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verdammt!“ sagte er heftig. „Ich glaube, du bist ein ganz gefährlicher Kerl. Ich hätte mich lieber nicht mit dir unterhalten sollen. Am Ende hänge ich noch neben dir an einer Rahnock oder schwimme mit dir zusammen mit einem Messer im Rücken den Fluß hinunter.“

      Der Kutscher nickte grinsend.

      „Gut, daß du weißt, daß wir jetzt an einem Strang ziehen“, sagte er. „Ich glaube, es ist besser, wenn du dich gleich an den Bootsmann wendest.“

      Der Riese schüttelte den Kopf.

      „Geht nicht“, erwiderte er.

      „Und warum nicht?“

      „Weil Le Requin sich nicht darum kümmert, was auf der Kuhl vor sich geht. Er hat Vert-de-gris noch nie mit Vorschriften belemmert, er hat ihn höchstens mal daran gehindert, wenn er in seiner Wut einen Mann totschlagen wollte. Aber sonst kann der Profos hier unten schalten und walten, wie er will.“

      „Verdammt, dann geh zu diesem Vert-de-gris“, sagte der Kutscher wütend. „Mehr als totschlagen kann er uns schließlich nicht.“ Er hatte absichtlich „uns“ gesagt, damit der Riese sich auch wirklich mächtig ins Zeug legte, ihn als Austausch für den buckligen Koch anzupreisen.

      Der Pirat nickte. Er drehte sich um und wollte sich entfernen, doch plötzlich blieb er stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Der Kutscher sah, wie er den Kopf zwischen die Schultern zog, als erwarte er Schläge.

      Plötzlich stand der Profos vor ihm. Die mit Pockennarben übersäte Glatze glänzte in der Sonne. Sein tückischer Blick glitt über den Riesen zu dem anderen Piraten und schließlich zum Kutscher.

      Er sagte etwas auf französisch zu dem Riesen, der eine hastige Antwort hervorsprudelte. Immer wieder hörte der Kutscher das Wort „cuisinier“.

      Der Glatzkopf unterbrach ihn mit einer kurzen Handbewegung, sagte etwas, drehte sich um und ging davon.

      Der bärtige Riese blieb noch einen Augenblick stocksteif stehen, dann trat er hastig neben den Kutscher und packte ihn am Arm.

      „Mann, wer weiß, was das wieder bedeutet“, sagte er zischend. „Der Alte will dich sprechen. Vert-de-gris soll dich zu ihm bringen. Die speisen jetzt erst zu Mittag. Du bist eingeladen, mit Vert-de-gris und dem Bootsmann an der Kapitänstafel zu sitzen.“

      „Ich soll den Fraß noch mal essen?“ fragte der Kutscher empört und versuchte, sich aus dem Griff des Riesen zu befreien.

      Der Pirat hielt ihn fest.

      „Los, komm endlich mit!“ stieß er hervor. „Oder glaubst du, ich will deinetwegen die Neunschwänzige verpaßt kriegen? Du brauchst keine Angst vor dem Essen zu haben. Die Herren vom Achterdeck haben ihren eigenen Koch.“

      „Wenn das so ist.“ Der Kutscher folgte dem Riesen, bevor der ihm den Arm ausreißen konnte.

      Die anderen Piraten schienen inzwischen alle die Sensation vernommen zu haben. Sie starrten den Kutscher an, als sei er ein Fabeltier. Eben noch hatte ihn der Profos fast totgeschlagen, und jetzt sollte er mit dem Kapitän speisen. Der Kutscher begann zu grinsen. Wenn er allerdings gewußt hätte, was die Männer sonst noch dachten, hätte er sicher auf der Stelle umgedreht und hätte in Kauf genommen, von dem muskelbepackten Glatzkopf durch die Decksplanken geschlagen zu werden.

      Er mußte sich Mühe geben, ein Grinsen zu verkneifen, als er den Riesen vom Achterdeck durch eine niedrige Tür treten sah. Der Mann sah aus wie ein Clown. Sein Oberkörper war bloß. Muskeln spielten unter der mit Narben übersäten Haut. Er trug eine gestreifte Hose, die von einer roten Schärpe an den Hüften gehalten wurde. Aber statt seines roten Kopftuches trug er eine grauweiße Perücke mit langen Lokken, die ihm fast bis auf die Schultern fielen.

      Die Perücke war für seinen Kopf viel zu klein. Sie gab ihm das Aussehen eines Betrunkenen, zumal sie noch schief auf dem großen Kopf saß und an der linken Schläfe einen Teil seiner schwarzen Haare zeigte.

      Ein kleiner, spindeldürrer Mann tauchte hinter dem Bootsmann auf. Er hatte eine Schürze vor dem Bauch, die eine Wäsche vertragen konnte. Der Mann hielt in jeder Hand eine Perücke, und als er dem glatzköpfigen Profos eine von ihnen reichte und der sie sich mit einer lässigen Handbewegung über die Glatze streifte, wußte der Kutscher, was ihm blühte.

      Er dachte nicht mehr daran, über den Aufzug des Bootsmannes zu grinsen. Er nahm die Perücke aus der Hand des Schürzenträgers entgegen und drehte sie in den Händen. Er hatte offensichtlich die schmutzigste erhalten. Hoffentlich sind keine Würmer drin, dachte er voller Abscheu, als er sie sich gottergeben auf die Haare stülpte.

      Le Requin, der Bootsmann, nickte.

      „Der Kapitän liebt es nicht, wenn ihm ein Mann ohne Perücke gegenübertritt“, sagte er. „Er hält auf Etikette, die er seinem Adelsrang schuldig ist. Er möchte dich stellvertretend für deine Kameraden an Bord der ‚L’Exécuteur‘ begrüßen. Ich hoffe, du weißt die Ehre zu schätzen, an seiner Tafel Platz nehmen zu dürfen.“

      Der Kutscher nickte. Mein Gott, dachte er, sind sie denn auf diesem Schiff alle verrückt?

      Er folgte dem Bootsmann und Vert-de-gris durch eine niedrige Tür, die der Mann mit der Schürze hinter ihnen zuzog. Durch einen dunklen Gang gelangten sie in die Kapitänskammer, die von einem langen, schmalen Tisch fast völlig ausgefüllt wurde.

      An dem ihnen zugewandten Ende des Tisches waren drei Gedecke aufgetischt, dazu eine Schale mit Obst und ein Kerzenleuchter mit sechs Kerzen, die brannten.

      Am anderen Ende saß ein Mann.

      Außer ihm befand sich niemand mehr in der Kammer, also mußte das der Kapitän sein.

      „Der Comte Armand de Fauvenoir“, sagte der Bootsmann mit getragener Stimme. Er schob den Kutscher am schmalen Tisch entlang auf den Mann zu.

      Erst jetzt war der Mann deutlicher zu sehen. Im Schein der Kerzen sah das rötlich glänzende, verfallene Gesicht wie die Maske eines Teufels aus. Der Kerl hing schief in seinem Sessel, in der einen Hand ein großes Glas, das bis zur Hälfte mit Rotwein gefüllt war. Die schmalen Finger der anderen Hand trommelten auf der Tischplatte.

      Der Kutscher fühlte sich von den kleinen, stechenden Augen durchbohrt. Er dachte nicht daran, über die rosa Perücke, in die blaßblaue Schleifen gebunden waren, zu lächeln. Er hatte das Gefühl, einem Menschen gegenüberzustehen, dem es Freude bereitete, andere zu quälen.

      Instinktiv verbeugte sich der Kutscher und vollführte eine wedelnde Bewegung mit der rechten Hand, wie er es schon häufiger bei vornehmen Spaniern gesehen hatte.

      Der Comte schien davon sehr angetan. Er zog die Lippen in die Breite und zeigte ein paar braune Zahnstummel, die ihm sicherlich nicht allzuviel Freude bereiteten.

      „Ich sehe, Sie wissen sich zu benehmen, mein Freund“, sagte der Comte mit süffisanter Stimme, die hell wie eine gläserne Glocke klang. „Nehmen Sie Platz, meine Herren.“

      Der Kutscher trat zurück und wartete, bis Le Requin ihm einen Platz anwies. Er setzte sich. Erst jetzt wurde ihm bewußt, daß die Kammer nur von Kerzen erleuchtet wurde. Die Fenster zum Heck waren mit schweren Brokatgardinen verhängt. Er dachte über den Namen des Comte nach. Sicher hatte er ihn sich nur zugelegt, denn so viele Kenntnisse hatte der Kutscher, daß er wußte, daß Fauvenoir „schwarzes Raubtier“ hieß. Offensichtlich war es unter den Piraten Mode, sich möglichst wüste Namen zuzulegen.

      Der Kutscher zuckte zusammen, als hinter ihm etwas hart auf den Boden gestampft wurde. Er wandte den Kopf und sah den kleinen, spindeldürren Aufklarer mit der Schürze, der einen langen Stab in der Hand hielt und ihn auf den Boden hämmerte.

      „Le hors d’oeuvre“, sagte er mit krächzender Stimme. „Mouette á l’exécuteur!“

      Ein Schauer nach dem anderen rann dem Kutscher über den Rükken. Er schaute den Bootsmann von der Seite an, aber Le Requin und auch der Profos starrten unbewegt durch die Kerzen auf den Kapitän, der immer weiter zur Seite sackte, dann aber von einem herzhaften

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