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verzogen sich zu einem ungläubigen Staunen, als der Hagere das Stew nicht gleich wieder ausspuckte. Er schob ein Stück Hammelfleisch ein paarmal vorsichtig im Mund hin und her, begann dann zu kauen und schluckte es schließlich hinunter. Hasard sah es am Auf- und Abhüpfen seines hervortretenden Adamsapfels.

      Ein Raunen ging durch die Piraten. Der Glatzkopf schob den Hageren zur Seite und stieß Hasard seinen Holzteller vor den Bauch, daß dieser nur mit Mühe ein Stöhnen unterdrücken konnte. Der Muskelprotz quetschte etwas hervor, was Hasard nicht verstand, und dieser knallte dem Grüngesicht eine Kelle Stew auf den Teller, daß ein Drittel davon über den Rand spritzte.

      Der Glatzkopf schien auf gute Tischmanieren keinen Wert zu legen. Wahrscheinlich führten sich die Piraten sonst genauso auf, wie Hasard es eben getan hatte.

      Noch warteten die anderen auf das Urteil des Muskelprotzes. Dieser verzog zwar etwas angewidert das Gesicht, spuckte das Stew aber ebenfalls nicht aus.

      Ein begeistertes Brüllen stieg in den blaßblauen Mittagshimmel. Hasard und Philip waren plötzlich von den Piraten umringt und konnten kaum so schnell auffüllen, wie ihnen die Teller und Schüsseln entgegengehalten wurden.

      Mann, muß Ratatü den Kerlen immer einen Fraß vorgesetzt haben, wenn sie sich schon mit Heißhunger auf dieses vergammelte Stew stürzen, dachte Hasard. Er blickte kurz zu seinem Bruder hinüber und kniff ein Auge zu.

      Philip war die Erleichterung deutlich vom Gesicht abzulesen. Er begriff die Begeisterung der Mannschaft auch nicht. Als er einen Augenblick Zeit hatte, probierte er noch einmal, aber es schmeckte nicht besser als zuvor in der Kombüse. Allerdings war das Hammelfleisch tatsächlich etwas weicher als vorher.

      Sie hörten das Knarren von Holz und drehten die Köpfe. Jean-Luc, der verwachsene Koch, schob sein verrunzeltes Gesicht durch den Türspalt. Wahrscheinlich wollte er mit eigenen Augen sehen, welches Wunder sich vor seinem Verschlag abspielte.

      Der Glatzkopf, der an der Bretterwand des Verschlages gelehnt hatte, packte die Tür und riß sie mit einem Ruck auf.

      Ratatouille, der sich an der Balkenhalterung festgehalten und nicht damit gerechnet hatte, wurde herausgeschleudert und stolperte bis zu dem Brett vor, auf dem die nun schon fast leeren Töpfe standen.

      Gehetzt blickte sich der bucklige Zwerg um. Er begann wie am Spieß zu schreien, als der Glatzkopf ihn im Genick packte und ihn vom Boden abhob, als wiege er nicht mehr als eine Feder.

      Auf dem Gesicht des Glatzkopfes breitete sich plötzlich ein Grinsen aus. Die Pockennarben darin schienen hin und her zu hüpfen. Er sagte etwas, und der Zwerg hörte abrupt zu zappeln auf. Langsam ließ der Glatzkopf ihn herunter und schlug ihm die Pranke auf den Buckel, daß er zu Boden ging.

      Mühsam rappelte sich der Koch hoch und ging Sekunden später unter der schaufelartigen Hand eines anderen Piraten wieder in die Knie.

      Philip war blaß geworden, aber Hasard zischte ihm zu: „Laß uns die Töpfe wegbringen. Sie werden Ratatü in ihrer Begeisterung schon nicht gleich umbringen.“

      Sie schleppten die leeren Töpfe in die verdreckte Kombüse zurück und begannen sofort damit, sie zu säubern. Obwohl sie sich nicht sonderlich Mühe damit gaben, wurden sie doch sauberer, als sie es vor dem Kochen gewesen waren.

      Der Lärm vor dem Verschlag wollte kein Ende nehmen, bis eine harte Stimme, an der Hasard den Riesen vom Quarterdeck erkannte, die Männer an die Arbeit zurückrief.

      Wenig später taumelte der Zwerg herein. Sein Atem ging keuchend, sein runzliges Gesicht war schweißüberströmt und gerötet. Dennoch lag ein seliger Glanz in seinen kleinen dunklen Augen.

      Als er den Mund öffnete und zahnlos grinste, sagte Hasard: „Siehst du, Jean-Luc, ich habe recht gehabt.“

      „Du nix mehr sagen Jean-Luc zu mir“, erwiderte der Zwerg mit freudetrunkener Stimme. „Du jetzt zu mir sagen Ratatouille. Das sein Ehrenname für mich.“

      Als Ratatouille sah, daß die Töpfe schon geputzt waren, kannte sein Wohlwollen den Zwillingen gegenüber keine Grenzen mehr. Er setzte sich vor die beiden Jungen hin und begann, ihnen seine Lebensgeschichte zu erzählen, die mit dem Martyrium auf der „L’Exécuteur“ ihr vorläufiges Ende gefunden und heute eine entscheidende Wende erfahren hatte.

      Der bucklige Zwerg hatte sich laut seiner eigenen Aussagen an diesem Mittag zum erstenmal nach mehr als zehn Tagen wieder an die frische Luft gewagt, aus Furcht, von den anderen wegen seiner miserablen Kochkunst zu Tode geprügelt zu werden.

      „Heute nachmittag und morgen früh ich werde Spaziergang über Schiff machen“, sagte er strahlend, „und niemand werden mich schlagen!“

      Hasard und Philip hatten schweigend zugehört. Am Ende wußten sie, daß sie genau das erreicht hatten, was von ihnen geplant worden war. Sie hatten Glück gehabt, daß Ratatouille gerade heute einmal nicht so verheerend schlecht gekocht hatte wie sonst, und daß es morgen so blieb, dafür würde er, Hasard, sorgen.

      6.

      Seit Batuti die Flucht des einen Piraten vereitelt hatte, stand er in der Gunst des Schotten ganz oben. Sein Vertrauen in den Gambia-Neger war so groß, daß er ihn allein auf Erkundung geschickt hatte, den nicht bewachsenen Hügel zu durchstreifen, der ihnen wahrscheinlich den Blick auf die südliche Hälfte der Insel verwehrte.

      Sie waren inzwischen fast zwei Dutzend Männer. Zwei Gruppen von je fünf Mann waren zu ihnen gestoßen. Aus den Gesten hatten Matt Davies und die anderen entnehmen können, daß auch diese ihren Auftrag bereits erledigt hatten. Wie viele der anderen Piraten dabei ihr Leben hatten lassen müssen, danach hatte Matt vorsichtshalber erst gar nicht gefragt.

      Batuti dachte daran, daß dem Schotten, seinen Männern und auch ihnen von der „Isabella“ der härteste Brocken noch bevorstand. Das war die Gruppe, die unter der Leitung des kleinen Franzosen mit dem Sichelbart und der Riesennase eine neue Großstenge heranschaffen sollte. Der Schotte hatte gesagt, daß Le Nez, wie der Giftzwerg hieß, mindestens zwanzig Mann bei sich habe.

      Batuti bahnte sich seinen Weg durch das dichte Unterholz mit dem Entermesser. Er hielt immer wieder Ausschau nach Schlangen oder Raubtieren, aber anscheinend gab es so was auf dieser Insel nicht.

      Die Bäume begannen etwas lichter zu stehen, und Batuti hoffte, daß er bald die Spitze des Hügels erreicht hatte, von der aus er die Insel nach allen Seiten überblicken konnte. Doch plötzlich stand er vor einer steil aufragenden Felskante. Er blickte an ihr hinauf und sah einen großen Fleck vom blaßblauen Mittagshimmel.

      Er überlegte, ob er es wagen könne, die Felskante zu erklettern, aber dann sagte er sich, daß es auch einen leichteren Weg geben müsse. Er ging etwa hundert Yards am Fuß der Felskante entlang und entdeckte schließlich einen Abriß in der Felskante, den er leicht erklettern konnte. Nach einer weiteren Viertelstunde befand er sich am oberen Rand der Felskante und sah sich um.

      Er hatte einen herrlichen Ausblick nach allen Himmelsrichtungen. Nach Süden war die Sicht nicht sonderlich klar. Batuti meinte, irgendwo an der Kimm den schmalen Streifen eines Landstrichs zu erkennen, aber er war sich nicht sicher.

      Er drehte sich um und blickte zur Flußmündung hinunter, wo er das Piratenschiff entdeckte, das von hier oben wie eine Nußschale wirkte.

      Er wollte die nähere Umgebung des Hügels, auf dem er sich befand, in Augenschein nehmen, um vielleicht etwas von den Piraten zu sichten, als ein paar Punkte in nordwestlicher Richtung an der Kimm seine Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Er kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.

      Dan würde jetzt genau sagen können, was das ist, dachte er. Daß es die Masten von Schiffen waren, sah er nach ein paar Minuten auch, aber ihm war nicht klar, um wie viele Schiffe und um welche Typen es sich handelte.

      Wahrscheinlich waren das die anderen Piraten von Espanola, die es auf die Silberflotte der Spanier abgesehen hatten.

      Batuti ahnte, daß die Zeit für den Schotten knapp werden würde. Er ließ seinen Blick über die dichten Wälder

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