haben.“

      „Von englischen Piraten“, fügte ein anderer erbittert hinzu.

      „Eben drum“, sagte Cubera und nickte. „Für uns ergibt sich die Schlußfolgerung, daß sich die englischen Piraten möglicherweise mit den Eingeborenen der Karibik verbündet haben. Die Konsequenzen für den spanischen Besitz in diesen Breiten können mörderisch sein. Die Gefahren, die dadurch heraufbeschworen werden, sind nicht auszudenken. Noch mehr Übergriffe auf die Geleitzüge, Überfälle auf Besitzungen der spanischen Krone und schlimmstenfalls sogar regelrechte Volksaufstände. Andererseits“, Cubera zögerte einen Moment, doch dann sprach er weiter, „muß man aber auch realistisch denken und die Hintergründe nicht verhehlen. Unsereins hat sich in der Neuen Welt nicht gerade beliebt gemacht.“

      „Unsereins?“ Der Kapitän der zweiten Galeone beugte sich vor. Deutliche Empörung stand in seiner Miene. „Ich weiß, auf was Sie hinauswollen, Don Garcia. Aber ich bitte Sie, eine gewisse Sorte von Landsleuten nicht mit uns in einen Topf zu werfen. Wir sind Seeoffiziere, und wir tun unsere Pflicht. Aber niemand kann uns vorwerfen, daß wir als Unterdrücker auftreten oder uns zu sonstigen Ungerechtigkeiten verleiten lassen. Wie gesagt, das besorgen andere an unserer Stelle.“

      Cubera bewegte beschwichtigend die Hände auf und ab.

      „Der Ruf einer Nation wird meist von ihren negativen Erscheinungsformen geprägt. So verhält es sich zumindest hier, in den Breiten, die der große Columbus entdeckt hat. Halten wir uns doch einmal nur die Tatsachen vor Augen.“ Cuberas Stimme wurde beschwörend, und er straffte seine Haltung. „Wie ist man mit den Karibik-Indianern umgesprungen? Man hat sie entweder ausgerottet oder in die spanischen Minen verschleppt. Wenn man nun andererseits berücksichtigt, was über diesen sogenannten Seewolf berichtet wird – ja, dann muß dieser Mann eine ausgesprochene Führernatur sein. Ihm ist es durchaus zuzutrauen, daß er die Eingeborenen auf seine Seite gezogen hat.“

      „In der Tat!“ rief der Kapitän der Karavelle. „Das erscheint mir einleuchtend. Denken wir daran, auf welche Weise diese doch ziemlich kleine Insel verwandelt wurde. Erstens die perfekte Tarnung, der wir alle auf den Leim gegangen sind. Wenn wir von den Geschützstellungen auch nur etwas geahnt hätten, wären wir niemals so nahe an das Felsenufer herangesegelt. Zweitens die verborgenen Fallen in den Buchten! Drittens die Sprengladungen, von denen die ‚San Gabriel‘ zerrissen wurde!“

      „Richtig“, sagte Capitán Cubera und nickte. „Auf dieser verfluchten Insel müssen geschickte Festungsbaumeister am Werk gewesen sein. Damit aber nicht genug. Die Indianer haben Pulverpfeile verschossen, und sie haben Wurfgranaten in Form

Скачать книгу